Interview | Epidemiologe Brockmann - "Wir müssen an allen Ecken ganz massiv Kontakte reduzieren"

Fr 15.01.21 | 11:50 Uhr
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Die Berliner U-Bahn-Linie U5 am 05.12.2020 (Bild: imag oimages/Jochen Eckel)
Audio: Inforadio | 15.01.2021 | Interview mit Dirk Brockmann | Bild: imago images/Jochen Eckel

Seit Wochen ist Deutschland wieder im Lockdown, aber die Corona-Zahlen sinken nicht spürbar. Der Epidemiologe Dirk Brockmann vom Robert-Koch-Institut erläutert im rbb-Interview, dass vor allem die Mobilität der Menschen ein Problem ist.

rbb: Herr Brockmann, wieviel Weihnachten steckt noch in den aktuellen Corona-Zahlen?

Dirk Brockmann: Wir haben eine Situation, in der die Zahlen einfach nicht runtergehen. Aber sie gehen auch nicht durch die Decke, wie wir das in Irland beobachtet haben. Aus unseren Analysen zur Mobilität sehen wir, dass die Menschen zu Weihnachten hoch diszipliniert waren. Es gab wenig lange Reisen, die Menschen haben stark verzichtet. Das ist erstmal ein gutes Zeichen für die Disziplin der Menschen. Trotzdem gehen die Zahlen nicht runter.

Was können wir denn jetzt noch machen, außer die üblichen AHA-Regeln [Abstand, Hygiene, Alltagsmasken] einzuhalten und auf einen Impftermin zu warten?

Die Lockdown-Maßnahmen haben dazu geführt, dass wir wieder zu einem Plateau gekommen sind und dass die Situation nicht völlig außer Kontrolle geraten ist. Viele dieser Maßnahmen sind wirksam - aber nur, wenn sie auch verinnerlicht sind, wenn sie auch umgesetzt werden. Unsere Modellierungen zeigen, dass wir ganz massiv Kontakte reduzieren müssen. Da, wo es jetzt noch stattfindet, müssen wir weiter reduzieren. Dafür muss die Mobilität stärker eingegrenzt werden. Es müssen weniger Kontakte stattfinden, etwa auf dem Weg zur Arbeit, und möglichst noch mehr Homeoffice. Es muss sozusagen an allen Ecken, wo noch Kontakte passieren, eingespart werden.

Was würde es bringen, das Fahren in überfüllten Zügen oder das Arbeiten im Büro weiter zu reduzieren?

Unsere Mobilitätsdaten zeigen, dass es beispielsweise in Berlin immer noch den Arbeitsverkehr gibt, also den Berufsverkehr morgens und abends. Es sind immer noch viele Leute im ÖPNV zur Arbeit unterwegs - sicherlich viele, die auch im Homeoffice arbeiten könnten. Wir müssen wirklich alles unter die Lupe nehmen, wir müssen einfach noch mehr machen. Ich hasse es immer wieder, das sagen zu müssen, aber nur das ist der Weg raus aus diesen hohen Zahlen.

Das Gespräch mit Dirk Brockmann führte Stefan Ozsváth im rbb-Inforadio. Dies ist eine gekürzte und redigierte Fassung. Das komplette Gespräch können Sie nachhören, wenn Sie oben im Bild das Audio klicken.

Sendung: Inforadio, 15.01.2021, 07.05 Uhr

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82 Kommentare

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  1. 82.

    "Nich jeder Job ist im Homeoffice möglich!"

    Das ist schon klar. Doch darum geht es nicht. In einer Studie (Quelle habe ich gerade nicht zur Hand) wurde davon berichtet, dass systematisches Homeoffice einen signifikanten Rückgang der Mobilität und mithin auch eine deutliche Reduktion des Infektionsgeschehens zur Folge hat. Und genau darum geht es: das Gesundheitssystem zu entlasten, ganz konkret: die Belegung der Intensivbetten zu reduzieren.

  2. 81.

    Unfassbar, dass der Berliner Senat nicht die Schließung der Großraumbüros verbindlich anordnet! Arbeitnehmer sollen sich der Gefahr im Büro aussetzen und quer durch die Stadt fahren (Rush Hour). Und dann wundert man sich, dass die Zahlen kaum sinken?

  3. 80.

    "Ich finde den Resett, der uns jetzt von der Natur aufgezwungen wird, notwendig."
    Ich finde, das stimmt nicht ganz.
    Ein Großteil der Wirtschaftskraft Deutschlands (und die dazugehörige Umwelt- und Klimabeschädigung) betreiben wir doch, um z. B. später eine gute Rente zu erhalten bzw. Hightech-Medizin zu erwirtschaften, um lange zu leben.
    Das heißt, ein wesentlicher Teil kommt den Menschen von 50-100 zu Gute.
    Wenn Sie also den Resett fordern, dann klären Sie bitte die Ü50 auch darüber auf, was dies für sie bedeuten würde.

  4. 79.

    Ich bekomme langsam den Frust... Homeoffice ist nicht immer möglich oder gar gewünscht. Bei mir ist schlicht nicht möglich, wir arbeiten in der Verwaltung eines Sportvereins noch altertümlich mit viel zu viel Papierkram. Leider!!!!

    Für mich ist es auch ein zweischneidiges Schwert das Funktionstraining und Rehasport weiterhin möglich sind. Und die Teilnehmer Ü70, Ü80 kommen auch!

    Ein guted Hygienekonzept hin-und-her, aber die meisten kommen mit den Öffis.

    Ich selbst (54) meide die Öffis meist, bin immer noch viel mit dem Rad unterwegs.

    Ich denke die Politik hat immer Sommer schon versagt, man hatte ja noch so viel Zeit. Pustekuchen!

  5. 78.

    Viele Senioren gehen erst am Nachmittag ab 17.00 Uhr einkaufen, wenn ich von der Arbeit komme. Am Samstag sind sie auch in den Läden anzutreffen. Sie könnten sich alleine schützen, wenn sie von Montag bis Freitag am Vormittag einkaufen würden.

  6. 77.

    Es gibt bestimmt diverse Leute die mit leichten oder gar keinen Symptomen nicht beim Arzt zum Test waren und in der Öffentlichkeit herumlaufen und dann natürlich auch genügend andere Menschen anstecken.
    Dann wiederum gibt es Menschen die die Quarantäne nicht einhalten, da es keine Kontrollen gibt. Wenn doch mal kontrolliert wird, dann nur über das Handy. Mit dem Handy kann man sich sonst wo aufhalten. Persönliche Kontrollen ohne Termin und zu verschiedenen Tageszeiten wäre angebracht.
    In jedem Haushalt ein Internetanschluss sowie für jeden Schüler / je Schülerin einen Laptop inclusive Drucker/Scanner würde die Bewegung auch minimieren. Sollte ab der ersten Klasse Pflicht-Schul-Material sein. Anstatt eine Playstation zu kaufen das Geld lieber für den Laptop incl. Multifunktionsdrucker ausgeben. Somit könnte sich das jede Familie leisten.

  7. 76.
    Antwort auf [Jörg Berlin] vom 15.01.2021 um 15:02

    Warum sollte Katy das tun? Sie hat doch damit Recht, dass momentan (leider) der Infektionsschutz vor dem Bevölkerungsschutz steht. Zum Bevölkerungsschutz gehört aber auch physische Gesundheit abseits von Corona und vor allem psychische Gesundheit. Die Maßnahmen verschlechtern bei vielen Menschen die physische Gesundheit (Mangel von Ausgleich, Bewegung, Stress durch Doppelbelastung) sowie auch die psychische (Isolation, Existenzängste, ...). Diesen Umständen wird bei allen Maßnahmen viel zu wenig Bedeutung beigemessen.

  8. 75.

    Würden Sie so fragen, wenn Sie Ihr Einkommen verlieren werden, Ihre Miete nicht mehr zahlen können, Ihre Kinder oder Sie kein Zuhause mehr haben? Egoismus ... ein Problem dieser Zeit!

  9. 74.

    "Im Moment verzichtet ein Großteil der Bevölkerung auf qualitätsvolle Lebensjahre, um vor allem einige wenige Lebensmonate oder -jahre von ohnehin bald Sterbenden zu retten."

    Falsch! Die Maßnahmen sind nötig, damit unser Gesundheitssystem nicht überlastet wird und es nicht zu einer Triage kommt, unter der auch Nicht-Corona-Intensivfälle zu leiden haben. Die Fälle der Unter-60-Jährigen häufen sich mittlerweile auf den Stationen. Oder hätten die sonst auch nur noch ein paar Monate oder Jahre gehabt?

  10. 73.
    Antwort auf [Jörg Berlin] vom 15.01.2021 um 15:02

    Ach und wieder dieses Argument. Jeder verantwortungsbewusster Mensch hatte ich vor Corona eine Patientenverfügung.
    Ich für meinen Teil habe lebensverlängernde Maßnahmen schon vor Corona ausgeschlossen, inklusive Intensivbehandlung in Form einer Beatmung.

    Anderer Vorschlag: Alle Lockdowner bleiben ab jetzt zu Hause und lassen alle Anderen ihren Job machen, ihre Angestellten schützen, ihr Leben leben. Drehen wir die Solidarität doch nach 11 Monaten einfach mal um!

  11. 72.

    Weil erstens die Strecken ohnehin nur eine begrenzte Durchlaßfähigkeit haben und man auch Fahrzeuge (Triebwagen) braucht und das Personal (Tfz-Führer) dazu, um diese über die Strecken zu steuern. Daß Fahrzeuge und Personal auf Stand-by irgendwo vorhanden sind, wage ich zu bezweifeln.

  12. 70.

    Und wo bitte? In Ländern wo nicht alle Fälle dokumentiert werden... Somit kann man das nur mit Europa vergleichen. Diese Aussage kommt von einem Wissenschaftler der in den Tagesthemen gesprochen hat. Ich denke er hat etwas mehr Ahnung.

  13. 69.

    Liebe Denise, Sie haben den Finger in mehrere Wunden gelegt und mit 1.000 Zeichen mehr gesagt, als viele Politiker:innen in 1.000 Talkshows.
    Applaus!

  14. 68.

    Hinterher sind sie alle schlauer, aber vorher hat auch keiner was gesagt.
    Wer keine Verantwortung hat kann immer schimpfen und die Opposition weiß alles sowieso besser.

  15. 66.

    Na klar, alle anderen frei rumrennen lassen. Und wenn man erstmal in dem Stadium ist, wie dieser Patient https://www.youtube.com/watch?v=PzwTZIde6FQ
    dann haben Sie ja noch alle Zeit zum Umdenken, ob Ihre Ideen wirklich genial sind

  16. 65.

    Almälich reicht es mit immer noch mehr Verschärfung an Corona Maßnahmen. Was ist denn mit dem Profisport da redet keiner rüber. Egal ob Wintersport Handball Fußball oder Eishockey da wird durch Europa und Deutschland gereist ohne daß da von den Politikern ein Wort darüber verloren wird.

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