Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 3. Tür: Obendrüber statt untendurch

Sa 03.12.22 | 08:36 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Adventskalender: Berliner U-Bahn fährt auf einem Hochbahnviadukt durch die Stadt (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: Marcus Behrendt
Und da oben? - Die U-Bahn! - Berlin ist an fast all seinen Ecken eine Notlösung und im Fall der Obenrum-U-Bahn eine laute Notlösung. Aber die Touristen finden's schick. Und nicht nur Touristen. Ein Hoch also hier auf Berlins Hochbahn.

 

24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Für Bewegung braucht es Platz, für schnelle Bewegung braucht es viel Platz. Weil sich in der Stadt so richtig viele um den so richtig wenigen Platz bewerben, tauchen andauernd Notlösungen auf: etwa zweietagige Fahrradständer (ein bisschen weiter oben) oder Dachgärten (ganz oben). Der wahre urbane Platzhimmel aber ist der Untergrund. Räume ohne Tageslicht sind weniger begehrt. Die Stadt expandiert in den Keller.

Archivbild:Hochbahnhof der Linie U1 der Berliner U-Bahn (um 1920 aufgenommen).(Quelle:dpa/akg-images)
Bild: dpa/akg-images

London, New York, Kreuzberg

Die boomende Metropole Berlin nahm sich vor 140 Jahren ein Beispiel an London und Budapest und wollte in der Tiefe neue Trassen für eine Untergrund-Bahn bauen. Relativ schnell wurde klar, dass das Graben und Schachten teuer und gefährlich ist und nicht überall reibungslos funktioniert. Man brauchte die Bahn dort, wo die Leute waren, aber genau da standen schon überall Häuser. Die billigere Lösung war die oberirdische U-Bahn, die sich zwischen die Häuser drängelte. Und der Bau ging schneller. Die U-Bahn wurde eine Hochbahn.

Das Türenteam

Marcus Behrendt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", mit bürgerlichem Namen Marcus Behrendt, steigt auch bei Schnee und Kälte auf sein Rad. Der gelernte Pädagoge nutzt jede Gelegenheit zum Zeichnen.

Stefan Ruwoldt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt ist dem Weihnachtmann hinterhergehetzt, hat ihn aber nie erwischt. Das tat er mit dem Rad, dem Boot und seinem ganz privaten Motorschlitten. Nur beim Reiten, Golfen und Gleitschirmfliegen guckt er lieber zu.

Die Stammbahn auf Stelzen durch die Straßen

Berlins erstes Hochbahnviadukt ist auch gleichzeitig bis heute sein längstes: der Start-Abschnitt der heutigen U1 (früher Linie B oder AB). Das wurde die "Stammbahn". Baustart war 1896, 1902 die Eröffnung. Die Strecke verlief zwischen Stralauer Thor (im 2. Weltkrieg zerstörter Bahnhof an der Stralauer Allee vor der Oberbaumbrücke) und Potsdamer Platz. Erst am Ende dieser Strecke ging es in die Tiefe beim Bauen. Offiziell und namentlich zur "U-Bahn" wurde die Stammbahn dann auch erst Ende der Zwanziger Jahre.

Auch später wurde immer wieder geschummelt bei dieser Untergrundbeförderungsidee für Berlin: Ein Viertel der Berliner U-Bahnhöfe und Strecken liegt außerhalb von Tunneln. Das ist ein bisschen Betrug. Aber es ist eben auch ganz interessant für die Leute, weil man beim Rausgucken gleichzeitig immer irgendwo reingucken kann.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

4 Kommentare

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  1. 4.

    In der Verkehrspolitik waren sich "Ost" und "West" ausgesprochen ähnlich, ggf. mit 10 Jahren Verzug beim geografischen und polit. Osten: Reine U-Bahn-Systeme, die vollkommen getrennt vom Autoverkehr funktionieren, gibt es in Berlin, Hamburg, München und Nürnberg; alles andere sind Mischsysteme bei unterirdischen Strecken zumeist im Stadtzentrum und straßenbündigen Führungen außerhalb der Innenstädte als Tram. M. a. W.. : Hannover, Bielefeld, Dortmund, Essen, Frankfurt am Main und Stuttgart planten ihre ersten Tunnel auf U-Bahn-Standard, gingen dann aber im Zeitablauf berechtigt ab von den anfänglichen hochtrabenden, kostenträchtigen und überkandidelten Planungen und beließen den ÖPNV-Fahrgästen das Tageslicht.

    Insofern sind Dresden und Leipzig keineswegs im Hintertreffen. Leipzig hat ja nach 1990 eine sinnvolle S-Bahn-Strecke unterhalb der Innenstadt bekommen, analog von Stgt, FfM und München; bei faktischer Randlage in Dresden sind die "Koordinaten" anders.

  2. 3.

    Damals wusste man noch, wie man die Mobilitätsbedürfnisse der Berliner bedienen muss, wobei die Stadt damals noch viel kleiner gewesen ist und man deshalb viel Kürze Wege hatte zurücklegen müssen.

  3. 2.

    Auf die U-Bahn, die der Genosse Walter Ulbricht den Städten Dresden und Leipzig versprochen hat (kein Scherz), warten die Leute heute noch. Im Museum für Geschichte der Stadt Dresden (Landhaus) stand bis ca. 1974 ein Stadtmodell, welches das tatsächlich vorgesehen hatte. Und eine Seilbahn sollte über die Elbe in die Nähe zu Schloss Pillnitz führen. Die Bahn hatten Jugoslawen konstruiert, die in Bad Schandau eine tolle Hochstraße gebaut hatten.

  4. 1.

    Kurioser ist es eigentlich noch in Hamburg: An jeder Station prangt das große "U", aber gut zwei Drittel des Netzes verläuft oberirdisch auf Dämmen, in Einschnitten und auch beim ersten Abschnitt des Barmbeker Rings war und ist das so. Folgerichtig heißt der Betreiber Hamburger HOCHBAHN, in Berlin neutraler BVG.

    Die Kreuzberger Hochbahn war wohl der anfängl. Angst geschuldet, mit Untergrundbauten nicht zurechtzukommen, die folglich dann auch erst später gebaut wurden. Das passte zum polit. Klima: Auch die Stadtmauer wurde beibehalten, mit ganz wenigen Durchlässen, der frequentierteste davon am Potsdamer Platz. Ohne diesen Umstand wäre die Lage dort so nie entstanden.

    Ich denke, die Mischung macht´s. Ein Ausblick ist hervorragend. Und in Lissabon u. in Moskau freue ich mich über die nahezu durchgängigen unterird. "Bahnhofskathedralen", die vor Gestaltungsfreude nur so strotzen; in Berlin vergehen fast 10 Jahre, bis ein unterirdischer Bahnhof grundinstandgesetzt ist.





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