Interview | Derk Ehlert von der Senatsumweltverwaltung - "Natürlich leiden Wälder und Parks unter der intensiven Nutzung"

Sa 03.04.21 | 08:22 Uhr
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Eine stark abgetretene Liegewiese in einem kleinen Park, August- Ecke Gipsstraße, in Berlin-Mitte im März 2021. (Quelle: Jonas Burkard)
Video: rbb|24 | 04.04.2021 | Material: rbb|24, Abendschau, Brandenburg aktuell, Archiv | Bild: Jonas Burkard

Seit nunmehr einem Jahr strömen täglich viele Berliner in die Parks, um sich zu erholen. Das belastet die Stadtnatur zwar, doch die Klimaveränderungen machen Bäumen und Sträuchern noch sehr viel mehr zu schaffen, sagt der städtische Umweltschutz-Experte Derk Ehlert.

rbb|24: Herr Ehlert, die Berliner Stadtnatur ist gestresst. Nicht nur von den Klimaveränderungen und der damit verbundenen Wärme und Trockenheit, sondern auch von uns Bewohnern, die wir während der Corona-Pandemie in Heerscharen in ihr Erholung suchen. Ist das Stadtgrün der Situation gewachsen?

Derk Ehlert: Da zurzeit Rund 3,7 Millionen Menschen in die Stadtnatur strömen, ist das eine wichtige Frage. Aber da ist Berlin tatsächlich privilegiert. Denn in unserem Stadtstaat sind über 40 Prozent unserer Landesfläche Wasser-, Wiesen-, Brach-, Grün-, Wald- oder Ackerflächen. Die Stadt Berlin bietet diese Erholungsflächen also auch politisch und historisch betrachtet an und natürlich nutzen die Menschen diese auch.

Aber natürlich leiden die Wälder und die Parks unter der derzeitigen intensiven Nutzung auch. Doch im Vergleich zu vielen anderen Städten Deutschlands und auch Europas – wie London oder Paris beispielsweise – haben wir sehr viel Stadtgrün. Darunter sind großartige und einzigartige Flächen wie zum Beispiel das Tempelhofer Feld. Das soll uns erst einmal eine Metropole Europas nachmachen.

Die Berliner Wälder sind tatsächlich per Gesetz Erholungswälder für Menschen. Auch das ist etwas ganz Besonderes. In den meisten anderen Bundesländern ist Wald in erster Linie dazu da, um irgendwann geerntet zu werden.

Kommen die Parks also mit den Strapazen durch die Spaziergänger klar und schaffen es zwischenzeitlich immer wieder, sich zu erholen?

Nunja, wenn die Pandemie irgendwann einmal vorbei ist und die Nutzung nachlässt würden sich die Pflanzen und die Tiere schon freuen. Man sieht der Natur ganz klar an, gerade auch den Parkanlagen, dass sie stark übernutzt sind. Für eine derart starke Nutzung sind sie ja nicht konzipiert. Das sieht man besonders an den Stellen wie dem Tiergarten oder dem Mauerpark, wo sehr sich sehr viele Menschen erholen wollen. Wenn dieser Nutzungsdruck wieder nachlässt, können sich die Flächen auch wieder erholen.

Ist die Stadtnatur mehr von den Menschenmassen oder von der Klimasituation gestresst?

Nachhaltig am negativsten sind die Klimaveränderungen. Berlin hat ja ein festes kontinentales Klima und ohnehin nicht sehr viel Regen im Jahr. Wir liegen hier bei 580 Milliliter. Im Vergleich dazu: Hamburg hat 1.100 und Oldenburg bis zu 1.800 Milliliter Regen im Jahr. Das ist die doppelte Menge. So weit entfernt sind wir von den Regenmengen einer Steppe gar nicht. Wir haben also sowieso nur wenig Regen und jetzt bleibt der auch noch aus. Es gibt da ein Defizit, dass sich über die letzten Jahre durchzieht. Es gibt also eine große Trockenheit. Dann sinkt auch noch der Grundwasserstand. Und durch die höheren Temperaturen, die wir ja als durchaus angenehm empfinden, verdunstet deutlich mehr Feuchtigkeit. Da gibt es dann Folgewirkungen für Pflanzen und Tiere. Das ist sicher nicht das erste Mal so in der Erdgeschichte, dass das vorkommt. Aber die Geschwindigkeit, in der das passiert, können Pflanzen und Tiere durch Anpassungen kaum auffangen. Hinzu kommt jetzt Pandemie-bedingt noch die Übernutzung der Grünflächen.

Hat man schon angefangen, die Parks umzubauen? Gibt’s beispielsweise robusteres Steppengras für die Liegewiesen?

So einfach ist das leider nicht. Es werden je nach Standort bestimmte Gehölze und Gräser eingesetzt. Natürlich reagieren auch Bezirks- und Grünflächenämter auf die intensive Nutzung und die veränderten Klimabedingungen. Aber man kann eben nicht einfach schnipsen und dann ist alles anders.

Es muss aber auch eine gesellschaftliche Akzeptanz dafür geben, dass das, was da draußen ist, zwar genutzt werden darf, es aber, wenn es weiter schön aussehen soll, auch geschont werden muss.

Wie geht es eigentlich der heimischen Wildtierwelt mit unserer Präsenz in ihrem Lebensraum?

Für die Tiere, die hier sonst gut klarkommen, bedeutet es eine starke Veränderung, wenn da plötzlich doppelt so viele Menschen wie sonst in denselben Parkanlagen aufkreuzen. Vor allem, wenn sie sich auch abseits der Wege bewegen. Sie können dann leicht Vögel beim Brüten oder der Nahrungssuche stören.

Tatsächlich fehlt manchen Stadtbewohnern mitunter die Sensibilität im Umgang mit der Stadtnatur.

Rasenflächen, die unter der großen Nutzung leiden, erholen sich vermutlich schneller als so manch anderes Gewächs. Welche Pflanzen leiden derzeit besonders?

Wer wirklich leidet sind Strauch- und Baumflächen. Durch die langanhaltende Trockenheit haben die nicht mehr genug Wasser und können die oberen Pflanzenteile nicht mehr versorgen. Bei beispielsweise für uns herrlichen Sommertagen ist die Strahlungsintensität sehr hoch – die muss jeder Baum, jedes Blatt aushalten. Da kommt es durch Verbrennungen zu Schäden. Wenn dann auch noch im Winter zu wenig Regen fällt oder die Straßenbäume durch Salz geschädigt werden, ist das wirklich schlecht.

Apropos Bäume. Die nehmen ja nicht nur durch Trockenheit und Menschen schaden. Es soll ja auch vermehrt Biber in Berlin geben, die an ihnen nagen. Ist das wirklich so?

Die Biber, die jahrzehntelang ausgerottet waren, sind inzwischen tatsächlich wieder da. Und wir sind auf jeden einzelnen Biber in Berlin stolz. Biber gehören zu den wenigen Tierarten, die sich den Landschaftsraum selbst gestalten. Das fällt ihnen in Berlin allerdings schwer, weil sie die Spree nicht stauen können. Ihr Hauptzweck in der Natur ist, dass sie die Uferregion von Gehölzen befreien und so mittelfristig Erosion verhindern. Sie können durch Überschwemmungen auch Moore bilden und sie können dafür sorgen, dass ausreichend Wasser an die Pflanzen kommt, die sonst mit Wasser unterversorgt sind.

Die Biber haben Berlin in den vergangenen 20 bis 30 Jahren richtiggehend erobert. Inzwischen haben wir weit über 100 Biber-Ansiedlungen in der Stadt. Sie leben sogar ganz zentral in der Rummelsburger Bucht oder auch im Tiergarten. Sie sind auch an Gewässern vertreten, die ich als Biber nicht bevorzugen würde. Wie dem Neuköllner Schifffahrtskanal oder dem Teltowkanal.

Das führt auch mal zu Problemen, wenn der Biber an Bäumen nagt, die wir Menschen schön finden oder an solche, die besonders geschützt sind. Dagegen kann man aber etwas machen. Man nimmt allerdings nicht den Biber weg. Das hätte auch wenig Sinn, weil sofort ein neuer nachkäme. Die Bezirke schützen die Bäume mit Estrichmänteln. Dann findet der Biber andere Nahrung.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

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17 Kommentare

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  1. 17.

    Die Stadt hat lange in touristische Sachen, wie Museen, Vorzeigeplaetze, einen sinnfreien Flughafen, etc. investiert, vieleicht wäre es jetzt mal an der Zeit, auch da Geld in die Hand zu nehmen wo
    schon etwas vorhanden ist. Parks, Kinderspielplaetze, herunzergekommene Straende, kaputte Buergersteige, zerstörte aber vorhandene Radwege.
    Moeglichst nicht als Notreperatur oder Arbeitsbeschaffungsmassnahme, sonder ganz regulär.
    All dies für die eigene Bevölkerung

  2. 16.

    100% Zustimmung.

    Unfähigkeit die zum Himmel schreit beim Impfen, Krankenhäuser schließen, Menschen in den Ruin treiben und Ausgangssperren als unnütze Krönung und Drangsalierung der Menschen.

    Darin ist De ganz groß. Und die Michels und Klaqueure klatschen Beifall.

  3. 15.

    "Die Bezirke schützen die Bäume mit Estrichmänteln."
    Ähm ... meint er "Estrichmatten"? Ist 'n kleiner Unterschied und einbetoniert werden die Stämme mit Sicherheit nicht.

  4. 14.

    Ja, traurig, ie Spielplätze und Grünanlagen nicht nur in Kreuzberg zunehmend verwahrlosen. Es gibt jedoch auch positive Beispiele, ie etwa die Rasenpflege im Volkspark Wilmersdorf nahe dem Rathaus Schöneberg. Da gelingt das regelmäßige Nachsäen und Wässern im laufenden Betrieb seit Jahren hervorragend trotz sehr starker Nutzung. Die Bezirke könn(t)en viel voneinander lernen. Kreuzberg-Friedrichshain baut recht gut bedarfsgerechte, barrierearme Wege zumindest in einigen Grünanlagen.
    @rbb Wär doch auch eine schöne Recherche, was gelingt in den Grünanlagen der Bezirke, wo am Besten?! :)

  5. 13.

    Ach ich habe ein erfüllendes Hobby.... das wird mir nur von der Politik seit einiger Zeit verboten.
    Und ich bin für sehr viele Sachen .... an erster Stelle für Freiheit ... was wohl inzwischen von einigen abbestellt wurde.
    Und die Definition Spam.... ist eine andere als negative Kommentare .... sollten sie mal nachlesen ... dann ist es nicht so peinlich wenn man solche Begriffe schon benutzt und weiß an welcher Stelle sie Sinn machen.

  6. 12.

    Vielleicht sollten Sie sich besser ein T-Shirt kaufen "ich bin immer dagegen". Unter nahezu jedem Artikel hier findet man Ihre negativen Kommentare. Vielleicht sollten Sie sich ein erfüllendes Hobby aussuchen, das entspannt ungemein und hält davon ab, die RBB-Kommentare vollzuspammen.

    Zum Thema: es ist beschämend, wie wenig Mittel dem Grünflächenamt zur Verfügung stehen, zumal die Stadt immer voller wird und die Nutzung der langsam schwindenden Grünflächen und Erholungsanlagen zunimmt (Bebauung von Kleinanlagen und Brachen, zunehmende Bevölkerungsdichte). Es gibt mittlerweile schon einige Bürger-Initiativeb, die sich um Parks kümmen, aber das ist doch wirklich Aufgabe der Stadt. Berlin hat so viele tolle Parks, aber im Moment macht es wirklich wenig Spaß, sich dort aufzuhalten: der Müll, die Vernachlässigung und das Verhalten vieler Mitbürger (Wildpinkeln, in Bäumen rumklettern usw.) hat da großen Anteil dran. Dank Corona ist es oft auch einfach viel zu voll, um Erholung zu finden.

  7. 11.

    Vielleicht muss man langsam Shirts verteilen
    „Ich bin Schuld“
    Trifft man sich zu Hause, geht man in den Park, benutzt zu viele oder zu wenige Masken, bleibt man im Urlaub im heimischen Wald, fliegt man in andere Länder.....

  8. 10.

    Man könnte doch mal über eine Nutzungsgebühr nachdenken. Eingänge bauen.. usw.

  9. 9.

    Das Straßen- und Grünflächenamt erhält 1,04 % des Berliner Haushalts. Und wer noch weiter schauen möchte: https://www.berlin.de/sen/finanzen/haushalt/haushaltsplan/artikel.5697.php. Da wird schnell klar, daß für die riesigen Parkanlagen und Grünflächen Berlins kaum Geld und sehr wenig Personal vorhanden sind. Das ist auch ein Grund, warum andere Großstädte das anders gemacht haben.

  10. 8.

    Abgesehen vom Müll muss ich mal über das Fahrrad fahren meckern. Nicht nur das Mensch nebeneinander fahren muss und Fussgänger an den Rand gezwungen werden. Fahrrad ist ja so Öko ach ja wenn Mensch quer durch den Wald fährt,Eidechsen,Frösche und Blindschleichen platt fährt und es immer mehr Wege gibt weil Mensch ja von Natur aus faul,immer den kürzesten Weg nehmen muss. Mich ärgert es wenn kaum sichtbare Trampelpfade zu 5 Meter breiten Wegen werden. Aber sind ja alle so Natur verliebt und Öko.

  11. 7.

    Wieso nutzen für nichts? Auch dafür zahlen alle Bürger Steuern. Es ist nun mal nicht jeder in der Lage Rasen und Bäume im direkten Umfeld zu wässern. Dafür ist eindeutig der Senat oder der Bezirk zuständig. Aber die wollen ja sparen und lieber sämtliche Verantwortung auf den Bürger abwälzen. Der wird's schon machen.

  12. 6.

    Für Pflanzen und Wasser sind Zigarettenkippen und Hundekot das größte Problem. Beides wird in vielen Grünanlagen nicht beseitigt. Über die Essensreste freuen sich vor allem die Wildtiere: Ratten ;) Diese richten dann leider auch Schäden an Baumwurzeln und anderen Pflanzen an :(

  13. 5.

    Was uns vor allem jetzt auf die Füße fällt ist der jahrelange Sparkurs des Senats inParks aber auch Waeldern. Wälder da z. B die zerfallen Wegestruktur. Es bilden sich Trampelpfade, ehemalige Treppenanlagen und Befestigungen rutschen ab. Parks waren vor Corona schon in einem erbärmlichen Zustand. Nicht immer von Fachleuten des Grünflächenamtes gepflegt, wegen Kosteneinsparung. Teilweise dann von Leuten die ganz anderen Lehrberufen zuvor nachgegangen waren, aber zu dieser Arbeit verdonnert wurden
    Sprengen in Sommermonaten, genauso wie beim Strassengruen soll wohl am besten der Bürger uebernehmen oder wie?
    Die Parks sind auch eine Art von Visitenkarte der Stadt und Nicht nur der Tiergarten.

  14. 4.

    Dem kann ich nur zustimmen

    Alles immer nutzen für nichts
    Parkanlagen und Wälder zumüllen, aber nicht in der Lage , mal ein Eimer Wasser an die Straßenbäume zu geben
    Oder die Hinterlassenschaften vom Corona Fiffi aufzuheben

    @Wässern - das find ich auch gut

  15. 3.

    Ganz ehrlich:
    Seit Jahren werden Parks plattgetreten, zweckentfremdet und sinnlos vermüllt.
    Jetzt, wo auf einmal auch Leute dort einen Spaziergang machen, die die Grünflächen bislang nie genutzt haben, auf die Natur aber Rücksicht nehmen, wird auf einmal ein ökologisches Problem benannt.
    Es nervt total, dass sämtliche Probleme, die es schon seit Jahren gibt, regelmäßig auf Corona geschoben werden.
    Außerdem muss man sich doch nicht wundern:
    Wenn, Schulen, Kitas, Sportstudios, Außengastronomie und Geschäfte geschlossen sind bzw. sämtliche Menschen doch überhaupt nicht mehr arbeiten müssen, weil man die Kosten einfach unseren Kindern auferlegt.

  16. 2.

    Parkwiesen zwischen 17 und 21 Uhr kräftig wässern, dann kommen auch keine Rumsitzer mehr :-) wer will schon nen Nassen...

  17. 1.

    Danke, dass Sie das Thema anschneiden. Leider gibt es viele Menschen, die so gar keinen Sinn für ihre Umwelt haben. Ich kann das überhaupt nicht verstehen. Wenn ich mich umweltverträglich verhalte mache ich das doch letztendlich für mich. Mir geht's damit besser. Auch beim Klimaschutz. Immer nur zu sagen sollen doch erstmal andere anfangen. Das ist so erbärmlich. Jeder kann etwas tun. Und sei es nur wie hier beschrieben, auf den Wegen bleiben und Müll vermeiden. Einwegverpackungen müssten extrem verteuert werden.

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