#Wiegehtesuns? | Der Artist - "Endlich dürfen wir wieder auftreten!"

Mi 10.06.20 | 08:37 Uhr
#Wiegehtesuns?: Sven Rogall vom Circus Hopplahopp (Quelle: Kitty Kleist-Heinrich TSP)
Audio: rbbKultur | 05.062020 | Josefine Janert | Bild: Kitty Kleist-Heinrich

Ab diesem Mittwoch heißt es für Sven Rogall wieder: Manege frei! Lange musste sein Circus Hopplahopp in der Corona-Krise geschlossen bleiben. Das Geld fehlt dem kleinen Familienunternehmen. Trotzdem ist Aufgeben keine Option. Ein Gesprächsprotokoll

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Der Artist Sven Rogall, 44, kommt aus einer Artistenfamilie. Er leitet den Circus Hopplahopp. Er lebt mit seiner Familie in Berlin. So geht es Sven:

Vor kurzem habe ich die Nachricht erhalten, dass wir den Circus Hopplahopp [Ext.Link] in Berlin-Karow am 10. Juni wieder öffnen dürfen. Endlich dürfen wir wieder auftreten! Die Abstandsregeln halten wir ein – und treten dann eben vor 50 Personen auf, statt wie sonst vor bis zu 300 Menschen. Wir geleiten jede Person einzeln zu ihrem Platz. Beim Ticketverkauf sind wir durch eine Glasscheibe geschützt. Ich bin erleichtert, und meine Familie ist es auch. Von meinen vier Kindern sind zwei noch minderjährig. Meine Frau ist schwer krank. Wochenlang zu warten, das war für uns alle eine Tortur – und für mich eine finanzielle Katastrophe.

Ohne die vielen Spenden hätten wir es kaum geschafft. Wir haben von Anwohnern, Berliner Unternehmen und der Berliner Tafel unter anderem hartes Brot, Obst und Gemüse bekommen – auch als Futter für unsere Tiere. Dafür sind wir dankbar.

Ehrlich gesagt hat mich der Lockdown ziemlich frustriert. Warum gab es denn so strenge Regeln – trotz der relativ niedrigen Zahl der Infizierten? Warum durften denn im Mai die Museen und Freibäder öffnen – aber unser Circus nicht?

Die staatliche Hilfe für Kleinunternehmer habe ich gar nicht erst beantragt, da die Voraussetzungen auf uns nicht zutreffen. Stattdessen habe ich mich um Hartz IV bemüht. Erst hieß es, dass in der Corona-Krise nicht geprüft werde, ob man Vermögen hat. Dann rief mich das Amt an: Der Zirkus und die Tiere - das gilt als Vermögen, weshalb es meinen Antrag ablehnte. Eine schwierige Situation, da ich ja weiter für Strom, Versicherungen und anderes zahlen musste.

Selbst in diesen harten Wochen hätte ich mir nicht vorstellen können, den Circus aufzugeben. Ohne ihn kann ich nicht leben. Ich bin im Circus sogar getauft und konfirmiert worden. Ich stamme aus einer Circus-Familie und habe an einer privaten Artistenschule eine Ausbildung gemacht. Was ich für den Alltag brauche, das konnte ich dort nicht lernen. Das habe ich mir in der Praxis angeeignet. Ich bin Circusdirektor und Manager, Tierpfleger, Tierdresseur, Moderator und Clown. Alles in einer Person.

2008 habe ich mich mich mit meinem eigenen Circus selbständig gemacht, unserem Familienunternehmen. Der Name Hopplahopp bleibt Kindern im Gedächtnis, dachten wir. Für sie ist der Circus gedacht. Wir sind ein Mitmach-Circus: Sie dürfen unsere Tiere anfassen und streicheln.

Zu Hopplahopp gehören vier Kamele, ein Pferd, fünf Ponys, fünf Pudel und zehn Tauben. Die drei Ziegen dressieren wir gerade, die Nummer ist fast fertig. Dafür haben wir die Zeit des Lockdowns genutzt – und auch für viele Proben.

Ende März wollten wir von unserem Standort an der Kreuzung Alt-Karow / Schönerlinder Weg nach Reinickendorf weiterziehen. Doch wegen Corona wurde alles abgesagt, und wir blieben in Karow. Meine Tochter macht ihre Hausaufgaben im Wohnwagen und kommuniziert per Laptop mit ihren Lehrern. Mein vierjähriger Sohn Sven Junior folgt mir, wohin ich gehe. Besonders mag er die Tiere – und seine Spielzeugautos.

"Es muss weitergehen" – das ist unser Familienmotto. Letztes Jahr hat meine Frau eine schwere Diagnose erhalten. Daher haben wir das Motto abgewandelt. Klar, wir wollen und müssen wieder Geld verdienen. Aber es gibt Schlimmeres als die Corona-Krise. Das Leben geht weiter. Wir sehen immer noch positiv in die Zukunft.

Gesprächsprotokoll: Josefine Janert

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