Schnelltests und Selbsttests - Zu viele Hoffnungen und absurde Zweifel an neuen Tests

Do 11.03.21 | 15:25 Uhr | Von Haluka Maier-Borst
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Symbolbild: Eine Mitarbeiterin der Betreiber-Firma 21Dx GmbH und ein Bürger stehen vor einem Corona-Schnelltestzentrum in der Lehrter Straße hinter einem Schild mit der Aufschrift «Bürger-Schnelltest». (Quelle: dpa/J. Carstensen)
Bild: dpa/J. Carstensen

Selbsttests und wöchentliche Schnelltests sollen mehr Sicherheit schaffen - und ab jetzt die Lockerungen der Corona-Maßnahmen begleiten. Doch was kann die neue Strategie wirklich leisten und wo muss man vorsichtig sein? Von Haluka Maier-Borst

Es ruckelt. Mal. Wieder.

So wie auch der Impfstart nicht reibungslos verlief, brauchen auch die neue Teststrategie und Testmöglichkeiten Zeit sich einzuspielen. Es ist, wer hätte das gedacht, gar nicht so einfach, etwas für ein 83-Millionen-Land auf die Beine zu stellen. Allerdings wird es nicht einfacher, wenn nach einem Jahr Pandemie Konzepte noch erarbeitet werden müssen, anstatt dass sie schon bereit liegen.

Doch selbst wenn die Tests erst einmal tatsächlich in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, wird es noch einiges geben, das die Tests nicht leisten können werden. Leider oder zum Glück, wie der Check einiger Behauptungen zeigt.

Mehr Tests führen zwangsläufig zu höheren Zahlen?

Nein.

Manche Behauptungen sind nicht tot zu kriegen. Schon am Sommerende wurde das Ausweiten der Tests auf Reiserückkehrer alleine dafür verantwortlich gemacht, dass die Zahl der positiven Fälle stieg. Einige Monate später war man dann im Lockdown 2. Es war also eben nicht das Mehr an Tests gewesen, dass für den Anstieg hauptsächlich verantwortlich war.

Ähnlich ist die Situation nun auch mit den neuen Möglichkeiten für Schnelltests und Selbsttests. Natürlich kann das Einführen von mehr Tests dazu führen, dass bisher unerkannte Fälle entdeckt werden und kurzzeitig die Zahl der erkannten, positiven Fälle steigt. Aber mittelfristig sollte es eher das Gegenteil bewirken.

"Ein erhöhtes Testaufkommen sollte im Zweifelsfall bedeuten, dass man Infizierte schneller findet, schneller isoliert und sie deswegen weniger andere anstecken. Sprich mehr Tests sollten mittelfristig eher dazu führen, dass die Inzidenz sinkt", sagte Ben Maier, epidemiologischer Modellierer von der Humboldt-Universität Berlin schon vor einigen Wochen gegenüber rbb|24.

Auch Maiers Kollege Peter Klimek vor der medizinischen Universität Wien weiß zu berichten, dass derzeit nicht nur das erhöhte Testaufkommen in Österreich zu steigenden Inzidenzwerten führt. "Wir können ganz klar zeigen, dass selbst wann man das vermehrte Testen miteinberechnet, das Infektionsgeschehen sich gerade wieder vergrößert, vor allem wegen der britischen Variante."

Negative Schnelltests und Selbsttests bedeuten, dass man sicher nicht infiziert ist?

Nein.

Die Schnelltests und auch die Selbsttests sind deutlich unempfindlicher als der Gold-Standard der PCR-Tests. Das ist nicht unbedingt nur ein Nachteil. Ein PCR-Test kann zum Beispiel noch anschlagen, wenn jemand eine Infektion durchgemacht hat, aber nur noch ungefährliche Viruserbgut-Reste im Rachen trägt. Das würde bei den Schnelltests eher nicht passieren.

Andersrum kann es aber eben sein, dass eine Person sich gerade erst infiziert hat. Dann hätte sie zu wenig Virus-Antigene, damit Schnelltest oder Selbsttest die Infektion erkennen. Das muss kurz nach dem Test kein Problem sein. Wahrscheinlich bedeutet das nämlich auch, dass in den ein, zwei Stunden nach dem Test die Person niemanden anstecken kann, wenn er zum Beispiel vor einem Besuch im Altenheim gemacht wird.

Wenn aber nun ein paar Stunden mehr vergehen und die Viruslast ansteigt, kann es sein, dass eine Person erheblich ansteckend ist – trotz negativem Test und obwohl sie noch keine Symptome zeigt. Und auch beim Aufspüren von asymptomatischen Infizierten, die trotzdem ansteckend sein können, sind die Tests mit rund 60% Genauigkeit nicht sonderlich gut. [nih.gov]

Entsprechend vorsichtig muss ein Testergebnis interpretiert werden und nicht als Freifahrtsschein für die nächsten Tage gedeutet werden.

Mit mehr Tests kriegen wir die Pandemie in den Griff?

Jein.

Viele der Hoffnungen basieren auf einer Studie aus dem Fachmagazin "Science" [sciencemag.com]. Sie zeigt, dass wiederholtes Testen von großen Teilen der Bevölkerung massiv dabei helfen kann, die Pandemie einzudämmen, weil man Fälle früher erkennt und auch asymptomatisch Infizierte potenziell rausfischen kann.

Einer der Studienautoren, Michael Mina von der Universität Harvard, fasste es plakativ zusammen: Würde man die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung zwei Mal die Woche testen, könnte man binnen eines Monats das Geschehen unter Kontrolle kriegen [harvard.edu].

Aber es gibt an dieser Überlegung ein paar Haken. Zum einen zeigt sich aktuell, dass es in Berlin schlicht nicht möglich ist, diesen Durchlauf an Tests sicherzustellen. Zum anderen ist die Frage, wie genau die Schnelltests und Selbsttests wirklich sind.

Und dann gibt es noch Unsicherheiten rund um die sogeannte britische Variante B.1.1.7 "Es gibt erste Anzeichen, dass weniger Viren ausreichen, um einen anzustecken. Sprich: Selbst wenn der Test negativ ausfällt, ist es bei B.1.1.7 wahrscheinlicher als bei der vorangegangenen Variante, dass jemand eine andere Person ansteckt", sagt Peter Klimek. Er geht davon aus, dass das Mehr an Tests dabei helfen kann, die Lage besser zu überblicken.

Aber es werden mittelfristig nicht genügend Antigen-Tests in ausreichender Frequenz vorhanden sein, um deutlich mehr unentdeckte Fälle frühzeitig abzufangen – und damit die Zahl der Neuinfektionen zu drücken.

Fazit:

Das neue Mehr an Testen kann also dabei helfen, mehr Klarheiten zu schaffen. Potenziell könnte man genauer verfolgen, wie zum Beispiel insbesondere bei den Jungen, die wenig Symptome zeigen, das Infektionsgeschehen aussieht. Doch weder eignen sich die Tests, um künstlich Zahlen in die Höhe zu treiben noch um innerhalb kürzester Zeit dem Virus den Garaus zu machen.

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Beitrag von Haluka Maier-Borst

16 Kommentare

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  1. 16.

    Ein Test nützt doch nur, wenn der,die,das positiv getestete Mensch (ist das so sprachlich richtig?) sich sofort in Quarantäne begibt. Da kann ich mir tausend Gründe vorstellen, es nicht zu tun. Kind muss abgeholt werden, Kühlschrank ist leer...
    Und negativ getestete Mensch_innen (richtig so) können sich schon beim warten auf das Ergebnis oder in der Bahn auf dem Heimweg anstecken. Einziges Szenario, wo Sicherheit entsteht: mit dem Auto allein hin, nach Test im Auto allein auf Ergebnis warten, mit Auto zu Oma fahren. Aber das verbietet ja unsere autofreie Senatorin.

  2. 15.

    Hier ist das ganz gut erklärt
    https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/infektionskrankheiten/coronavirus/ist-man-mit-positivem-coronatest-in-jedem-fall-ansteckend-753811.html

  3. 14.

    "Liebe Haluka,..."
    Autsch, das muss weh getan haben. Nein nicht dir Kristina.

  4. 13.

    Liebe Haluka, ich sprach nicht über die Inzidenz, sondern über den prozentualen Anteil der Positiven an der Gesamtzahl der Getesteten. Aber ich bin gespannt, ob beim nächsten Anstieg der „Infizierten“ erstmal Entwarnung gegeben wird mit den Worten, wir wissen ja, dass die Inzidenz wegen der vermehrten Tests erstmal hochgeht...

  5. 12.

    Diese Tests bringen nicht sehr viel. Viel wichtiger wäre endlich mit dem Impfen voran zu kommen. Wenn ich Frau Nonnemacher höre, man müsste und wir werden, dann ist mir klar, dass Brandenburg nie den letzten Platz verlassen wird. Da hilft auch kein Testen. Die Hausärzte stehen bereit und wollen impfen, aber die Politik schwafelt und bremst. Furchtbar. Außerdem sollte endlich der russische Sputnik zugelassen werden. Der ist viel verträglicher als AZ.

  6. 11.

    Hallo,
    ich verstehe die Inzidenz so, das es die Anzahl der positiven PCR-Tests (Summe über 7 Tage) im Verhältnis zu
    100.000 Einwohnern ist, "Die Zahl der Tests spielt also gar keine Rolle außer, dass natürlich bei mehr Tests auch mehr Fälle gefunden werden." Die Zahl der Tests spielt doch eine Rolle, bei 0 Tests habe ich ja Inzidenz 0, was natürlich Unfug ist.
    Es gibt inzwischen mehrer Anwälte die gegen die PCR-Tests vorgehen, weil sie wohl auch auf ungefährliche
    "Virus-Schnipsel" ansprechen, kann ich aber fachlich nicht beurteilen.

  7. 10.

    Hallo Kristina,

    leider haben Sie das etwas falsch verstanden. Die Inzidenz ist ja die Zahl der neuen Fälle pro 100.000 Einwohner/innen in den letzten 7 Tagen. Die Zahl der Tests spielt also gar keine Rolle außer, dass natürlich bei mehr Tests auch mehr Fälle gefunden werden. Allerdings wird die Trefferquote dabei nach und nach schlechter, bis sie theoretisch auf gegen null Prozent geht, weil Sie einfach keine Fälle mehr übrig haben.

    Und wie gesagt: Wenn Sie mehr Fälle finden und rechtzeitig isolieren können, dann sollte eben die Zahl der Neuinfektionen und damit die Inzidenz sinken.

    Grüße

    HMB

  8. 9.

    Also könnte man Ihrer Meinung nach, die ganze Testerei lassen?
    Wie sollte man dann heraufinden, wer jemanden etwas tut und wer nicht?

  9. 8.

    Der Autor widerspricht sich-
    "Ein erhöhtes Testaufkommen sollte im Zweifelsfall bedeuten, dass man Infizierte schneller findet [...]. Sprich mehr Tests sollten mittelfristig eher dazu führen, dass die Inzidenz sinkt" und dann im vorletzen Absatz: "Aber es werden mittelfristig nicht genügend Antigen-Tests in ausreichender Frequenz vorhanden sein, um deutlich mehr unentdeckte Fälle frühzeitig abzufangen – und damit die Zahl der Neuinfektionen zu drücken."
    Ein erhöhtes Testaufkommen wird natürlich erst einmal zum (scheinbaren) Anstieg der Neuinfektionen führen. Der mittel-/langfristige Effekt auf die Fallzahlen scheint nicht klar zu sein.

  10. 7.

    Das RKI hat selbst festgestellt .... Doppel so hoch .... diese 4-6 mal war eine Schätzung des RKI und die isr länger her.
    https://www.rbb24.de/panorama/thema/corona/beitraege/2021/02/berlin-mitte-antikoerper-studie-rki-von-dassel-wieler.html

  11. 6.

    Hallo Sanli,

    Es steht oben erklärt, dass kurzfristig die Zahl steigen könnte, aber dann auch wieder sinken sollte, da man mehr Infektionen verhindern könnte. Insofern mache ich es mir nicht einfach.

    Wieso das Aufsplitten nach Altersklassen nur bedingt Sinn macht, wurde hier schon vor zwei Wochen diskutiert. Und inwiefern eine Inzidenz stark steigen kann, wenn die Mehrheit geimpft ist, erklären Sie leider auch nicht.

    Grüße

  12. 5.

    Wenn der PCR-Test auch anschlägt, wenn jemand nur „ungefährliche Virus-Erbgut-Reste im Rachen hat“, dann ist es doch für Neuinfektionen völlig unerheblich, all diese „Asymptomatischen“ per Test herauszufinden. Die tun ja niemanden was.
    Zu dem Anstieg der Zahlen: wenn positive Tests per PCR nachgetestet werden, fließen mehr positive in die Rate ein. Die negativen Tests werden nirgends erfasst (nach meinem Kenntnisstand). Ist also im Nenner eine kleinere Zahl an Tests als in Echt. Mehr Positive im Zähler und nicht die Gesamtzahl aller Tests im Nenner = Positivenrate ist zu hoch.

  13. 4.

    "Mehr als 80.000 Infektionen täglich? Wieler erklärte weiter, die Dunkelziffer, die sich aus Analysen zur sogenannten Untererfassung ergeben, lägen bei einem Faktor von vier bis sechs. Das hieße, bei etwa 20.000 positiven PCR-Tests wären in der Gesamtbevölkerung real 80.000 bis 120.000 Menschen neu infiziert, die meisten, ohne es zu wissen."
    https://www.tagesschau.de/faktenfinder/dunkelziffer-corona-neuinfektionen-101.html

    Also werden natürlich viele unentdeckte Infizierte ermittelt und somit werden die Fallzahlen enorm steigen, heißt, man muss andere Kriterien, als ausschließlich Fallzahlen, berücksichtigen.

  14. 3.

    Sehr wichtig ist vor allem, Schnelligkeit: Erste Symptome sollten zur sofortigen Isolation führen + zum Schnelltest.

    Grund: Die Inkubationszeit (Zeit von Ansteckung bis Auftreten der ersten Symptome) ist meist 5 -6 Tage. Kurz vor den Symptomen ist man i.d.R. am stärksten ansteckend: Das sogenannte serielle Intervall liegt bei nur 4 Tagen, ist also kürzer als die Inkubationszeit(5-6Tage). Das serielle Intervall ist die Zeitdauer von aufgetretenen Symptomen des Erstinfizierten bis zum Auftreten der Symptome des Folgeinfizierten. Wie gesagt das sind 4 Tage. Das ist ein klarer Hinweis darauf dass der überwiegende Teil der Infektionen vor dem Symptombeginn auftritt. Dennoch ist man auch mit Symptombeginn immer noch ansteckend.
    Also Schnelligkeit ist enorm wichig.
    (Ein pos. Schnelltest sollte mit der sehr sicheren PCR nachgetestet werden, da Schnelltests selten falsch positive Ergebnisse produzieren.)
    https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html

  15. 2.

    Ich habe von der Politik gar nichts anderes erwartet mit den Testcentren wie beim Impfen.

  16. 1.

    Der Autor macht es sich zu einfach. Natürlich führen zwangsläufig mehr Tests zu höheren Inzidenzen. Er versucht zwar Argumente dagegen anzuführen, aber sie bleiben schwach. ich möchte jedoch in diesem Zusammenhang in eine andere Richtung gehen, die durch die Argumentation beider Seiten, was die Inzidenzen angeht, zwangsläufig gegangen werden muss: Wenn man sich schon an der Inzidenzzahl als einzig wahren Wert hält, wie das die Politik macht, dann muss man die Inzidenzzahl immer mit der Anzahl der Tests in Beziehung setzen. Was ich Amit sagen möchte: Ohne die Inzidenzzahl mit der Anzahl der durchgeführten Tests ins Verhältnis zu setzen, ist die Inzidenzzahl eine völlig beliebige und absolute Zahl, die nichts besagt. Und diese Zahl wird noch bedeutungsloser, wenn man bedenkt, dass es eigentlich viel mehr Sinn machen würde, die Inzidenzen nach Altersgruppen aufzuschlüsseln.Hinzu kommt: Mit steigender Impfrate verliert die Inzidenz weiter an Bedeutung.

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