Berlin und Brandenburg - Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen stark gestiegen
Depressionen, Angststörungen und andere psychische Erkrankungen nehmen unter Kindern und Jugendlichen stark zu. Corona verschärft die Lage zusätzlich. Das ist das Ergebnis einer Auswertung von Versicherten-Daten, die der ARD exklusiv vorliegt. Von Kaveh Kooroshy
In keinem anderen Bundesland leiden so viele Kinder und Jugendliche unter psychischen Erkrankungen wie in Berlin. Das zeigt eine Auswertung der Daten von mehr als 200.000 bei der Krankenkasse KKH versicherten Kindern, die dem ARD-Mittagsmagazin vorliegt.
Demnach mussten 2019 von knapp 15.000 in Berlin versicherten Kindern und Jugendlichen mehr als 2.000 aufgrund einer psychischen Erkrankung behandelt werden. Das war ein Anteil von 13,9 Prozent - bundesweit der höchste. Im ersten Halbjahr 2020 lag der Anteil für Berlin bei neun Prozent - auch das im bundesweiten Vergleich der Spitzenplatz.
In Brandenburg waren von mehr als 12.000 Versicherten 1.530 in psychischer Behandlung. Der Anteil von 12,1 Prozent lag knapp über dem Bundesdurchschnitt von zwölf Prozent. Im ersten Halbjahr 2020 hatten sich 7,2 Prozent der Versicherten in Behandlung begeben - wie in Berlin ein deutlicher Zuwachs zum Halbjahresschnitt des Vorjahres.
Bundesweit befanden sich von den knapp 210.000 Kindern und Jugendlichen zwischen 6- und 18 Jahren, die bei der KKH versichert waren, im Jahr 2019 etwa 25.000 aufgrund psychischer Erkrankungen in Behandlung, also zwölf Prozent. "Hochgerechnet auf ganz Deutschland sind das rund 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche", hieß es von der KKH.
In Brandenburg nahmen vor allem Depressionen besonders stark zu: 2019 waren dreimal so viele Kinder in Behandlung wie noch 2009. Bundesweit war dieser Anstieg um rund 200 Prozent nur in Sachsen-Anhalt größer (+225 Prozent). Auch andere psychische Erkrankungen sind in Brandenburg stärker als im Bundesschnitt gestiegen, etwa Anpassungsstörungen (+110,6 Prozent) und Burnout (+97 Prozent).
In Berlin haben neben Angststörungen (+65,3 Prozent) ebenfalls Depressionen deutlich zugenommen (+127,8 Prozent).
Mutmaßlich trägt für den Anstieg bei den psychischen Erkrankungen unter Kindern und Jugendlichen auch die Corona-Pandemie bei. Bislang liegen zwar nur die Daten für die ersten sechs Monate des Corona-Jahres 2020 vor - doch die lassen nichts Gutes erahnen: Bei allen genannten psychischen Erkrankungen - also Depressionen, Angststörungen, Anpassungsstörungen und Burnout - liegt der Anteil der betroffenen Kinder und Jugendlichen in diesem Zeitraum bereits über dem Halbjahres-Durchschnitt von 2019.
So waren in Berlin etwa in den ersten sechs Monaten 2020 neun Prozent der versicherten Kinder und Jugendlichen in Behandlung. Hochgerechnet auf das komplette Jahr 2020 ergäbe sich ein Plus von fast 30 Prozent. Auch in Brandenburg liegen die bislang vorliegenden Zahlen für die ersten sechs Monate über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres - hier droht ein Plus von 20 Prozent.
Stress ist eine Ursache für psychische Erkrankungen
Druck und Stress sind häufig eine Ursache psychischer Erkrankungen. Beides hat in der Pandemie zugenommen, zeigt auch eine bundesweite Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH. Viele Eltern befürchten demnach durch die Pandemie langfristige negative Folgen für ihr Kind: 77 Prozent der rund 1.000 befragten Müttern und Väter gaben an, die Corona-Pandemie habe bei ihren Kindern zusätzlichen Stress verursacht. Der größte Stressfaktor sind die fehlenden sozialen Kontakte. Die Hälfte aller Eltern geht davon aus, dass die Corona-Pandemie "ungünstige Auswirkungen auf die Entwicklung der Persönlichkeit" habe und mehr als 20 Prozent befürchten psychische Erkrankungen ihrer Kinder.
Sendung: ARD-Mittagsmagazin, 03.06.2021, 13:00 Uhr