Impfgipfel berät über 12- bis 15-Jährige - Kinderärzte sträuben sich gegen pauschale Impf-Empfehlungen

Do 27.05.21 | 07:12 Uhr | Von Sylvia Tiegs
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Mädchen wird geimpft - Symbolbild (Bild: imago images/MiS)
Audio: Inforadio | 27.05.2021 | Michael Müller | Bild: imago images/MiS

Wie sinnvoll sind Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche? Mit dieser Frage beschäftigt sich am Donnerstag ein weiterer Impfgipfel zwischen Bund und Ländern. Kinder- und Jugendärzte aus Berlin und Brandenburg senden vorab skeptische Signale aus. Von Sylvia Tiegs

In der Praxis von Jakob Maske in Berlin-Schöneberg ist derzeit noch mehr los als sonst - Corona-Schutzimpfungen sind stark nachgefragt, berichtet der Kinderarzt. Viele Eltern haben zahlreiche Fragen: "Gerade wenn Kinder und Jugendliche unter chronischen Erkrankungen leiden, dann sind die Eltern natürlich sehr gespannt, ob ihre Kinder geimpft werden dürfen. Da kommen sehr, sehr viele Nachfragen."

Teilweise fragten Eltern aber auch wegen anstehenden Urlauben nach, weil an den Reisezielen zwei Impfungen vorgeschrieben sind oder man nicht andauernd Teste machen wolle. Auch diese Nachfragen könne er verstehen, sagt der Kinderarzt. Aber ein Urlaub sei nun wirklich kein guter medizinischer Grund für eine Corona-Schutzimpfung.

Medizin kontra Politik

Genau darum aber geht es Ärzten wie Jakob Maske und vielen seiner Berufskolleginnen und -kollegen: Sie fragen nach dem medizinischen Nutzen einer Impfung für ihre jungen Patienten, nicht nach politischen oder gesellschaftlichen Motiven.

Das führt nun womöglich zum Konflikt. Denn am Freitag wird mit der europaweiten Impfstoff-Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde Ema auch für die 12- bis 15-Jährigen gerechnet. Und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat schon angekündigt: In diesem Fall wolle er gerne allen in dieser Altersgruppe ein Impfangebot machen.

Aber Kinderarzt Jakob Maske möchte die 12- bis 15-Jährigen aktuell noch gar nicht so gerne impfen - jedenfalls nicht alle. Das sagt er als Mediziner - und als Sprecher des Verbandes der Berliner Kinder- und Jugendärzte: "Wir haben für Kinder und Jugendliche gerade in dieser Altersgruppe sehr, sehr wenige Daten. Mit diesen Daten kann man eigentlich die häufigen Nebenwirkungen noch nicht mal erfassen. Das ist natürlich zu wenig, um da eine Empfehlung auszusprechen."

Einfach ausgedrückt könnte man sagen: Eine Corona-Schutzimpfung pauschal für alle unter 16-Jährigen erscheint vielen Kinder- und Jugendärzten derzeit viel zu unsicher. Zumal die Jüngeren selten wirklich schwer an Corona erkrankten, sagt Jakob Maske.

Zurückhaltung auch in Brandenburg

Ganz genauso sieht das sein Kollege Detlef Reichel in Prenzlau in der Uckermark. Der Diplom-Mediziner ist seit 30 Jahren niedergelassener Kinderarzt und spricht für den Brandenburger Landesverband der Kinder- und Jugendärzte. Auch er kann derzeit nicht erkennen, warum eine Impfung für alle Teenager empfohlen werden sollte: “Kinder und Jugendliche erkranken viel seltener symptomatisch an Covid-19-Infektionen, zeigen einen einfachen, unkomplizierten Krankheitsverlauf. Schwere Komplikationen sind wirklich die absolute Ausnahme“.

Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie habe seit März 2020 bisher vier Todesfälle unter Kindern und Jugendlichen durch Covid-19 erfasst, so Reichel. Und: Alle Fälle des sogenannten PIMS-Syndroms, einer Mehrfach-Entzündung infolge von Covid-19 bei Kindern, hätten geheilt werden können. Vor diesem Hintergrund falle ihm eine pauschale Impfempfehlung für 12- bis 15-Jährige sehr schwer, so Reichel - weil man über mögliche Folgen der Impfung eben einfach noch zu wenig wisse.

Kinderärzte fordern differenzierten Blick

In Detlef Reichels Praxis in der Uckermark hält sich der Impf-Andrang im Moment in Grenzen, sagt er. Der Diplom-Mediziner impft derzeit vor allem 16- bis 18-Jährige gegen Corona, die schwere Vorerkrankungen haben: das Down-Syndrom zum Beispiel, oder Herz- oder Atemwegserkrankungen.

Auch bei jüngeren Patienten würde Reichel - im Fall einer Impfstoff-Zulassung - abwägen, was für sie schlimmer wäre: eine Corona-Infektion - oder mögliche Impf-Folgen. Reichel nennt das eine "Risiko-Abschätzung". Vom Impfgipfel wünscht sich der Kinderarzt, dass die Politik auf Fachleute wie ihn hört und die Datenlage beachtet.

Sein Berliner Kollege Jakob Maske sähe es viel lieber, wenn bei Erwachsenen mehr Impftempo da wäre: Eltern, Lehrer, Erzieher breit zu impfen - das finden Jugendärzte wie er im Moment viel sinnvoller, als den Impfstoff pauschal an die Altersgruppe zu geben, die ihn aus heutiger medizinischer Sicht gar nicht so dringend brauche. Eine entsprechende Entscheidung dazu würde sich der Berliner Kinderarzt vom Impfgipfel am Donnerstag wünschen.

Sendung: Inforadio, 27.05.2021, 6:05 Uhr

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Beitrag von Sylvia Tiegs

76 Kommentare

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  1. 76.

    Sie wissen aber schon, auf welchen Kommentar (#40 von @Marco) sich meine Antwort bezog, oder?

    P.S. Bitte erst lesen, bevor Sie solche "Aussagen" treffen!

  2. 75.

    Ich hoffe, dass alle Eltern sehr gut abwägen, wie gefährdet ihr Kind bei einer Infektion wäre, bevor sie sich für eine Impfung entscheiden. Es gibt genügend Erwachsene, die starke Nebenwirkungen haben, wenn man sich die Meldungen des PEI anschaut. Will man die den Kindern zumuten? Unnötiger Weise?
    Eines erleichtertem Urlaubs wegen? Die Kinder erkranken doch kaum an COVID.
    Wenn alle Erwachsenen sich impfen lassen würden, bräuchte es die Impfung der Kinder nicht.
    Sorgen wir lieber mit dafür, dass sich weltweit die Erwachsenen impfen lassen können. Wir brauchen weltweiten Schutz, Deutschland ist keine Insel...

  3. 74.

    Sorry, aber was soll uns das jetzt sagen? Wir testen auch in Deutschland nicht mehr und haben keine corvid19-Toten mehr. Ich verstehe Ihre Argumentation nicht so wirklich. Die Zahlen vom JHU sind doch repräsentativ, oder? Dann steht Schweden definitiv besser da als Deutschland.

  4. 73.

    Dann sollte vielleicht der Kinderarzt gewechselt werde. Meine Kinderärztin kann sehr wohl unterscheiden, welche Impfung sie empfiehlt und welche nicht. Also muss es doch Möglichkeiten geben, nicht nur eine Mehrfachimpfung zu verabreichen.

  5. 72.

    Bei Todesrate spielt die Einwohnerzahl keine Rolle, Sie wird per 100 Tsd bzw, per 1 Million errechnet. Ich habe den Eindruck, Sie haben sich offensichtlich dermaßen in ihre eklatant falsche Zahl verliebt, Die Sterblichkeit in Schweden beträgt bis heute (WHO): 1.419 /1 Million Einwohner. In Deutschland sind es 1055/1 Million. Eine durchaus vergleichbare Größe.

  6. 71.

    Ich gehöre noch zu der Generation,die mangels Impfung an Masern,Röteln und Windpocken erkrankte und die Impfungen die möglich waren,erfolgten ohne Protest der Eltern an der Schule. Ich kann mich nicht erinnern,dass Eltern von Mitschülern die Zustimmung verweigerte (Polio,Diphtherie etc.)
    Die angekündigte zurückhaltende Empfehlung der Stiko zur Coronaschutzimpfung bei Kindern und Jugendlichen wird mit der zu geringen Datenlage begründet.

  7. 70.

    Sie wissen schon, dass Ihr Vergleich hinkt!
    Es wird seitens der Stiko nur eine bedingte Impfempfehlung für diese Altersgruppe aus den genannten Gründen geben und das ist auch gut so!

  8. 69.

    https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/Zaungespraech-Corona-Impfungen-von-Kindern,shmag83000.html
    Da ist fachlich sehr gut erklärt, warum man Kinder nicht pauschal impfen sollte.

  9. 68.

    Ich hoffe, dass alle Eltern sehr gut abwägen, wie gefährdet ihr Kind bei einer Infektion wäre, bevor sie sich für eine Impfung entscheiden. Es gibt genügend Erwachsene, die starke Nebenwirkungen haben, wenn man sich die Meldungen des PEI anschaut. Will man die den Kindern zumuten? Unnötiger Weise?
    Eines erleichtertem Urlaubs wegen? Die Kinder erkranken doch kaum an Covid.
    Wenn alle Erwachsenen sich impfen lassen würden, bräuchte es die Impfung der Kinder nicht.
    Sorgen wir lieber mit dafür, dass sich weltweit die Erwachsenen impfen lassen können. Wir brauchen weltweiten Schutz, Deutschland ist keine Insel...

  10. 67.

    Vergleichen Sie Schweden mit deren Nachbarn wie Norwegen und Finnland oder mit von der Bevölkerungsdichte vergleichbare Regionen in Deutschland wie MeckPom dann sehen Sie dass alle relevanten Zahlen in Schweden zwischen 5 und 20mal schlechter sind.

    iü, wenn Corona Kranke ü80 erst gar nicht ins Krankenhaus kommen und im Heim ungetestet Sterben, wie in Schweden, und drüber hinaus auch noch die Todeszahlen ganz anders erfasst werden, dann kann man das nicht vergleichen!

    Schaut man sich die Übersterblichkeit an so ist die in Deutschland fast 0 und in Schweden bei ca +15%

    Das sind die Wahrheiten die natürlich Querdenker nicht denken wollen!

  11. 65.

    Ich finde es schon grotesk, dass Herdenimmunität kein Argument für eine Impfung sein soll. Bei Röteln und Masern erkranken die Kinder doch auch nur selten schwer (bei Masern ca. 1:3000, bei Röteln noch viel weniger). Trotzdem werden die Kinder sogar per Impfpflicht dagegen geimpft (Impfpflicht für Masern besteht, für Rötel und Mumps durch die Hintertür, weil es die Impfung nur im 3er Pack gibt).
    Dieselbe Stiko, die eine Rötelnimpfung bei kleinen Kindern empfiehlt um schwangere Frauen zu schützen, findet es jetzt moralisch verwerflich, Kinder gegen Corona zu impfen?

  12. 64.

    Um besser vergleichen zu können, habe ich auf die Schnelle nur diese Seite gefunden:
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1111794/umfrage/todesfaelle-mit-coronavirus-covid-19-je-millionen-einwohner-in-ausgewaehlten-laendern/

    Danach (Stand 26.05.2021) Verstorbene je Millionen Einwohner
    Schweden = 1414
    Deutschland = 1049

    Ich vermute mal, dass es auch noch andere Zahlen / Quoten gibt.
    Ist schon alles etwas undurchsichtig ... dennoch würde ich Schweden nicht unbedingt als "gutes Beispiel" anführen!

  13. 63.

    Vielen Dank für diese Zahlen, die ich nur bestätigen kann. Ich informiere mich zwischenzeitlich nur noch anhand veröffentlichter Zahlen und bemühe mein Hirn und den Rechner. Mit Prozentzahlen kommt man weiter.

  14. 62.

    Bitte korrigieren Sie mich. Meines Wissens nach hat Deutschland eine Sterbequote von 2,39 % der positiv getesteten, Schweden 1,34 %. Ich finde, damit steht Schweden besser da.

  15. 61.

    Mensch Marina, da haste nich jenau jelesen! Det GG ist doch da janz eindeutich! [Ironie wieder aus]

  16. 60.

    Sag ich doch, Impft die Eltern!
    ...gern auch priorisiert.

    Wenn die geimpft sind
    ist der Eintrag in die Schule und von dort zu anderen Eltern ganz wesentlich reduziert.

  17. 59.

    Jaja, der Lockdown zeigt endlich Wirkung nach einem Jahr.
    ;Man kann sich auch alles schönreden, vor allem das politische Versagen im letztem Sommer Vorkehrungen für den Winter zu treffen, im Spätherbst/Winter zu träge gehandelt zu haben, im Frühjahr alles zu lockern, abzuwarten, auszusitzen...

    Hauptsache man kann uns auch in diesem Jahr wieder das weihnachtsfest, den Glühwein, die Familienfeier, den Gänsebraten (Vogelgrippe) und das Feuerwerk verbieten.

  18. 58.

    Na, das wage ich aber zu bezweifeln. Erstens hat Schweden es richtig gemacht und es ist nicht das einzige Land auf dieser Erde, was nicht panisch alles dicht gemacht hat und zweitens kann ich unseren Politikern keine eins aufs Zeugnis setzen, da sie sich nicht an den seit Jahren in der Schublade liegenden Pandemieplan gehalten haben und sich kein breites Bild von der tatsächlichen Situation gemacht haben, sondern immer auf die gleichen Berater gesetzt haben , die immer nur dasselbe von sich gegeben haben. Die angebliche Übersterblichkeit, bereinigt um die 53. KW und den 29. Februar, kann auch durchaus andere Gründe haben, als ausschließlich Corvid19.

  19. 57.

    Das steht nirgendwo - das ist ja das verrückte. Diese sogenannten Politiker machen das was sie selber wollen und nicht das was die Mehrheit des Volkes will.

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