Interview | Russischer Impfstoff Sputnik V - "Es war richtig, auf mehrere Impfstoffkandidaten zu setzen"

Mi 03.02.21 | 19:21 Uhr
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Schlange für Coronaimpfung im Warenhaus GUM in Moskau (dpa/Alexey Kudenko) (
Audio: Inforadio | 03.02.2021 | Interview mit Jens Meiler | Bild: dpa/Alexey Kudenko

Neue Studien machen Hoffnung, dass der russische Impfstoff Sputnik V ebenso gut helfen könnte. Noch liegen die genauen Daten den Europäischen Behörden nicht vor. Von wissenschaftlicher Seite gebe es aber keine Bedenken, sagt Chemiker Jens Meiler.

Russische Wissenschaftler haben den Impfstoff Sputnik V nach einer fortgeschrittenen Studie als wirksam gegen das Coronavirus eingestuft. Das geht aus vorläufigen Ergebnissen der Studie hervor, die am Dienstag online im britischen Medizinmagazin "Lancet" [www.thelancet.com] veröffentlicht wurde. Bei den Untersuchungen waren im Herbst rund 20.000 Personen im Alter von mehr als 18 Jahren in Moskau beteiligt. Von ihnen bekamen drei Viertel zwei Dosen des Impfstoffs im Abstand von 21 Tagen, der Rest bekam eine unechte Impfung. Gemäß der Studie sei der russische Impfstoff zu rund 91 Prozent wirksam, berichteten die Forscher. Die Impfung scheine auch davor geschützt zu haben, dass Menschen schwer an Covid-19 erkranken.

rbb: Herr Meiler, für wie verheißungsvoll halten Sie den russischen Impfstoff Sputnik V?

Jens Meiler: Die publizierten Daten [Anm. d. Redaktion: im britischen Fachmagazin "The Lancet"] zeigen in der Tat, dass dieser Impfstoff wohl sehr effektiv ist. Die Wirksamkeit liegt in einem Bereich zwischen 85 und 95 Prozent. Damit ist er fast so gut wie die Impfstoffe von Biontech/Pfizer oder Moderna.

Aber diese Daten liegen den europäischen Behörden noch nicht vor. Kann man trotzdem darauf vertrauen oder muss man, wie auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission sagt, erst mal noch abwarten, bis die Daten da sind?

Man muss sicherlich noch die Zulassung in Europa abwarten, weil die Zulassungskriterien noch einmal weiter gehen als in einem wissenschaftlichen Journal. Aber von der wissenschaftlichen Seite her sind die Daten beigebracht. Und wenn die sich nicht als grundlegend gelogen herausstellen, was ich ehrlich gesagt nicht glauben kann, können wir davon ausgehen, dass wir einen weiteren, sehr guten Impfstoff gegen das Virus haben.

Dieser Impfstoff wäre auch einfacher zu transportieren, wenn er zugelassen würde. Können Sie uns das noch mal erklären?

Das sind sogenannte Adenoviren, die als Vektoren benutzt werden. Das heißt, sie transportieren das Erbmaterial von dem Spike-Protein vom Coronavirus in den Menschen hinein, um dort die Immunreaktion auszulösen. Und diese Impfstoffe sind stabiler und leichter zu transportieren.

Bisher wird Sputnik V in Russland hergestellt. Offenbar ist das Pharmaunternehmen IDT Biologika aus Sachsen-Anhalt interessiert, den Impfstoff in Deutschland zu produzieren. Wie könnte eine Zusammenarbeit mit den Russen aussehen?

Das kann ich ehrlich gesagt nicht einschätzen. Ich kenne die Produktionsstraßen und Kapazitäten dieses Unternehmens natürlich nicht im Detail. Generell ist es sicherlich richtig, dass jegliche Produktionskapazitäten, die im Augenblick frei sind und geeignet sind, um solche Impfstoffe herzustellen, genutzt werden sollten. Das heißt, wenn die Firma diese Möglichkeit hat, dann ist das auf jeden Fall attraktiv, das zu verfolgen.

Es werden auch andere Kollaborationen dort diskutiert, zum Beispiel zwischen Sanofi [Anm. d. Redaktion: ein französisches Pharmaunternehmen] und Biontech, um eben die Kapazität für die Produkte zu erhöhen. Man darf aber nicht erwarten, dass das von heute auf morgen möglich ist. Es wird immer noch Wochen oder sogar Monate dauern, bis die entsprechenden Produktionsstraßen angepasst sind.

Was erwarten Sie von wissenschaftlicher Seite? Was muss passieren, damit tatsächlich neue Impfstoffe wie Sputnik V hier an den Start gehen?

Von wissenschaftlicher Seite sieht es laut dieser Studie sehr gut aus. Die Zulassung muss her, das heißt also, von russischer Seite müssen die dahinter liegenden Daten an die europäische Zulassungsbehörde vollständig beigebracht werden. Wenn eine Zulassung erfolgt ist, steht der Verwendung eigentlich nichts im Wege. Denn es ist sehr interessant, dass der russische Impfstoff, der auf diesen Adenoviren basiert, deutlich wirksamer zu sein scheint als der Wirkstoff von Astrazeneca oder von Johnson und Johnson, der noch in der Evaluierung ist.

Man sieht, dass es richtig und wichtig war, dass man auf mehrere Impfstoffkandidaten setzt, weil man eben vorher nicht genau abschätzen kann, wie wirksam die einzelnen Kandidaten sind, und jetzt eben die vielversprechendsten dieser Kandidaten so schnell wie möglich produziert.

Skepsis gegenüber dem russischen Impfstoff ist also nicht angebracht?

Nein. Ich hätte es schon gerne gesehen, dass die europäische Zulassungsbehörde die dahinter liegenden Daten noch prüft, die ich jetzt nicht einsehen kann. Aber dann hätte ich überhaupt keine Bedenken, mich auch mit dem russischen Impfstoff impfen zu lassen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sendung: Inforadio, 03.02.2021, 12:05 Uhr

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21 Kommentare

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  1. 21.

    Naja, manche lassen für die Ideologie halt auch die eigenen Leute über die Klinge springen. Leider begreift man im Westen nicht, dass Demokratie erst dann haltbar entstehen kann, wenn eine gewisse Form des gleichmäßigen Wohlstands entstanden ist. Umgekehrt gefährdet sinkender Wohlstand die Demokratie, wie der Westen im Moment erfahren muss...

  2. 20.

    Erstmal vielen Dank für den Link. Der Bericht ist sehr interessant und eine umfangreiche Ergänzung zum rbb-Beitrag. Insbesondere hat mir die ausführliche Info zur Wirksamkeit und den geringen Nebenwirkungen gefallen. Das habe ich so ausführlich bei den anderen bisher noch nicht gefunden. Man ist sicherlich sehr transparent um Vorurteile abzubauen.
    Auch ihrem Hinweis zu dem zweiten Impfstoff bin ich gefolgt. Den Link habe ich fast am Ende gefunden. Auch das klingt vielversprechend.
    Es bleibt zu hoffen, daß man dem folgt und sich nicht von politischen Entscheidungen leiten lässt. Aber da besteht keine Gefahr, denn an der Gaspipeline bauen wir ja auch und mein Auto hat bestimmt auch Sprit aus russischem Öl :)

  3. 19.

    Wenn Sie immer die Messlatte so hoch hängen können Sie sich niemals impfen lassen.
    Ich finde es gut dass es mehr Möglichkeiten gibt, anscheinend auch mit weniger Nebenwirkungen.
    Und wenn noch schneller geimpft werden kann,je eher kann man zu einem normalen Leben zurück kommen.
    In schlechten Zeiten kann man erkennen was man für Freunde hat. Sollte uns schon wieder mal jemand aus dem Osten den Hintern retten?

  4. 18.

    Um mich da mal einzumischen:
    Selber bin ich da recht offen, was die Impfstoffe angeht, siehe auch meinen Beitrag hier.
    Von Vorfestgelegtheiten sollte gelassen werden und da ist, wie ich schrieb, Matthias Platzeck ein positives Beispiel.

    Ganz außer Acht darf allerdings auch nicht gelassen werden, dass der Umgang mit dem EINZELNEN Menschen in Russland wie übrigens auch in China sich tendenziell unterscheidet von demjenigen, der hierzulande seit nach dem Krieg herrscht. Das hat selbstverständlich Auswirkungen in alle gesellschaftlichen Bereiche hinein.

  5. 17.

    Da wird der CDU-Politiker Herr Röttgen aber gar nicht froh darüber sein.

  6. 15.

    Niemand kann russischen Medizinern ihre gute Aus/Bildung streitig machen - die Trennung in Sachen Politik und Territorialverhalten ist für Sie kein Argument, ebenso wie die offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen? Die Toten auf der Krim durch Putins Annektion sind Ihnen auch wurscht? Wenn Sie hier so unzufrieden sind - warum wecheln Sie Ihren Wohnsitz dann nicht nach Russland?

  7. 14.

    Ja, der Aspekt ist nicht zu vernachlässigen. Aber die EU muss den Impfstoff zulassen, wenn er geeignet ist. Kann sein, dass die USA die EU mit Sanktionen belegen wird wie bei nordstream2, wenn die EU Sputnik V kauft. Die EU soll doch die Russen nicht mit Geld versorgen; dass konterkariert sonst alle laufenden Sanktionen. Ungarn kauft schon selbst Impfstoff ein (wahrscheinlich mit EU-Geldern). Warum wartet Deutschland noch damit? Weil schon jetzt genug Dosen von der EU eingekauft wurden, um jedem ein Impfangebot zu machen. Deutschland braucht also Sputnik V nicht; jedenfalls nicht dieses Jahr.

  8. 13.

    Wenn die Zahlen bezüglich der Wirksamkeit stimmen, ist das doch für die Russen ein ähnlicher Erfolg wie beim Flug von Gagarin. Da haben die tatsächlich in neun Monaten einen guten leicht zu handelnden und eher konventionellen Impfstoff entwickelt - im Grunde ist der Westen düpiert.
    Ich gebe TRAM88 recht, wer schon mal mit russischen Wissenschaftlern zusammengearbeitet hat, schätzt ihre Sachlichkeit, Fachkenntnis und Bescheidenheit (!) Da haben einige westliche Wissenschaftler gewisse Defizite.
    Die Haftung der Pharma-Unternehmen bei einer Notzulassung ist doch auch nur hypothetisch : Wenn das Medikament (wie bei Contergan) große Schäden macht, sind die Unternehmen ruiniert und können auch nicht zahlen. In jedem Fall ist das Ergebnis kein Impfstoff... so mal nur logisch und unethisch gedacht.

  9. 12.

    Leider 6 Monate zu spät. So hätten viele Leben gerettet werden können.

  10. 11.

    Ich frage mich , will man seitens der Regierungen den russischen Impfstoff überhaupt in Deutschland zulassen?? Ich glaube eher nicht denn es wird ja seit Jahren versucht die Russen wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Dafür finden unsere Politiker auch immer wieder Gründe bei den Russen, nicht aber bei sich selbst. In vielen Bereichen ist Russland führend. Ich denke da unter anderem an die Raumfahrt. Schon früher waren russische Ärzte weltweit anerkannt. Aber..., es ist politisch nicht gewollt das dieser Impfstoff nach Europa kommt, mag so sein weltweit werden die Russen damit keine Absatzprobleme haben und wir werden weiter auf Impfstoffe aus Deutschland, Schweden und den USA warten.

  11. 10.

    Ich persönlich möchte mich aber nicht mit dem russischen Impfstoff impfen lassen.

  12. 9.

    Alles richtig und schon meldet die Fachpresse: Sputnik V ist wirklich besser weil man gründlicher nachdachte und 2 Komponenten einfügte. Warum unterschätzt der Westen nur immer das KÖNNEN der russischen Wissenschaft ? Habe selbst einige russs. Wissenschaftler kennen gelernt. Bescheiden und klug. Ja saju.

  13. 8.

    Damit will sich der Zar also einschmeicheln und seine Verletzungen der Menschen- und Territorialrechte übertünchen? Also ich würde diese Putinsuppe ablehnen und lieber warten. Die hiesige Politik lässt sich nur zu gerne von Despoten und Diktatoren blenden und schleimt sich bei deinen ein, die alle Grundrechte mit Füßen treten. Es ist verabscheuungswürdig.

  14. 7.

    NZZ von heute: Swissmedic lässt AstraZeneca noch nicht zu....wegen zu dünner Datenlage. die wollen erst noch 30.000 Impfanalysen aus Brasilien auswerten.

  15. 6.

    Wenn dass wieder durch Politiker vergeigt wird, dann sterben weiter 1000 Tote täglich.

  16. 5.

    Bei der Impfstoffbeschaffung sollte man politische Motive außen vor lassen. Gehen Sie mal davon aus, das dieser Impfstoff absolut gleichwertig wenn nicht sogar wirksamer sein wird als die schon bekannten Impfstoffe. Ich hoffe das unsere Regierung diesen nach Zulassung auch unverzüglich beschafft. Die Lieferung wird auf alle Fälle zuverlässiger sein als von anderen Herstellern. Auf Putin ist in dieser Hinsicht Verlass. Übrigens die Krim Vereinnahmung sollte man ein wenig differenzierter sehen. Ich erinnere nur daran das die westliche Welt als erste Verträge gebrochen hat und die NATO bis an die Grenzen Russlands herangeführt hatte. Das nur mal am Rande.

  17. 4.

    Ich empfinde diese Meldung als ein optimistisch stimmendes Signal. Die signalisierte Bereitschaft nach Zulassung 100Mill. Dosen kurzfristig bereit zu stellen, ist ein Zeichen. Wir brauchen diesen Impfstoff genauso wie das russische Öl und Gas. Es stimmt hoffnungsvoll, dass man seitens der Regierung schon die Bereitschaft signalisiert hat. Mir ist es egal wo der Impfstoff herkommt, Hauptsache er hilft. Und wenn er wirklich so wirksam wie BioNTech sein sollte, ist er für mich eine bessere Wahl als andere.

  18. 3.

    Habe alles in mir aufgenommen was M.Platzeck heute früh auf DLF sagte. Wenn doch nur mehr in diese Richtung denken würden. Habe es nur auf DLF gehört; andere verschweigen was er uns sagte. WARUM ? ES GEHT NICHT ANDERS ! Miru Mir !

  19. 2.

    ... wenn nicht die Krim-Vereinnahmung seitens Russlands und die Inhaftung Nawalnys all das überschatten würde.
    Der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck hat da eine positiv gesprochen vermittelnde Position.

    So verkommt diese Meldung zu einem Medien-Hype ohne sichtbare Konsequenzen, wobei ich mir selbst nicht sicher bin, ob das nach dem Motto läuft, dass das Hemd näher ist als der Rock. - Denn der Umgang mit der menschlichen Unversehrtheit in Russland liegt tendenziell unterhalb derjenigen, die dieses Land, Deutschland, seit dem Ende des 2. Weltkriegs praktiziert.

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