ARD-Dokumentation - Wenn die Corona-Pandemie für Beziehungskrisen sorgt
Corona spaltet: Familien, Freundschaften, die Gesellschaft. In Brandenburg driftet beispielsweise ein ganzes Dorf auseinander. Eine ARD-Dokumentation erzählt nun von den Beziehungskrisen der Pandemie. Von Ulrike Bieritz
Ein Mensch, der einem nahe steht, vertritt plötzlich seltsame Ansichten und es wird immer schwieriger miteinander zu sprechen. Es gibt nur noch Streit. Etwa über Corona, wirksame Maßnahmen oder das Impfen.
Corona spaltet: Familien, Freundschaften, ja auch die Gesellschaft. Wie geht es Menschen, die mit ihren Verwandten oder Freunden wegen unterschiedlicher Ansichten zu Corona im Clinch sind? Und welche Strategien gibt es, wieder ins Gespräch zu kommen oder zu bleiben? Darum geht es in dem Film "Beziehungskrisen: Wie Corona spaltet" von Adama Ulrich und Peter Podjavorsek. Er wird am Montag um 23:40 Uhr im Ersten ausgestrahlt. Abzurufen ist der Film bereits in der ARD Mediathek.
Von Verschwörungsmythen bis Streit
Protagonist des Films ist unter anderem Richard Z. - er ist mit Verschwörungsmythen aufgewachsen, Vater und Bruder hängen diesen seit den Anschlägen vom 11. September 2001 an. Heute hat er sich davon gelöst - und sieht seinen Vater nur noch gelegentlich. Marcus Fuchs, der Initiator von "Querdenken" in Dresden, liegt ebenfalls mit seiner Verwandtschaft im Streit. Bei Andrea S. waren Gespräche irgendwann gar nicht mehr möglich. Sie hat den Kontakt zu ihrer Mutter komplett abgebrochen. Dabei sind sich die meisten von ihnen einig: Menschen sollten miteinander im Gespräch bleiben. Denn nur so kann Demokratie funktionieren.
Das sehen auch die Einwohner von Wallmow so, einem 300-Seelen-Ort in der Uckermark. Ein Vorzeigedorf mit Kneipe, Konsum und Freier Schule. In den 1990er Jahren, als Menschen aus der Stadt oder aus dem Westen zuzogen, gab es häufiger Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Einheimischen. Doch man raufte sich zusammen, lebte friedlich miteinander - bis Corona kam. Und plötzlich gibt es auch hier wieder Streit, das Dorf driftet auseinander.
Flashmob gegen Corona-Maßnahmen
Andreas Podöhl gehört zu denen, denen die Corona-Maßnahmen zu weit gehen. Er spürt, dass inzwischen die Fronten ziemlich verhärtet sind. Als Beispiel nennt er einen Flashmob, den er und andere in Prenzlau organisiert haben. Sie tanzten am See und machten Musik und plötzlich habe die Polizei dagestanden, "weil die die Information hatten, dass dort ein rechter Aufmarsch ist", erzählt er kopfschüttelnd.
"Ich glaube nicht, dass einer von uns rechts ist. Obwohl manche denken, naja, wenn man so was macht, so einen Flashmob, dann sind es gleich Rechte." In diese Ecke gedrängt sieht sich auch Heike Reinhold. Sie ist Anfang der 1990er nach Wallmow gezogen, hat die Freie Schule mit gegründet und engagiert sich auch anderweitig im Ort. Die Corona-Maßnahmen der Regierung gehen ihr zu weit und so war sie nicht nur bei dem Flashmob in Prenzlau dabei, sondern auch bei der großen Demo in Berlin, bei der am Ende Demonstranten versuchten, den Reichstag zu stürmen.
Corona-Politik sorgt für Diskussionen
Das wiederum hat Natascha Feld irritiert, die seit fünf Jahren in Wallmow lebt. Sie findet die Maßnahmen der Regierung gut. Für Leute, die auf Querdenkerdemos gehen, auch wenn sie aus dem eigenen Ort sind, fehlt ihr das Verständnis. In den Chatgruppen des Dorfes wird heftig diskutiert, ob die Corona-Politik nun überzogen ist oder gerechtfertigt. Freundschaften sind dadurch zerbrochen, durchs Dorf geht ein tiefer Riss. Man geht sich aus dem Weg.
Natascha hat sich zurückgezogen und Heike meidet bestimmte Gruppen. Beide sorgen sich um die eigentlich so gute Dorfgemeinschaft. Jetzt, wo man sich wieder begegnen kann, wollen sie den Gesprächsfaden wieder aufnehmen.
Das will auch Tobias Meilicke von Veritas, der bisher einzigen Beratungsstelle für Betroffene von Verschwörungserzählungen. Er glaubt, dass Verschwörungserzählungen lange Bestand haben werden. "Wir leben ja in einem postfaktischen Zeitalter", sagt er. Es gäbe viele Informationen, die nicht schnell nachzuprüfen seien und es gebe sehr viele Menschen, die auch stark an Verschwörungen glauben und weiter glauben werden.
Heike und Natascha wollen wieder ins Gespräch zu kommen, auch wenn das eine Herausforderung ist. Man müsse sich aufeinander zu bewegen, sind sie sich einig und zuversichtlich, dass Wallmow es schaffen kann, andere Meinungen auszuhalten und sich gegenseitig zu respektieren. Wie ihnen das gelingt, das zeigt die Doku "Beziehungskrisen: Wie Corona spaltet" von Adama Ulrich und Peter Podjavorsek am Montag um 23:40 Uhr im Ersten und in der Mediathek.