FFP2-Maskenproduktion in Berlin-Reinickendorf - "Ich liebe das Geräusch der Maschinen"

Sa 30.01.21 | 10:13 Uhr | Von Matthias Bartsch
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Blick in die Halle der FFP2-Masken-Produktionsfirma in Berliner Reinickendorf (Quelle: Your Mask)
Bild: Your Mask

Drei Brüder in Berlin setzten am Anfang der Corona-Pandemie alles auf eine Karte und fingen an, FFP2-Masken zu produzieren. Inzwischen sind medizinische Masken sogar im Einzelhandel und im Nahverkehr Pflicht - und die Entscheidung zahlt sich aus. Von Matthias Bartsch

Der Ort, wo in Berlin die meisten FFP2-Masken hergestellt werden, liegt in einem unscheinbaren Gewerbegebiet, mitten in Reinickendorf. "Janz am Ende, Halle 7", berlinert mir eine Frau zu, die offensichtlich meinen suchenden Blick bemerkt hat. "Dit wollen janz viele wissen." Der neue Maskenhersteller scheint der neue Shootingstar im Gewerbegebiet zu sein. Eine unscheinbare Tür führt schließlich in eine 1.000 Quadratmeter große Halle.

Das Anklopfen kann man sich sparen. Der Besucher wird von einem ohrenbetäubenden Lärm empfangen. Das Bild wirkt surreal. Arbeiter in weißen Kitteln und Atemschutzmasken wuseln um drei Bandmaschinen herum. Schnell wird klar, dass die etwa sieben Meter langen Bänder den Lärm verursachen. Und - dass hier im Akkord gearbeitet wird - offensichtlich permanent.

Matay Erdinc (Quelle: Your Mask)
Matay ErdincBild: Your Mask

Volles Risiko - auch ohne Regierungsauftrag

"Wenn die Maschinen aus sind, setzt bei mir ein komisches Gefühl ein. Ich liebe dieses Geräusch", sagt Matay Erdinc zur Begrüßung. Gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Robert (43) und Aday (25) hat der 41-Jährige im Frühjahr letzten Jahres eine komplette Kehrtwende im Berufsleben hingelegt. "Alles fing mit einer Whatsapp-Nachricht an", erzählt Matay. "Kennt Ihr jemanden, der FFP2-Masken herstellt?", lautete die Frage. Matay Erdinc war bis zu diesem Zeitpunkt Goldschmied. Auch seine Brüder verdienten ihr Geld in anderen Branchen, als Steuerfachangestellter und im Immobiliensektor.

Doch die Frage, warum FFP2-Masken nicht auch in Deutschland hergestellt werden, ließ die Brüder nicht mehr los. Sie gründeten ein Unternehmen und seit einem Dreivierteljahr dreht sich in der Familie Erdinc alles nur noch um das Thema FFP2-Masken.

Alles musste schnell gehen: Finanzierung sicherstellen, Businessplan erstellen, Maschinen einkaufen, Mitarbeiter einstellen. "Wenn ich daran denke, dass vor einigen Monaten diese Halle leer stand, kann ich es selbst noch nicht glauben", sagt Robert Erdinc. Eigentlich waren sie schon zu spät dran, das sogenannte Open-House-Verfahren der Bundesregierung war schon abgelaufen. Aber als klar wurde, dass auch auf dem freien Markt FFP2-Masken stark nachgefragt werden, wagten sie den Sprung in das Geschäft, auch ohne Regierungsauftrag.

600.000 Masken in einer Woche

Ein Maschinenbauer, der die Produktionsanlage mit den Bändern baute, war schnell gefunden. Dann mussten Rohstoffe für die Masken eingekauft werden. "Die Leute haben eine Grundskepsis gegenüber Masken, die aus China kommen", sagte Robert Erdinc. "Nicht alles was aus China kommt, ist schlecht", so Robert weiter. "Aber 'Made in Germany', das zählt in Deutschland nach wie vor - zurecht." Die Masken werden streng geprüft und erfüllen alle Auflagen.

Die Nachfrage nach den FFP2-Masken aus Reinickendorf lässt nicht nach. Mittlerweile arbeiten 40 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Halle, dazu kommen Zeitarbeiter, die unter anderem aus der Gastro-Szene stammen. Sie produzieren 600.000 FFP2-Masken pro Woche. "Definitiv eine Win-win-Situation", sagt Robert Erdinc.

Die Pandemie geht - FFP2-bleibt

Die Familie Erdinc ist ein Risiko eingegangen, mit einer Investitionssumme von 2,5 Millionen Euro. Die Zahlen zeigen aber, dass sich der mutige Schritt auszahlt. "Die Nachfrage ist unglaublich", sagt Matay Erdinc. Anfangs waren die Abnehmer Krankenhäuser, Apotheken oder Handelsketten. Mittlerweile fragen Unternehmen aus allen Branchen nach.

"Selbst wenn wir die Pandemie irgendwann in den Griff bekommen, wird die Nachfrage nach gut schützenden Masken bleiben", ist sich Robert Erdinc sicher. Es sei eine Art Mentalitätswechsel, der in Asien schon vor vielen Jahren eingesetzt habe, sagt er. Und bis jetzt zumindest lag die Familie Erdinc mit ihren Visionen richtig.

Sendung: rbb88,8, 01.02.2021

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Beitrag von Matthias Bartsch

31 Kommentare

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  1. 31.

    Im Focus steht das der Berliner Senat letztes Jahr bis zu 20 € für eine FFP2 Maske ausgegeben hat. Es ist doch so viel einfacher das Geld anderer Leute auszugeben. Bei wem die Masken gekauft wurden stand dort nicht, aber irgendjemand hat sehr viel verdient wenn der reelle Preis pro Maske bei 1 € pro Maske liegt.

  2. 30.

    Hast du dir mal den Kommentar 22 -> 6 durchgelesen? Ich hatte noch einen benannt, auch mit Onlineplattform, wir sind zufrieden.

  3. 29.

    Einfach mal googlen...

    Mindestabnahme 810 Stück oder ein Vielfaches davon (1620, 2430 etc.)

    Nur an Apotheken, Kliniken, Arztpraxen und Einzelhandel.

    Im Onlinehandel (Wiederverkäufer) habe ich die Masken der Firma für 78,50 - 80,00 € pro 30 Stück gefunden (Model You-M1).

  4. 28.

    Ich hatte gestern abend versucht zu erklären, dass man googeln kann, in welchen Berufen die Brüder zuvor (sehr) erfolgreich waren. Leider wurde der Beitrag geschrubbt. Das sind doch alles keine kleinen Schuljungs, die mal eben Masken machen, die haben doch zuvor schon ein paar Jahre etwas auf die Beine gestellt.

    Nur kein Neid, bitte!

  5. 27.

    Auch von mir 100% Zustimmung. Es ist furchtbar, welche (latent rassistischen) Vorurteile manche haben. Und dann auch noch falsch. Was soll diese Familie mit den bekannten clans zu tun haben? Ist Robert ein arabischer Vorname? Wer im Kommunions- oder Konfirmandenunterricht etwas aufgepasst hat, weiss auch, dass die anderen beiden Namen christliche Namen sind. Warum soll die Familie kein Unternehmen aufbauen.. Handwerker, Steuerberater...besser geht's doch kaum. Ich wünsche gutes Gelingen. Dieses Vorhaben nutzt den Unternehmern und der Stadt Berlin. Richtig gemacht!

  6. 26.

    Die Investitionssumme von 2,5 Mio. wurde sicherlich mit einer Mischung aus Eigen- und Fremdkapital aufgebracht. Das sind auch nicht alles Kosten für die Maschinen, sondern es müssen auch Materialien und Mitarbeiterkosten vorfinanziert werden. Bei 600.000 Masken die Woche - mal angenommen, 1 Euro Materialkosten je Maske zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme - zwei Wochen Zahlungsfrist ab Lieferung und 1 Woche vom Wareneingang bis zur Auslieferung wären das auch mal eben 1,8 Mio. € Finanzbedarf allein dafür (working capital). Das wird dann teilweise auch von den Lieferanten finanziert, Lager und Produkte sind auch eine Sicherheit. 40 Mitarbeiter mal 3000 € Bruttoaufwand p.M. wären 120.000 € und fallen gar nicht so ins Gewicht. Hat sich der Aufbau der Produktion über einen Monat hingezogen hatte, konnte der zweite Teil Investition (weitere Materialzulieferungen)bereits mit den Gewinnen aus den ersten Verkäufen finanziert werden, bzw. mit Factoring der offenen Rechnungen an die Apotheken usw.

  7. 25.

    Wenn jemand nicht Meier oder Müller heißt ist es gleich jemand aus dem Clanmillieu? Oder was wollen Sie uns sagen?

  8. 24.

    Um Gottes Willen. Bloß das nicht. Aus der „koordinierten“ Impfstoffbestellung sollte man doch wohl gelernt haben.

  9. 23.

    Um Gottes Willen. Bloß das nicht. Aus der koordinierten Impfstoffbestellung sollte man doch wohl gelernt haben.

  10. 21.

    Eigenartig, dass man nicht mal erwähnen konnte, ob/wo man die kaufen kann.

  11. 20.

    Eine schöne Geschichte. Ich empfehle zur Fortbildung zusätzlich gerne die arte Doku "Profiteure der Angst" mit dem Schwerpunktthema Schweinegrippe. In dieser Doku "spielen" einige Aktuere mit, die Sie wiedererkennen werden.

  12. 18.

    @ Fraglich Fraglich "2.5 Mio. Investitionssumme. An Brüder, die vorher keine großen Unternehmer waren. Von der Bank? Schwer zu glauben. Hier sollte man mal genauer nach der Herkunft des Geldes fragen."

    Hier stellt sich mir dir Frage ob Sie die selben Gedanken gehabt hätten wenn das Peter, Thomas und Heinz Schmidt aus Cottbus gewesen wären? Oder nur weil die Leute hier im Artikel "Erdic" heißen? Stellen Sie sich selber die Frage und wenn Sie diese mit Ja beantworten haben Sie sich selber belogen.
    Und wer sagt, das diese Unternehmer nicht schon vorher in anderen Branchen erfolgreich waren. Oder die Familie einen Anteil am Eigenkapital hinzugesteuert hat oder der Businessplan so gut war, dass die Bank gesagt hat "Jo da machen wir mit".
    Wie kann man nur so eine negative Einstellung haben? Oder gönnen Sie einfach den anderen nicht den Erfolg? Oder sind Sie neidisch darauf, daß jemand anderes die Idee und die Ausdauer hatte das durchzusetzen? tztztztz

  13. 16.

    Unsinniger Vergleich. Wir sprechen im medizinischen Bereich von "strategisch wichtigen Produkten", wenn Medikamenten und auch Zubehör (wie Masken) gemeint sind. Die Verträge dazu werden von Krankenkassen und Apothekenverbänden gemacht. Die von Ihnen erwähnten Waschmaschinen zählen nicht dazu.

  14. 14.

    Solange wir über 100 Krankenkassen haben (die alle existieren wollen), diese Gesellschaft sich zu einer Wegwerfgesellschaft entwickelt hat und alles was wir kaufen nichts kosten darf, solange werden wir immer wieder in diese Situation kommen. Die Krankenkassen sind einfach zu viele, wie ich weiß hat Israel z.B. nur vier.
    Wenn wir uns nicht drauf besinnen für gute Produktion auch entsprechend zu zahlen wird weiter billig im Ausland produziert. Versuchen „sie“ mal in Deutschland, „Made in Germany „ zu kaufen. Es wird ihnen nicht gelingen.
    Bei der nächsten Katastrophe / Pandemie werden wir wieder anfangen unsere Masken zu nähen, da die Krankenkassen „ Made in Berlin“ irgendwann als zu teuer nicht anerkennen werden.

  15. 13.

    Es ist doch erwiesene Tatsache, dass der Preisdruck der Kassen den Ausschlag gibt. Jeder der eine feste Medikamentierung hat kennt das Problem, dass er schon öfter Medikamente wechseln mußte, weil seine Kasse neue Verträge geschlossen hat und ein billigeres Produkt favorisiert. Ob da ein Druck der Politik hintersteht oder eigene Provitinteressen sollte gesondert geprüft werden. Letztendlich stimmt aber die Aussage "Durch den Preisdruck der Kassen gibt es eine Verdrängung in Billiglohnländer und damit verbundene Qualitätsmängel und Lieferengpässe.".

  16. 12.

    "Strategisch wichtige Produkte MÜSSEN wieder in Deutschland produziert werden. Das gilt auch für Medikamente. Durch den Preisdruck der Kassen gibt es eine Verdrängung in Billiglohnländer und damit verbundene Qualitätsmängel und Lieferengpässe."
    Es ist erstaunlich, wie schnell Sie in der Lage waren in dieser komplexen Welt den Schuldigen auszumachen. Der Preisdruck der Kassen resultiert aus den Vorgaben der Politik, die es zugelassen und sogar gefordert hat, dass unser Gesundheitssektor nach den gleichen Prinzipien funktioniert wie z.B. PKW-Herstellung. In einer gewollt profit-orientierten Welt setzt sich immer die billige Ware durch.

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