Verfassungsbeschwerde eingereicht - Intensivmediziner kritisiert Vorgehen gegen Bundes-Notbremse

Do 22.04.21 | 21:30 Uhr
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Archivbild: Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht verkündet ein Urteil. (Quelle: dpa/U. Deck)
Bild: dpa/U. Deck

Aus der Intensivmedizin kommt deutliche Kritik an mehreren eingereichten und geplanten Verfassungsbeschwerden gegen die Bundes-Notbremse. Angesichts von bundesweit fast 1.000 Corona-Toten allein in dieser Woche sei es nicht verhältnismäßig, gegen die verhängte Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr vorzugehen, sagte Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), am Donnerstagabend in der rbb-Fernsehsendung “rbb Spezial“.

Er frage sich, wo dabei das Recht eines jeden Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit und Leben bleibe, so Janssen. Seine Kolleginnen und Kollegen mache es "sehr betrübt", dass juristisch gegen die Bundes-Notbremse vorgegangen werde. Auf den Intensivstationen sei man noch lange nicht in "ruhigem Fahrwasser", betonte Janssens.

Härting: Ausgangssperre "evident verfassungswidrig"

Der Berliner Anwalt Nico Härting vertritt drei Mandanten der Freien Wähler in Bayern, die dort mit der CSU in der Regierung sitzen. In ihrem Auftrag hat er Verfassungsbeschwerde sowie einen Eilantrag gegen das neue Infektionsschutzgesetz beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Härting verteidigte das Vorgehen in der rbb-Sendung "rbb Spezial": "Die Ausgangssperre ist evident verfassungswidrig. Das Grundgesetz sieht solche Freiheitsbeschränkungen nicht vor", so Härting.

Der Berliner Jurist, der in der Vergangenheit auch schon Gastronomen erfolgreich gegen coronabedingte Sperrstunden in Berlin vertreten hatte, berichtete von zahlreichen Mandanten, die durch die Corona-Krise in existenzielle Nöte geraten seien. "Es gibt viele Menschen in erheblicher finanzieller Not, auch einige Suizide hat es schon gegeben. Das ist auch eine gesundheitliche Komponente, und ich verstehe gar nicht, warum Sie diese komplett ausblenden", sagte er als Reaktion auf Janssens Kritik.

Janssens verteidigt Festhalten an Inzidenzwerten

Der Intensivmediziner Janssens wiederum widersprach auch der Forderung des Anwalts Härting und seiner Mandanten, andere Faktoren als nur die Inzidenzwerte bei der Corona-Lagebeurteilung zu berücksichtigen, darunter vor allem die Auslastung der Intensivstationen. "Natürlich tut die Auslastung etwas zur Sache, aber die Infektion findet vorher statt. Wenn jemand schwer erkrankt, braucht er 14 Tage, bis er auf der Intensivstation landet. Die Auslastung ist neben den Todeszahlen ein harter Marker, aber sie ist rückwärtsgerichtet - und wir können dann nichts mehr tun", so Janssens. "Wenn wir alle gemeinsam handeln, haben wir im Sommer die Möglichkeit, endlich wieder in Freiheit zu leben, so wie das Herr Härting ja auch fordert", so Janssens weiter.

Neben den Freien Wählern hat auch die FDP eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Infektionsschutzgesetz angekündigt, genauso wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post. Er habe gegen das Infektionsschutzgesetz gestimmt, twitterte er bereits am Mittwoch nach dem Bundestagsbeschluss.

Sendung: rbb Spezial, 22.04.2021, 20:15 Uhr

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35 Kommentare

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  1. 35.

    Die Ausgangssperren sind doch das geringste Übel. Hr. Janssens sollte viel eher mal kritisieren, daß wir seit über einem Jahr auf der Stelle treten, uns seit Monaten im Dauerlockdown befinden, der vollkommen einfallslos immer weiter verlängert wird, statt gezielt gegen bekannte Hotspots vorzugehen. Und die heißen, welch Wunder, laut Lausitzer Rundschau von Heute und laut Stadt Cottbus Schulen, Kitas, Arbeitsplätze. Sie hießen, als noch geöffnet werden durfte, nicht Einzelhandel, Speisegaststätten, Hotels, Tierparks, ...

    Als Betroffener mit schwerem Verlauf weiß ich um die Gefährlichkeit der Pandemie, aber die kopflosen "Maßnahmen" tragen nicht ansatzweise zur Bekämpfung bei, sie schaffen Unfrieden, Frust, Verzweifelung. Daß es das Land Brandenburg als ein Beispiel bis Heute nicht geschafft hat, allen Ü85 ein Impfangebot zu unterbreiten, sagt Alles.

  2. 34.

    Im endgültigen Gesetzestext kommen die schwammigen, unwirksamen Vokabeln "soll" und "sollen" nicht mehr vor - gut so! hier noch mit "soll" in der Erstveröffentlichung: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bundesweite-notbremse-1888982 und hier die ALLEIN gültige Fassung: https://www.bgbl.de/fileadmin/user_upload/bgbl121s0802_buergerversion.pdfIm endgültigen Gesetzestext kommen die schwammigen, unwirksamen Vokabeln "soll" und "sollen" nicht mehr vor - gut so! hier noch mit "soll" in der Erstveröffentlichung: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bundesweite-notbremse-1888982 und hier die ALLEIN gültige Fassung: https://www.bgbl.de/fileadmin/user_upload/bgbl121s0802_buergerversion.pdf

  3. 33.

    Das Thema Schweden ist etwas schwieriger..... aber dort sagt die Politik auch mal einfach ... Leute wenn der ÖPNV voll ist dann fahrt nicht alle zur gleichen Zeit damit.
    Und natürlich ist es einfach ... wenn etwas keine bzw. kaum Auswirkungen hat dann läßt man es.
    Abhängig wer was sagt.... finden die meisten Infektionen im Privatem statt oder in der Schule oder auf Arbeit. Zumindest da sollte man sich mal einig werden.

  4. 32.

    Das Beispiel Schweden stimmt so nicht ganz. Die Länder sind durchaus vergleichbar. In Schweden leben ähnlich viele Menschen in Städten. Der einsame Hof im Wald ist kaum noch anzutreffen. Entsprechend sind auch dort die Inzidenzen hauptsächlich in den Großstädten und anderen größeren Städten getrieben, die dicht besiedelt sind. Die Inzidenz liegt zwar höher, die Todeszahlen aber nicht, weil inzwischen Risikopersonen besser geschützt werden. Und das völlig ohne Lockdown und mit dauerhaft geöffneten Schulen. Was aber a der ist: die Rentner und Risikopersonen isolieren sich freiwillig selbst, um dem Rest den Alltag weiter zu ermöglichen. Ob das hier auch so klappen würde, darüber kann man diskutieren. Aber es zeigt, dass es keine harten sondern nur die richtigen Maßnahmen braucht und Inzidenzen nicht der Weisheit letzter Schluss sind.

  5. 31.

    An 1989/1990 sieht man, welche Qualität der "sozialismus" ausstrahlte und wie die Massen für dessen Erhalt kämpften.

  6. 30.

    "nicht zielführend" >woher wollen Sie das im Voraus wissen? Mal runter vom Gaspedal und 2-4 Wochen beobachten, welchen Effekt diese Maßnahmen dann wirklich zeigen.

  7. 28.

    Hören Sie sich eigentlich mal selbst zu? Das Grundgesetz soll also Ihrer Meinung nach nur gelten, wenn Sie es für sinnvoll erachten, ansonsten kann man gerne mal großzügig darüber hinwegsehen? Bei solchen Einstellungen graust es mich wirklich. Noch deutlich mehr, als vor dem Virus. Vor dem kann ich mich persönlich schützen, vor Politikern mit Ihrer Einstellung leider nicht. Da bleibt dann nur noch die Notwehr vor Gericht. Zum Glück ist unsere Justiz unabhängig.

  8. 27.

    So einfach wie Sie es darstellen ist es leider mit den Alternativen nicht. Machen oder nicht ist keine Lösung. Vielmehr sind Verbesserungsvorschläge gefragt. Natürlich muss die Politik auch nachdenken, was ist sinnvoll und was eher nicht. Leider geschieht das nicht da diese Herrschaften denken, dass sie das Wissen gepachtet haben.
    Fragen muss man allerdings auch, was wäre ohne jegliche Maßnahmen erfolgt? In Schweden hat sich das auch nicht bewährt, obwohl Schweden dünner besiedelt und die Schweden viel mehr Rücksicht auf einander nehmen.

  9. 26.

    Nur mal so: Tragen die Verfassungsrichter/innen auf diesem Foto alle eine Maske?

  10. 25.

    Im endgültigen Gesetzestext kommen die schwammigen, unwirksamen Vokabeln "soll" und "sollen" nicht mehr vor - gut so! hier noch mit "soll" in der Erstveröffentlichung: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bundesweite-notbremse-1888982 und hier die ALLEIN gültige Fassung: file:///C:/Users/admin/AppData/Local/Temp/bundes-gesetz-blatt-april-100.pdf

  11. 24.

    Das sehe ich auch so und die Polizeieinsätze in Parks und auf Plätzen haben das bereits im ersten Lockdown bewiesen. Ungefährlicher ist es im Freien nur,wenn ich NICHT über einen längeren Zeitraum ohne Maske und ohne Abstand zusammensitze oder stehe,laut redend / singend. In Stuttgart und anderen Städten versuchte man es mit Aufenthalts- und Alkoholverboten auf Plätzen und in Parks. Wurde auch ignoriert.
    "Artikel 2, Absatz 2 des Grundgesetzes sagt: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“
    Ich habe das Interview mit Herrn Uwe Janssens gesehen und er hat zum x. Mal erklären müssen,wie es auf den Intensivstationen aussieht und in welcher Lage sich Ärzte und Pflegepersonal mittlerweile befinden. Aber eins steht fest. Herr Lindner und Herr Kubicki haben ihr Wahlkampfthema für die FDP gefunden und mehr scheinen sie auch nicht zu haben,um sich möglichst medienwirksam zu präsentieren. Was für ein Wahnsinn.

  12. 22.

    Wo man man die Vernunft ausschaltet und sich immer mehr Einschränkungen unserer Grundrechte offenbaren, müssen eben Gerichte entscheiden.
    Eine Klage vor den obersten Gerichten steht edel Bürger zu, warum also das fokussieren auf die eine Person?
    Weil er das macht, was staatliche, kirchliche und von freien Trägern bewirtschaftete Krankenhäuser schließt, weil sie nur Kosten verursachen und nicht effizient arbeiten? Nach Vorgaben aus dem Hause Spahn? Warum wird nicht der Gesundheitsministerium dafür verunglimpft, beleidigt? Nein, hier spare ich mir den Nick, weil der sich ändert, wie die Windrichtung, hier wird mit "Herr Jansen ist einer der größten Lobbyisten und daher ein absolutes rotes Tuch für mich." Stimmung gemacht. Wie gesagt: was ist mit den "christlichen" Lobbyisten, die sich genau so verhalten?

  13. 21.

    Mich wundert nur noch warum die Intensivmediziner ständig nach den schärfsten Einschränkungen für die Bevölkerung schreien, anstatt der Politik mal auf die Füße zu treten und mehr Intensivkapazitäten zu fordern. Statt auch noch welche abzubauen, wie in den letzten Monaten passiert. Soll mir bitte niemand erzählen, es gäbe zu wenig Personal, seit einem Jahr befinden sich Pflegekräfte und Ärzte in Kurzarbeit wegen verschobener Op’s, oder weil die Leute aus Angst schlicht nicht ins KH gehen. Sind alles Top Ärzte und Pflegekräfte. Seit einem Jahr hätte man sie für die Aufgaben auf der ITS spezialisieren können.
    Es ist ein Skandal, was sich die Politik da erlaubt!
    Ein empörter Pfleger!

  14. 20.

    „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Meinung von Experten immer wieder ignoriert wird. „
    Es gibt bei den Experten Befürworter und Gegner.

    „Wo sind die Alternativen? „
    Die Alternative zu einer Ausgangssperre ist keine Ausgangssperre. Die Alternative zu einer Winterjacke bei 30 Grad ist auch ...keine Winterjacke.
    Oder die ffp2 Maskenpflicht in Bayern und Berlin.... hat es was gebracht ? Stehen die beiden Bundesländer besser da als alle anderen ? Auch hier wäre die Alternative .... keine ffp2 Pflicht.

    Wenn man immer 3 Sachen auf einmal ändert, wird man nie erfahren was hat denn nun was gebracht und was war sinnlos.

  15. 19.

    "Tausende von Intensivbetten sind so während der Pandemie weggespart worden. Wer es nicht für möglich hält, der kann es im DIVI-Register überprüfen."
    Entschuldigung, aber das kan man nicht so stehen lassen, weil einfach falsch.
    2 wesentliche Aspekte haben dazu geführt.
    2 fache Verschärfung des Fachpfleger-Bettenschlüssels und das hier in den Kommentaren erwähnte Problem Personalmangel. Es haben stellen sie sich das vor, eine nicht unerhebliche Anzahl an Kündigungen während der Pandemie gegeben haben. Einige dürften ggf auch Long Covid, (ab jetzt meine Vermutung zusätzlich Fälle von Burnout und Depressionen) haben und nunmehr ausfallen.
    https://amp.focus.de/gesundheit/coronavirus/von-31-000-auf-24-000-warum-in-elf-monaten-7000-deutsche-intensivbetten-verschwunden-sind_id_13167403.html

  16. 18.

    Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Meinung von Experten immer wieder ignoriert wird. Die FDP und auch die Freien Wähler sollten mal aufhören sich auf Kosten unserer Gesundheit zu profilieren. Selber nichts zur Bekämpfung der Pandemie beitragen, nur meckern und kritisieren hilft nicht. Wo sind die Alternativen? Haben sie nicht, aber die Gerichte strapazieren. Es reicht schon, dass sich viele Bürger nicht an die einfachsten Regeln halten. Da erwarte ich einfach von der Politik (egal welcher Couleur) mehr Verantwortungsbewusstsein.

  17. 17.

    Ausgerechnet die Freien Wähler, die eine teilweise sehr u durchsichtige Rolle spielen.
    Wenn man sich mit der Bitte um Unterstützung an sie wendet bekommt man keine (eigenes Erlebnis) aber um sich zu profilieren wird jede Chance genutzt.

  18. 16.

    Mehrheitlich hier Kommentare, die die Zügelung einer Person anmahnen, die offenkundig mehr im Dienst der Allgemeinheit steht als die ichbezogenen GG- Beansprucher. Da läuft es mir kalt den Rücken runter, denn das zeigt den Zustand der Gesellschaft.

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