Berlin und Brandenburg - Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen stark gestiegen

Do 03.06.21 | 06:06 Uhr | Von Kaveh Kooroshy
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Symbolbild: Ein Kind sitzt am Schreibtisch und hält sich über Bücher gebeugt den Kopf. (Quelle: dpa/H. Ahmad)
Bild: dpa/H. Ahmad

Depressionen, Angststörungen und andere psychische Erkrankungen nehmen unter Kindern und Jugendlichen stark zu. Corona verschärft die Lage zusätzlich. Das ist das Ergebnis einer Auswertung von Versicherten-Daten, die der ARD exklusiv vorliegt. Von Kaveh Kooroshy

In keinem anderen Bundesland leiden so viele Kinder und Jugendliche unter psychischen Erkrankungen wie in Berlin. Das zeigt eine Auswertung der Daten von mehr als 200.000 bei der Krankenkasse KKH versicherten Kindern, die dem ARD-Mittagsmagazin vorliegt.

Demnach mussten 2019 von knapp 15.000 in Berlin versicherten Kindern und Jugendlichen mehr als 2.000 aufgrund einer psychischen Erkrankung behandelt werden. Das war ein Anteil von 13,9 Prozent - bundesweit der höchste. Im ersten Halbjahr 2020 lag der Anteil für Berlin bei neun Prozent - auch das im bundesweiten Vergleich der Spitzenplatz.

In Brandenburg waren von mehr als 12.000 Versicherten 1.530 in psychischer Behandlung. Der Anteil von 12,1 Prozent lag knapp über dem Bundesdurchschnitt von zwölf Prozent. Im ersten Halbjahr 2020 hatten sich 7,2 Prozent der Versicherten in Behandlung begeben - wie in Berlin ein deutlicher Zuwachs zum Halbjahresschnitt des Vorjahres.

Bundesweit befanden sich von den knapp 210.000 Kindern und Jugendlichen zwischen 6- und 18 Jahren, die bei der KKH versichert waren, im Jahr 2019 etwa 25.000 aufgrund psychischer Erkrankungen in Behandlung, also zwölf Prozent. "Hochgerechnet auf ganz Deutschland sind das rund 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche", hieß es von der KKH.

In Brandenburg nahmen vor allem Depressionen besonders stark zu: 2019 waren dreimal so viele Kinder in Behandlung wie noch 2009. Bundesweit war dieser Anstieg um rund 200 Prozent nur in Sachsen-Anhalt größer (+225 Prozent). Auch andere psychische Erkrankungen sind in Brandenburg stärker als im Bundesschnitt gestiegen, etwa Anpassungsstörungen (+110,6 Prozent) und Burnout (+97 Prozent).

In Berlin haben neben Angststörungen (+65,3 Prozent) ebenfalls Depressionen deutlich zugenommen (+127,8 Prozent).

Mutmaßlich trägt für den Anstieg bei den psychischen Erkrankungen unter Kindern und Jugendlichen auch die Corona-Pandemie bei. Bislang liegen zwar nur die Daten für die ersten sechs Monate des Corona-Jahres 2020 vor - doch die lassen nichts Gutes erahnen: Bei allen genannten psychischen Erkrankungen - also Depressionen, Angststörungen, Anpassungsstörungen und Burnout - liegt der Anteil der betroffenen Kinder und Jugendlichen in diesem Zeitraum bereits über dem Halbjahres-Durchschnitt von 2019.

So waren in Berlin etwa in den ersten sechs Monaten 2020 neun Prozent der versicherten Kinder und Jugendlichen in Behandlung. Hochgerechnet auf das komplette Jahr 2020 ergäbe sich ein Plus von fast 30 Prozent. Auch in Brandenburg liegen die bislang vorliegenden Zahlen für die ersten sechs Monate über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres - hier droht ein Plus von 20 Prozent.

Stress ist eine Ursache für psychische Erkrankungen

Druck und Stress sind häufig eine Ursache psychischer Erkrankungen. Beides hat in der Pandemie zugenommen, zeigt auch eine bundesweite Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH. Viele Eltern befürchten demnach durch die Pandemie langfristige negative Folgen für ihr Kind: 77 Prozent der rund 1.000 befragten Müttern und Väter gaben an, die Corona-Pandemie habe bei ihren Kindern zusätzlichen Stress verursacht. Der größte Stressfaktor sind die fehlenden sozialen Kontakte. Die Hälfte aller Eltern geht davon aus, dass die Corona-Pandemie "ungünstige Auswirkungen auf die Entwicklung der Persönlichkeit" habe und mehr als 20 Prozent befürchten psychische Erkrankungen ihrer Kinder.

Sendung: ARD-Mittagsmagazin, 03.06.2021, 13:00 Uhr

Beitrag von Kaveh Kooroshy

22 Kommentare

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  1. 22.

    Enerviert sein ist nicht gleichbedeutend mit Aggressivität. Lernen Sie, zu differenzieren!

  2. 21.

    Sie haben "latente Aggressivität" geschrieben. Dabei bleibt's.
    Und auf den Kommentar eingegangen bin ich auch nur wegen Ihrer Relativierungen und, weil eher Sie hier meist den Fassboden ausschlagen.

  3. 20.

    Genervt darf ich aber schon noch sein ob gewisser Banalitäten anderer Menschen, die mich schlichtweg nicht interessieren? Oder muss ich alles toll und spannend finden? Wahnsinnig gehaltvoller Äpfel-und-Birnen-Vergleich von Ihnen: Genervt sein ist also Ihnen zufolge exakt dasselbe, wie physische Gewalt an Kindern oder anderen Menschen auszuüben. Das und Ihre simplifizierte Gleichungskette mit vorangehender unhaltbarer Insinuation schlagen dem Fass den Boden aus, alle Achtung.

  4. 19.

    Der letzte Satz ist aber auch sowas von gehaltvoll! Alle Achtung!

    Und: "...was für eine latente Aggressivität und Gewaltbereitschaft in den Menschen steckt."
    Sie schließen sich mit ein? Jedenfalls erinnere ich mich, dass Sie in einem anderen Thread froh über Ihr Home-Office waren und nicht mehr "das Geschwätz" Ihrer Kollegen auf Arbeit ertragen müssen. Hätten Sie Kinder, so wären Sie nun wahrscheinlich Leidtragender deren Geschwätz - mit beidseitigen (psych.) Folgen.
    Home-Office = Maßnahme = Problem; für manche (Kinder).





  5. 18.

    Auch das sollte man bedenken. Wie kann es z. B. sein, dass die Fälle häuslicher so stark angestiegen sind? Anstatt bequemerweise Corona bzw. den Maßnahmen dagegen die Schuld in die Schuhe zu schieben, sollte man sich vielmehr Gedanken darüber machen, was für eine latente Aggressivität und Gewaltbereitschaft in den Menschen steckt. Das ist ein gesellschaftliches, wenn nicht sogar zivilisatorisches Problem, welches lediglich partiell verschleiert werden konnte, weil es vor Corona noch hinreichend Rückzugsorte und Möglichkeiten zum Kompensieren gegeben hat. Das Problem sind mithin nicht die Maßnahmen, sondern - wie so oft - der Mensch selbst.

  6. 17.

    Corona muß wohl für alles herhalten. Vielleicht führt ja auch die Vollzeitkonfrontation der Kinder mit ihren Eltern zu o.g. Symptomatik.

  7. 16.

    Sie vergessen leider, dass Kinder ab einem bestimmten Alter genauso infektiös sind wie Erwachsene. Es ist ja schön für Kinder, dass ihnen kaum etwas passiert bei einer Infektion. Aber einem Erwachsenen hilft das herzlich wenig, besser Sauerstoff zu bekommen, wenn er am Beatmungsgerät hängt und um sein Leben bangen muss.

  8. 15.

    Bittere Zahlen, zweifelsohne. Umso mehr muss nun dafür Sorge getragen werden, künftige Pandemien bereits im Keim zu ersticken: Wildtierhandel weltweit verbieten und bei Verstoß konsequent verfolgen sowie mit hohen Strafen belegen. Ferner müssen bei einem unbekannten gefährlichen Erreger, der das Potenzial hat, eine Pandemie auszulösen, Sofortmaßnahmen greifen, wie z. B. die Einstellung des Reiseverkehrs in das und aus dem betroffenen Land, Quarantäne für aus dem Land eingereiste Personen etc. Es gibt bestimmt noch mehr Möglichkeiten, die von Fachleuten ermittelt werden müssen. Sicher ist, dass die Corona-Pandemie nicht die letzte Pandemie gewesen ist. Jetzt muss dem präventiv entgegengewirkt werden. Doch das Wichtigste sind absolute Transparenz und eine zügige Meldung solcher Viren. Ansonsten bringen die besten Maßnahmen nichts.

  9. 14.

    Sie haben sowas von Recht. Für mich sind auch die Eltern der „Hauptgrund“ für die Stresssituationen, in denen sich die Kinder befinden. Klar, sind/waren die Einschränkungen kein Spaß, aber man konnte doch mit seinen Kindern immer etwas unternehmen, wenn man es denn wollte.

  10. 13.

    "Mutmaßlich trägt für den Anstieg bei den psychischen Erkrankungen unter Kindern und Jugendlichen auch die Corona-Pandemie bei."
    Ganz sicher trägt nicht die "Corona-Pandemie" dazu bei, sondern die größtenteil deutlich überzogenen Verordnungen und Maßnahmen!!! Kindern tut dieser Virus nahezu nichts! Einfach bei https://www.berlin.de/corona/lagebericht/ unter "Altersgruppen" gucken (und bitte nicht "Fallzahlen" mit Erkrankungen gleichsetzen).

  11. 12.

    "... So waren in Berlin etwa in den ersten sechs Monaten 2020 neun Prozent der versicherten Kinder und Jugendlichen in Behandlung. Hochgerechnet auf das komplette Jahr 2020 ergäbe sich ein Plus von fast 30 Prozent. ..."
    Berlin - 2019 gesamt: 13,9 % / 1. Hbj. 2020: 9,0 %

    Habe ich einen Denkfehler oder warum ergibt sich dann für 2020 hochgerechnet ein Plus von ca. 30%?

  12. 11.

    Obwohl Ihr Beitrag komplett am Thema vorbei geht, weil Sie das Smartphone zu den Stressfaktoren zurechnen, ohne eine Quelle für diese Behauptung zu nennen:
    Wer macht den Kindern die fortwährende Nutzung dieser Geräte vor?
    Wer kauft schon unter 10-Jährigen eine Internet-Flat für's Gerät?
    Wer hat den Netflix-Account angemeldet?
    Wer baut keine Kindersicherung in die Geräte?
    Wer stellt keine Zeitbeschränkung im Router ein?
    Wer gewöhnt sie beim Schlafengehen an Hörspiele aus dem Netz?

  13. 10.

    Wenn Sie Ihre eigenen Kinder beschreiben, machen Sie sich bezüglich "Ihrem" Umgang mit ihnen Gedanken. Haben Sie keine, vermeiden Sie Schubladendenken.

  14. 9.

    Guten Morgen Berlin. Mit diesen Zahlen habe wir, anders als die Verantwortlichen, schon lange gerechnet. Ich arbeite nun seit 30Jahren in der Jugendhilfe und daher ist das o.g. für mich mich/uns keine Überraschung. Keine Überraschung wird es auch sein, dass die Politik / der RRG Senat wieder nicht reagieren wird. Kinder und Jugendliche leiden und erkranken in und an einem gesellschaftlichen Grundproblem, in dem ( auch coronabedingt) die Anforderungen und Belastungen steigen währen die Hilfesystheme (Kita / Schule / Jugendhilfe ) bereits weit vor Corona in einem desaströsen und an Peinlichkeit kaum zu überbietenden Zustand waren und sind. P.S.: Aber die verantwortliche Senatorin Frau Scheeres ist immer noch im Amt. Armes Deutschland, armes Berlin.

  15. 8.

    "Mutmaßlich trägt für den Anstieg bei den psychischen Erkrankungen unter Kindern und Jugendlichen auch die Corona-Pandemie bei."
    Es sind wohl eher die Maßnahmen und vielleicht auch die Berichterstattung als die Pandemie selbst. So genau sollte der Artikel schon sein.
    Leider hat diese Abwägung zwischen Kosten und Nutzen einer Maßnahme in Deutschland so gut wie nicht stattgefunden. Jeder,der darauf hinweist,wird gemaßregelt und für jeden zusätzlichen Coronatoten verantwortlich gemacht. Jede Maßnahme mit eventuellem Nutzen ist gut genug. Andere Länder sind da weiter.

    Passend dazu:
    https://www.zdf.de/politik/frontal-21/junge-menschen-und-die-psychischen-folgen-der-corona-pandemie-100.html

  16. 7.

    "Corona verschärft die Lage zusätzlich"

    Haben Sie als Staatsmedium nicht den Mut, klar zu benennen, dass Corona der Hauptauslöser dieser besorgniserregenden Zahlen ist? Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern wäre darüber hinaus sehr interessant.

  17. 6.

    Das nennt sich dann wohl selbsterfüllende Prophezeiung. Oder wurde die Studie etwa so wie sie ist, weil es so erwartet wurde.

  18. 5.

    "Druck und Stress sind häufig eine Ursache psychischer Erkrankungen."
    Und der zu 50% hausgemacht durch die Kinder und Jugendlichen selbst. Man muss nicht immer alles machen, nur weil es möglich ist. Ständig Smartphonegefriemel, bei jedem Blimm gleich auf unwichtige Nachrichten mit noch bedeutungsloseren Antworten reagieren, Nächte lang Netflix Serien, immer mit nem Knopf im Ohr sich berieseln lassen,.... und und und. Wenn alles in Maßen wäre, würde es auch weniger stressen!

  19. 4.

    Wir beobachten eine epidemische psychische Störung!

    Das Klassifikationssystem ICD-10 charakterisiert F42.1 "Vorwiegend Zwangshandlungen" so:

    "Die meisten Zwangshandlungen beziehen sich auf Reinlichkeit (besonders Händewaschen), wiederholte Kontrollen, die garantieren, dass sich eine möglicherweise gefährliche Situation nicht entwickeln kann oder übertriebene Ordnung und Sauberkeit. Diesem Verhalten liegt die Furcht vor einer Gefahr zugrunde, die den Patienten bedroht oder von ihm ausgeht; das Ritual ist ein wirkungsloser oder symbolischer Versuch, diese Gefahr abzuwenden."

  20. 3.

    Ja natürlich, will aber keiner im Mainstream so wirklich wahrhaben.
    Am Ende ist es aber vielen ängstlichen Mitbürgern egal, Kollateralschäden halt :(

  21. 2.

    "Viele Eltern befürchten..." ist zum lesen. Ja - viele Eltern befürchten nicht nur, viele Eltern sollten sich einmal Gedanken darüber machen - ob sie nicht sogar der Auslöser Druck und Stress sind....

    So, nun hat die KKH eine Statistik ausgearbeitet - gut. Andere Krankenkassen haben das auch - auch gut. Neben den Zahlen wäre es von Vorteil zu erfahren, was die Krankenkassen denn jetzt so anraten. (ausgenommen die Beitragsanpassung, von der wir noch hören und lesen werden...)

    Wo sind die Vorschläge zur Prävention?

  22. 1.

    Welcher andere Umstand als Corona befeuert die Zahl der Fälle? Dies gibt der Bericht nicht her. Ist nicht die Pandemie der eigndliche Antreiber der Fallzahlen? Also ist genau das eingetreten, was vorher gesagt wurde.

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