#Wiegehtesuns? | Lehrerin in Brandenburg - "Mein Gehirn verträgt noch genau ein Reboot"

Sa 24.04.21 | 16:29 Uhr | Von Laura Patz
Birgit Schröder in ihrem Büro. (Quelle: privat/B. Schröder)
Bild: privat/B. Schröder

Der ständige und kurzfristige Wechsel zwischen Präsenz-, Distanzunterricht und den verschiedensten Lernplattformen frustriert die Brandenburger Lehrerin Birgit Schroeder. Für sie kümmert sich die Politik nur um die Interessen von Schülern und Eltern. Ein Gesprächsprotokoll.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Birgit Schroeder, 52, arbeitet als Lehrerin an einem Oberstufenzentrum in Strausberg. Dort unterrichtet sie aufgrund von Corona momentan viel im Distanzunterricht. Nicht nur Birgit, 57 Prozent aller Brandenburger Lehrkräfte sind laut Amt für Statistik Berlin Brandenburg 50 oder älter. Dennoch sind sie, besonders in Sachen Digitalunterricht, größtenteils auf sich selbst gestellt. So geht es ihr gerade:

In den letzten zwölf Monaten habe ich quasi nur auf Zuruf gearbeitet. Es gibt generell kaum klare Vorgaben, sondern möglichst viel Verantwortung wird nach unten delegiert.

In der Woche vor Ostern kam es dazu, dass den Eltern oder den volljährigen Schülern überlassen wurde, ob sie überhaupt zur Schule kommen wollen. De facto haben wir Sonntag erfahren, dass wir ab Montag [Anm. d. Red.: In Brandenburg startete am 19.4. der Wechselunterricht] nicht mehr nur Unterricht für zwei unterschiedliche Gruppen vorbereiten müssen, sondern für drei: Die, die regulär im Präsenzunterricht sind, die die regulär im Distanzunterricht sind und die, die eigentlich im Präsenzunterricht wären, aber zuhause bleiben.

Die Politik weiß eben, dass die meisten Wähler Eltern sind und nicht Lehrer. Darum wird jetzt politisch alles das gemacht, was keinem Schüler und dementsprechend keinem Elternteil wehtut. Wir Lehrer sollen uns da möglichst flexibel drauf einstellen. Ich sage nicht, dass ich wüsste, wie man es besser machen kann. Aber, dass wir mit vielen Problemen allein gelassen werden, frustriert mich schon.

Genauso der Unterricht per Videokonferenz: Ich sehe mich als "digital immigrant". Ich schaffe es ansatzweise, mich mit Tutorials mühevoll in neue Programme reinzufuchsen. So und mit der Hilfe junger Kollegen und Schüler habe ich mir auch den Umgang mit "MS Teams" draufgeschafft, das zu Beginn der Pandemie bei uns "moodle" ablöste. Mittlerweile sollen wirunter anderen die Schul-Cloud vom Hasso-Plattner-Institut nutzen.

Ich würde schon erwarten, von einem echten Menschen, einem, der dafür bezahlt wird, geschult zu werden, was den Umgang mit solchen Plattformen angeht. Intuitiv ist deren Nutzung für mich nicht. Ich stehe zwischen den jungen, digital-affinen Kollegen und den wenigen Totalverweigerern, die damit in Ruhe gelassen werden wollen, weil sie in zwei Jahren in Rente gehen. Ich lasse mich auf Neues ein, nur hätte ich gerne mal eine klare Ansage, worauf ich mich in Zukunft einstellen muss. Mein Gehirn verträgt noch genau ein Reboot!

Bei den meisten Schülern sind Videokonferenzen sowieso unbeliebt. Für gewöhnlich aktive Schüler ergreifen zwar auch im Distanzunterricht ihre Chance. Die, die jedoch schon im Präsentunterricht nicht sehr aktiv waren, können sich digital noch besser dem Unterricht entziehen. Mich ärgert, dass mich viele von ihnen als Dienstleister sehen. Aufgaben werden in meinen Fächern, Deutsch und Englisch, gerne per "copy and paste" erledigt. Gleichzeitig schicken mir die Schüler aber Nachrichten auf diversen Kanälen und verlangen, dass ich ihre Leistung zeitnah bewerte. So ein individuelles Feedback ist bei der Schüler-Anzahl nicht möglich!

Ich will mich aber nicht als Opfer darstellen. Solche Schwierigkeiten gibt es auch in anderen Berufen. Wir Lehrer sind halt System-relevant – mit allen negativen Auswirkungen.

Gesprächsprotokoll: Laura Patz

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Beitrag von Laura Patz

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