#Wiegehtesuns? | Der Angestellte - "Wir machen Überstunden trotz Kurzarbeit"

Sa 23.05.20 | 15:18 Uhr
Wiegehtesuns?: Patienten stehen Schlange vor einer Berliner Praxis (Quelle: dpa/Steinberg)
Symbolbild | Bild: dpa/Steinberg

Im April hat Simon seinen neuen Job als angestellter Zahnarzt in einer Berliner Praxis angefangen. Sofort landete er in der Kurzarbeit. Doch zu tun gibt es mehr als genug. Simon fragt sich, warum er eigentlich nicht Vollzeit beschäftigt ist. Ein Gesprächsprotokoll.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Simon (Name von der Redaktion geändert) ist 31 Jahre alt und arbeitet als angestellter Zahnarzt seit April in einer Berliner Praxis - in Kurzarbeit. So geht es Simon:

Seit 6. April bin ich in Kurzarbeit. Das war quasi mein Start in der neuen Praxis. Nur eine Woche lang habe ich "normal" gearbeitet. Doch nicht nur ich bin davon betroffen, auch meine sieben Kolleginnen und Kollegen sowie die Helferinnen. Es heißt, dass sogar noch ein neuer Kollege dazukommt. Warum? Wenn wir doch eh schon Arbeitsausfall haben und weniger arbeiten dürfen?

Bereits an meinem ersten Arbeitstag wurde mir die Vereinbarung zum Kurzarbeitergeld vorgelegt. Die musste ich unterschreiben, zunächst nur mit der Information, falls es soweit käme. Es kam soweit, fünf Tage später schon. In der Vereinbarung stand zwar, was Kurzarbeit ist, aber nichts davon, wie lange sie dauern wird, oder wie das ganze abgerechnet wird.

Mein Chef konnte mir nicht sagen, wie viel Gehalt ich am Ende des Monats bekommen würde und wie lange ich in Kurzarbeit sein werde. Die Zahnärzte haben meistens ein Fixgehalt und dann eine Umsatzbeteiligung. Wir können den Umsatz aber nicht richtig aufbauen, weil wir ja wegen der Kurzarbeit weniger arbeiten. Mir ist auch nicht klar, wie unser Chef das alles zusammenrechnet.

Wir machen Überstunden trotz Kurzarbeit. Natürlich ist es sowieso ein Luxus in dem Job pünktlich Feierabend zu machen, manchmal dauern Behandlungen eben länger. Aber in dieser Ausnahmesituation mit der Kurzarbeit ist mir nicht klar, warum wir Überstunden machen müssen, wenn es angeblich zu wenig zu tun gibt, um uns in Vollzeit zu beschäftigen.

Seit Anfang April bin ich zwei bis drei Tage im Dienst. Diese Woche beispielsweise arbeite ich 16 Stunden, aber verteilt auf drei Tage. Das ist weniger als die Hälfte meiner normalen Arbeitszeit. Gleichzeitig bleibe ich pro Dienst etwa 30 bis 45 Minuten länger als ich bezahlt werde.

In den ersten beiden Aprilwochen hatten wir wenig zu tun durch die Corona-Krise. Ich denke auch, dass die Leute Angst hatten, auch durch die Panik, die durch die Medien und Politik angeschoben wurde. Mittlerweile kommen die Patienten aber wieder ganz normal. Weil wir aber weiterhin in Kurzarbeit sind, müssen zum Beispiel einige Schmerzpatienten ziemlich lange warten.

Unübersichtlichkeit, Unklarheit, Unsicherheit – das sind meine Gefühle derzeit. Ich frage regelmäßig nach, wie lange die Kurzarbeit noch dauern wird, aber mein Chef kann mir keine Auskunft geben. Meinen Kollegen geht es ähnlich. Einer sagte mir, er habe noch nie so wenig in seinem Leben verdient. Vor allem für die mit Familie ist es ein ziemliches Problem. Ich für meinen Teil kann allerdings auch nicht wirklich etwas planen, denn ich weiß ja nicht genau, wie mein Kontostand am Ende des Monats aussieht. Warum müssen wir überhaupt weiter in Kurzarbeit arbeiten, wenn wir doch genügend Patienten haben? Wie soll ich auf Dauer so arbeiten?

Wie geht es Ihnen? Wie sieht Ihr Alltag gerade aus? Erzählen Sie rbb|24 Ihre Geschichte in Zeiten von Corona! Einfach eine Mail schicken an internet@rbb-online.de. Wir melden uns bei Ihnen.

Gesprächsprotokoll: Karo Krämer

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