#Wiegehtesuns? | Corona mit Baby - "Die Rückbildung mache ich alleine zu Hause"

Sa 04.04.20 | 12:51 Uhr
Mutter hält Hand ihres Babys (Quelle: Werner Bernstädt)
Bild: Werner Bernstädt

Bettina ist Mutter einer zwei Monate alten Tochter. Mama-Kind-Kurse sind passé, Babys beim Pekip nackt zusammen krabbeln lassen – undenkbar! Schön ist die Zeit trotzdem. Das Protokoll einer Mutter aus Berlin-Köpenick.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Bettina, 39 Jahre, Redakteurin (in Elternzeit), wohnt mit ihrem Partner und zwei Kindern in Treptow-Köpenick. Ihre Tochter ist im Januar 2020 zur Welt gekommen. 
"Es sind einfach andere Zeiten",
sagt unsere Kinderärztin. In diesen Wochen weicht sie von ihren sonstigen Empfehlungen ab und rät mir dringend, meiner zehn Wochen alten Tochter nicht nur die anstehende Grundimmunisierung, sondern die Pneumokokken-Impfung gleich mit zu geben. Das bedeutet eine Spritze mit Sechsfach-Impfstoff in den einen kleinen Oberschenkel, eine weitere in den anderen. Häufiger in die Praxis als unbedingt nötig will ich in diesen Zeiten nicht. Ich höre also auf den ärztlichen Rat. Ohne Corona hätte ich damit noch gewartet.

Diese Verunsicherungen machen diese ersten Wochen manchmal schwer – eine eigentlich wunderbare Zeit. Erst vor zwei Tagen hat der große Bruder unserer Kleinen gesagt: "Mama, es ist schön, das sie aus deinem Bauch gekommen ist". Wenn wir gemeinsam spazieren, "Immer wieder kommt ein neuer Frühling" trällernd, könnte die Welt perfekt sein. Doch von "perfekt" sind wir entfernt, mindestens so weit entfernt wie von "normal".

Von den Muttis aus der Schwangerschaftsgymnastik habe ich nur eine persönlich zum Baby-Bestaunen getroffen. Pekip ist undenkbar. Das war damals mit meinem Sohn eine wertvolle Mutter-Kind-Zeit und Wohlfühlprogramm für die Kleinen, die nackt im aufgeheizten Raum ihre Welt kennenlernen konnten. Das und auch die Rückbildungskurse waren für mich ein wichtiger Austausch unter frisch gebackenen Eltern. Jetzt sind sie abgesagt. Die Rückbildung nach der Geburt mache ich alleine zuhause. Unter Anleitung trainieren kann man nur noch auf Rezept, wenn medizinisch notwendig.

Meine Hebamme kommt noch, viele Hebammen sagen Besuche aber ab. Die meisten Mütter haben Verständnis. Bei meinem ersten Kind hätte es mich allerdings nervös gemacht, auf mich allein gestellt zu sein. Viel dreht sich bei uns aber auch um meinen Dreijährigen, der gerade nicht in die Kita geht. Auch mein Lebensgefährte arbeitet derzeit nicht. Das ist irgendwie auch schön, so verschafft uns Corona eine ungeplante gemeinsame Elternzeit. Wenn das Wetter mitmacht, gehen wir lange spazieren und sind viel draußen. Obwohl dabei auch absurde Situationen vorkommen: Einmal hält ein entgegenkommender Spaziergänger beim Passieren eine Plastiktüte zwischen sich und uns.

Absurd finde ich als Redakteurin auch das für mich ungewöhnliche Gefühl, einfach nie up-to-date zu sein - obwohl ich die Nachrichten nahezu ständig verfolge. Die Welt verändert sich einfach zu schnell. Trotzdem lese und lese und lese ich. Und rede und rede und rede: mit meinem Lebensgefährten, meiner Familie, Freunden und Nachbarn. Niemand ist mit seinen Gefühlen allein. Das hilft.

Ich bin wenig begeistert von Maßnahmen wie den Grenzschließungen und hoffe sehr, dass wir unsere Freiheitsrechte und unser freiheitliches Europa zurückbekommen. Aber diese Zeiten sind auch menschlich bereichernd. Menschen, von denen ich lange nichts gehört habe, schreiben Nachrichten, im Supermarkt habe ich mitbekommen, wie die Kunden den Mitarbeitern aufrichtig danken. Zaungespräche mit den Nachbarn dauern viel länger als sonst und ich sehe häufiger ehrliches Lächeln. Ich hoffe, davon bleibt etwas, nach Corona.

Wie geht es Ihnen? Erzählen Sie rbb|24, wie Ihr Alltag in Zeiten von Corona aussieht! Einfach eine Mail schicken an internet@rbb-online.de. Wir melden uns bei Ihnen.

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Antwort auf [Alkazone] vom 04.04.2020 um 18:40
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