#Wiegehtesuns | Die Pfarrerin - "Ich erlebe so viele spirituelle Momente im Digitalen"

So 12.07.20 | 12:38 Uhr
Die Pfarrerin Theresa Brückner sitzt vor einem Altar (Bild: Eike Thies)
Audio: Inforadio | 29.06.2020 | Gespräch mit Theresa Brückner | Bild: Eike Thies

Theresa Brückner ist Pfarrerin für Kirche im digitalen Raum, Gottes Influencerin - sozusagen. Durch Corona trifft sie nun auch Menschen im Netz, die das sonst abgelehnt haben. Ein Protokoll

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Theresa Brückner, ist seit einem guten Jahr Pastorin des Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg und der Paulus-Gemeinde Tempelhof. Viel länger schon ist sie unter dem Label #theresaliebt in den Sozialen Medien aktiv. Dort berichtet sie etwa über ihren Alltag als Pfarrerin mit Kleinkind und Ehemann, ebenfalls Pfarrer. Als während des Lockdowns Gottesdienste verboten waren, hat sie ihre Predigten ins Netz verlegt. So geht es Theresa:

Mir geht es eigentlich gut. Wir sind gesund, und das ist in diesen Zeiten echt die Hauptsache. Wir hatten es ganz schön anstrengend. Fast einen Monat waren wir zu Dritt in Quarantäne, ohne dass wir als Familie den Müll runterbringen durften und so. Das war schon eine Herausforderung, mit einem dreijährigen Kind in der Wohnung eingesperrt zu sein. Aber das ist ja nun schon eine ganze Weile vorbei.

Ob sich meine Followerzahlen durch die Krise so stark verändert haben, weiß ich gar nicht. Was aber enorm zugenommen hat, sind die Anfragen oder Nachrichten – gerade zu Beginn von Corona. Da habe ich viel Zeit investiert, weil sich viele Menschen Sorgen gemacht haben und alleine waren oder isoliert. Ich habe gedacht, für die Menschen da zu sein, das ist vor allem auch meine Aufgabe als Pfarrerin.

Was wirklich eine Überraschung war: Wen man plötzlich im Netz getroffen hat. Vor allem die Leute, die vorher immer gesagt haben, nein, niemals. Das ist schon lustig. Und es ist schön zu sehen, was alles entstanden ist, etwa Streaming von Gottesdiensten, Gebetsangeboten und so.

Jetzt können Gottesdienste wieder analog stattfinden. Es kostet viel Zeit, um Hygienekonzepte, Konzepte für die einzelnen Orte zu entwickeln. Das alles frisst die Zeit, die im Lockdown fürs Digitale da war.

Ich hoffe sehr, dass die Leute jetzt gemerkt haben, das Digitale ist was für sie – gerade im kirchlichen Raum. Ich hoffe, dass sie weitermachen. Viele, die zum ersten Mal dabei waren, haben gemerkt, dass sie Leute erreichen, die sie vorher nie erreicht haben. Das predige ich schon seit Jahren.

Ich glaube, im kirchlichen Bereich funktioniert Digitales und Analoges gut zusammen. Ich habe in den letzten Jahren schon erlebt, dass das Digitale letztlich ins Analoge zieht. Dass zum Beispiel Menschen, die mir im Netz folgen, auch zu meinen analogen Gottesdiensten kommen. Es ergänzt sich wunderbar. Ich erlebe so viele spirituelle Momente im Digitalen. Was ich mache, ist ja auch Verkündigung des Evangeliums. Und auch Seelsorge funktioniert. Die Leute gehen leichter auf mich zu, die Hemmschwelle fehlt.

Was wir gelernt haben aus der Coronazeit ist, dass wir füreinander da sind. Gerade in den ersten Wochen habe ich sehr oft erlebt, dass Menschen füreinander da waren, die sich vorher gar nicht richtig kannten, Hausgemeinschaften viel mehr zusammengewachsen sind, dass man auch Rücksicht aufeinander genommen hat. Und dass Abstand halten, einfach auch eine Form der Nähe war, eine Form der Nächstenliebe und der Fürsorge.

Für die nächsten Monate möchte ich allen mit auf den Weg geben: zuversichtlich sein. Ich will auch selbst nicht so viel jammern. Natürlich darf es auch Zeit für Trauer geben, gerade in der Coronazeit. Aber daneben auch das Positive sehen und sich wirklich in Liebe zu begegnen. Das bedeutet auch, Abstand zu halten oder zu akzeptieren, wenn jemand an einer Veranstaltung nicht teilnehmen möchte und dem kein schlechtes Gewissen zu machen. Das möchte ich mir mitnehmen und hoffe, dass sich das auch viele andere mitnehmen.

Gesprächsprotokoll: Ulrike Bieritz

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Sendung: Inforadio, 29.06.2020, 10:33 Uhr

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