Entwicklung der Epidemie in Berlin - Das ist die Corona-Ampel – mit all ihren Schwierigkeiten

Sa 07.11.20 | 19:07 Uhr
Berliner Corona Ampel
Bild: rbb|24

Der Berliner Senat behält mit einem Ampelsystem die Entwicklung des Corona-Virus im Blick. Die genauen Details zum System legte er aber lange nicht offen. rbb|24 hatte darum mithilfe einer Datenanalyse die Corona-Ampel nachgebaut. Von Haluka Maier-Borst

Seit einiger Zeit legt der Berliner Senat nicht nur den R-Wert sondern auch die Unsicherheiten des Wertes offen. Wir verzichten darum künftig auf unsere eigene Berechnung. Die Werte der Berliner Ampel finden Sie ab sofort hier.

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Zwei Mal Gelb bedeutet für den Senat Redebedarf. Zwei Mal Rot heißt Handlungsbedarf.
Das Grundkonzept der Berliner "Infektions-Ampel" ist einfach. Die Berechnung im Detail ist allerdings schwierig.

Die Senatsverwaltung für Gesundheit hat lange Zeit nicht offen gelegt, welche Datenquellen sie nutzt und mit welchen Unsicherheiten insbesondere ihr R-Wert behaftet ist. Fest stand nur, dass immer wieder dieser R-Wert erheblich schwankt. Das rbb|24-Datenteam hatte darum die "Corona-Ampel" nachgebaut, um transparenter über die Unsicherheiten und Schwierigkeiten zu berichten. Da aber der Senat inzwischen auch die Unsicherheiten des R-Wertes offen legt, haben wir uns entschlossen unsere eigene Berechnung nicht fortzuführen.

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Bei geringen Fallzahlen können „R-Wert“ und „Infektionen pro 100.000 Einwohner der letzten 7 Tage“ an einzelnen Tagen auf Gelb oder Rot springen, ohne dass dies ein Hinweis auf eine dauerhafte Entwicklung sein muss. Erst wenn über mehrere Tage Teile der Ampel fortlaufend auf Gelb oder Rot stehen, ist das ein deutlicher Hinweis auf eine Ausbreitung von Sars-CoV-2. Weil der R-Wert stark schwanken kann, haben wir hier auch die R-Werte der vorherigen sechs Tage stets abgebildet.

Da der Senat inzwischen aber auch die Konfidenzintervalle veröffentlicht, die dabei helfen die Unsicherheit der Berechnung zu verstehen, stellen wir die R-Wert-Entwicklung nun so dar:

Wie ist die Berliner Corona-Ampel aufgebaut?

1. Die Reproduktionszahl R

Ist der R-Wert unterhalb 1,1 steht die Ampel auf Grün. Ist er über 1,1 und das 3 Tage in Folge, springt die Ampel auf Gelb. Bei einem R-Wert drei Tage in Folge über 1,2 steht die Ampel auf Rot.

2. Zahl der Neuinfektionen der vergangenen sieben Tage pro 100.000 Einwohner*innen

Liegt die Zahl der Neuinfektionen der vergangenen sieben Tage pro 100.000 Einwohner*innen unter 20, ist dieser Teil der Ampel grün. Liegt diese Zahl über 20, so ist die Ampel gelb. Überschreitet die Zahl die Marke von 30, so wird hier die Ampel rot.

3. Anteil der für Covid-19-Patient*innen benötigten Plätze auf Intensivstationen

Dieser Teil der Ampel ist grün, solange der Anteil an Covid-19-Patient*innen unter 15 Prozent liegt. Steigt der Wert über 15 Prozent, ist die Ampel gelb. Ist der Anteil bei über 25 Prozent, schaltet die Ampel auf Rot.

Zwischen dem Ampelstand des Senats und den Berechnungen von rbb|24 gab es Abweichungen. Da wir insbesondere nicht genau wussten, wie der Senat seinen R-Wert berechnet, konnten wir diese nicht erklären.

Wie berechnet rbb|24 basierend auf diesen Angaben die Ampel?

1. Die Reproduktionszahl R

Nur wenn der R-Wert an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 1,1 bzw. 1,2 liegt, ändert sich die Ampelfarbe. Wie genau aber der R-Wert des Senats sich berechnet und wie groß die Unsicherheit bei der Berechnung ist, gab er lange nicht an. Die Senatsverwaltung hat auf mehrfache Anfragen zur Methodik nur geantwortet [twitter.com]: "Schauen Sie gerne auf der Seite des @rki_de nach, dort sind die Rechnungsmethoden nebst Ergebnissen erläutert, so wie sie auch vom Land Berlin übernommen werden: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/Nowcasting.html"

Inzwischen wissen wir, dass das RKI diesen Wert für den Berliner Senat berechnet und auch dabei die Unsicherheit der Berechnung mithilfe eines sogenannten Konfidenzintervalls angibt. Dieses Konfidenzintervall publiziert der Senat inzwischen ebenfalls, nachdem er es lange nicht übermittelte. Nur dieses Konfidenzintervall ermöglicht es aber die aktuelle Entwicklung gut einzuschätzen. Der R-Wert kann nämlich besonders bei niedrigen Fallzahlen stark schwanken!

2. Zahl der Neuinfektionen der vergangenen sieben Tage pro 100.000 Einwohner*innen

Basierend auf den vom Senat gemeldeten kumulierten Fallzahlen hat rbb|24 die Neuinfektionen der vergangenene sieben Tage berechnet und sie durch die Einwohnerzahl von Berlin geteilt: 3.769.495 (Stand Ende 2019 [statistik-berlin-brandenburg.de]). Diesen Indikator haben wir auch schon seit geraumer Zeit in unserem Beitrag zu den Fallzahlen gezeigt und auch für Brandenburg.

3. Anteil der für Covid-19-Patient*innen benötigten Plätze auf Intensivstationen

Die Berechnung hierfür basiert auf dem Tagesreport des Divi-Registers zu den derzeitigen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten. Dies tun wir nach wie vor. Hierbei rechnen wir die Zahl der hospitalisierten Covid-19-Fälle gegen die Anzahl aller Intensivbetten. Da aber womöglich trotz gesetzlicher Pflicht nicht alle Kapazitäten an das Divi-Register gemeldet werden, kann es hier ebenfalls Abweichungen geben.

Wie sind die Indikatoren der Ampel zu bewerten?

Die Berliner Amtsärzte haben in einem offenen Brief den Senat für das Gesamtkonzept der Ampel kritisiert. Auch die Obergrenze bei den Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern ist nicht ganz einfach zu bewerten. So sagte die Forscherin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, dass eigentlich das Ziel null Neuinfektionen seien müsse [sciencemediacenter.de].

Besonders wackelig kann aber mitunter die Berechnung von R sein. Denn die extremen Schwankungen lassen sich vereinfacht so erklären. Hätten sich zum Beispiel vor vier Tagen nur zwei Menschen neu angesteckt und vier Tage darauf wären es vier, würde R bei 2 liegen. Wären es aber nur drei Neuinfektionen, wäre R nur noch bei 1,5. Außerdem gibt es verschiedene Möglichkeiten die Zahl R zu berechnen.

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