rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 1. Tür: Mit der Autotür in den Osten

Do 01.12.22 | 06:14 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
  14
Adventskalender: ein Golf 1 und ein Wartburg parken vor dem Palast der Republik (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: Marcus Behrendt

Das heutige Fahrzeug ist größtenteils aus Blech, einfarbig und öffnet sich mit einem metallischen Geräusch. Es ist 2 x 22 Jahre alt und passt zum Jahr wie die Schraube auf die Mutter. Hinter dieser Tür steht ein Auto, mit dem der Westen einst den Osten glücklich machte.

24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Wie im Rest des Landes stehen die Menschen auch in Berlin und Brandenburg auf Autos - trotz der angeblich schon gestarteten Verkehrswende. Zwar haben Berliner gemessen an der Einwohnerzahl im Bundesländervergleich die wenigsten Pkws (Brandenburg bewegt sich im bundesweiten Durchschnitt), die Zahlen stiegen 2022 aber auch hier wie in ganz Deutschland. Der Trend geht zum Zweitauto: das Elektroteil für die Fahrt zum Penny, mit dem Verbrenner geht es dann raus in die Wildnis zum Weihnachtsbaumschlagen im Brandenburger Forst.

Das Auto auch als Weihnachtsgeschenk? - Ja, das gibt es. Und das gab es auch schon vor der Wende. Also ein Mal. Wenige Tage vor dem ersten Advent 1977 kaufte die DDR ihren ostdeutschen Mobilisten für 90 Millionen D-Mark 10.000 VW Golf 1. Bezahlt wurde das Ganze mit Maschinen, mit sowjetischem Erdöl, Kohle, Produkten aus DDR-Fertigung wie etwa Scheinwerfern und mit ein bisschen Sternenstaub: Von Carl Zeiss in Jena kam die Ausstattung eines Planetariums für die VW-Stadt Wolfsburg. Bevor also '89 Trabis und Wartburgs nach Westen fuhren, kam erstmal der Golf zu den Ostlern.

Das Türenteam

Marcus Behrendt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", mit bürgerlichem Namen Marcus Behrendt, steigt auch bei Schnee und Kälte auf sein Rad. Der gelernte Pädagoge nutzt jede Gelegenheit zum Zeichnen.

Stefan Ruwoldt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt ist dem Weihnachtmann hinterhergehetzt, hat ihn aber nie erwischt. Das tat er mit dem Rad, dem Boot und seinem ganz privaten Motorschlitten. Nur beim Reiten, Golfen und Gleitschirmfliegen guckt er lieber zu.

50 oder 75 PS aus Wolfsburg

Bescherung war dann allerdings erst im Januar 1978: die ersten 200 Golfs rollten per Zugtransport über die Grenze. 50 oder 75 PS konnte der Ostler wählen, Zwei- oder Viertürer, Benzin oder Diesel, "Miami-Blau", "Malaga-Rot", und "Manila-Grün" waren nur drei der möglichen Farben. Der Preis aber war nur für wenige in der DDR aufzubringen: Zunächst belief sich die Rechnung für die neuen Ost-Besitzer auf 30.000 DDR-Mark, später wurde das gesenkt, betrug aber immerhin noch etwa - je nach Modell - 25.000 Mark.

Und jetzt kommt der regionale Move: Damals gingen die meisten von diesen Golf - na, wohin wohl - genau, nach Ost-Berlin und weniger in die restlichen Bezirke, wohl zunächst aus logistischen Gründen, weil sie von einer Berliner Filiale aus durch das Kombinat IFA verkauft wurden, und um hier - so jedenfalls hat es der MDR recherchiert - das Straßenbild aufzupeppen. Das erste Türchen heute also zeigt einen VW-Golf der ersten Generation in weihnachtlichem "Malaga-Rot" wie er über den Alex fährt und eine "1" in den unberührten Schnee malt.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

14 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 14.

    Verteilen heißt nicht geschenkt! In diesem Sinne implizierte mein Kommentar schon, dass die nur gegen Geld abgegeben wurden.

  2. 13.

    Zum Glück gehören solche Ungerechtigkeiten der Vergangenheit an.
    Tesla und Wassergrundstück mit Villa hat heute jeder.
    Und die ganzen Arbeitslosen und Obdachlosen in der DDR!
    Das will man doch nicht.

  3. 12.

    Als wir um diese Zeit mein Heimatdorf südöstlich Berlins besuchten, trafen wir die Westautos von VW bis Volvo. Dort hatten ein Politbüromitglied,ein Minister und viele Promis ihre Datschen,natürlich alles Wassergrundstücke. Die waren natürlich zuerst versorgt worden.

  4. 11.

    Da kommen wieder Erinnerungen hoch, kann mich auch noch an die Sprüche erinnern.

  5. 10.

    und viele von denen sind dann auf dem Schwarzmarkt gelandet... für Alu-Dollars nahe an den 100.000 DDR-Mark.

    Schönes Türchen und nett zu lesender Text dahinter.

  6. 9.

    Och Schade. Und ich dachte, dass man hier mal etwas weniger politisches liest zum Entspannen in der Weihnachtszeit.
    Tag 1 geht der Kalender bei mir gleich wieder zu.

  7. 8.

    Die Golf wurden zwar über die Betriebe verteilt,aber trotzdem mussten sie gekauft werden.

  8. 7.

    Fleißig, fleißig, fleißig!
    Die DDR wird 30!
    Die kleinen schuften sich nen Wolf,
    Die großen kaufen sich nen Golf.
    Vorwärts und nicht vergessen!

  9. 5.

    Ich erinnere mich noch an die Kennzeichen IBM oder IBN. Die Leute spotteten: Ich bin Millionär odder ich bin neureich...

  10. 4.

    Wo wären die rbb-Kommentare ohne Meckerer. Es geht darum, eine Türengeschichte zu erzählen und die der Golfs ließ sich eben gut recherchieren. Ich find sie gut und wenn die anderen Türen in eine Vielfalt unterschiedlicher Geschichten passt, ist doch alles in Ordnung.

  11. 3.

    Der Bericht ist doch eher etwas in die Ost-West Schublade zu packen. Abgesehen das davon, dass neben Golf I auch noch andere Fahrzeuge aus dem Westen (Citroen, Volvo & Mazda) auf den Straßen der DDR in nicht unerheblicher Anzahl fuhren sollte Ihre grundsätzliche Berichterstattung nicht so herabwürdigend in Richtung Osten ausfallen. Dies betrifft Lokalpolitik genauso wie Fußball & Kultur. Wünschen wir uns doch heutzutage Autos die 20 Jahre und länger halten - wegen der Nachhaltigkeit.

  12. 2.

    Und was noch Zeitgeschichte dieses damaligen Imports ist: Die Autos wurden nicht verkauft, sondern verteilt. Die allermeisten waren deshalb in Berlin gelandet, weil dort die meisten "Kader" lebten, die es Wert waren, einen VW Golf zu bekommen. ;-)

  13. 1.

    TOP.
    Ich freue mich auf weitere Türchen !


Nächster Artikel