Wanderung von Potsdam zum Gardasee - Wie Hugo seiner an Covid verstorbenen Oma den letzten Wunsch erfüllen will
Mehr als 1.000 Kilometer will der 19-jährige Hugo aus Potsdam laufen. Für seine Oma Renate, die an Corona starb. Auf Tiktok verfolgen mehr als 100.000 Menschen seine Wanderung zum Gardasee. Was es mit der Reise auf sich hat, erzählt er im Interview.
Hugo Rittel ist Ende Mai am Schloss Sanssouci in Potsdam losgelaufen. Sein Ziel: der Gardasee. Bis August will er es dort hin schaffen. Seine Reise dokumentiert er vor allem auf Tiktok unter @derallerechtehugo. Wir erwischen ihn, als er eine Pause bei seiner Tante in Thüringen macht.
rbb: Hallo Hugo, du sagst über dich selber: Du bist untrainiert, Raucher und hast einen kleinen Bauch. Wieso willst du plötzlich hunderte Kilometer wandern?
Hugo Rittel: Ich habe gedacht: Komm, mach mal was Besonderes, um Oma stolz zu machen. Ich habe schon viele Projekte angefangen und nicht durchgezogen, war unzufrieden in vielen Jobs. Jetzt habe ich etwas gefunden, was ich durchziehe. Ich habe noch kein einziges Mal daran gedacht, abzubrechen. Ich bin der Meinung meine Oma ist es wert, dass ich symbolisch ihren letzten Wunsch erfülle.
Was hat es mit diesem letzten Wunsch auf sich?
Meine Oma ist vor zwei Monaten an den Folgen von Corona gestorben. Oma war die Beste, ich bin mit ihr aufgewachsen. Als ich 18 geworden bin, bin ich sogar von Potsdam zu ihr nach Thüringen gezogen. Ich habe für sie einkauft und drei bis vier Mal die Woche die Nachmittage mit ihr verbracht. Immer wenn wir Fernsehen geguckt haben, kamen da so Dokus über den Gardasee, die wir sau gerne geguckt haben. Oma war nie im Ausland und hat gesagt, wenn sie nochmal wo hin möchte, dann zum Gardasee. Jetzt wo sie verstorben ist, erfülle ich diesen letzten Wunsch, indem ich dort hin laufe.
Du sagst aber auch, dass du für alle anderen Corona-Verstorbenen mitläufst.
Mir schreiben viele Leute, dass sie durch Corona auch Verwandte oder Freunde verloren haben. Dann sage ich, ich laufe für sie mit. Viele schreiben, dass ich eine Stütze geworden bin und ich sie durch die Videos ermutige und sie sich glücklicher fühlen. Ich probiere anderen zu helfen, das zu verarbeiten.
Was macht die Reise denn mit dir?
Ich konnte den Tod von meiner Oma kaum realisieren. Ich dachte immer: Ach, ich fahre wieder zu ihr und wir verbringen einen schönen Tag. Bis ich neulich ihren Namen auf dem Grabstein gesehen habe, das hat nicht in meinen Kopf gepasst. Mit der Reise verarbeite ich das. Man hat viel mehr Zeit zum Nachdenken.
Ansonsten verändern sich so kleine Vorurteile. Ich bin neulich in Leipzig angekommen und im größten Ghetto gelandet, ich bin kein Fan von Plattenbauten. Dort habe ich bei Leuten übernachtet, die meinem Tiktok-Account folgen und mir einen Schlafplatz angeboten hatten. Dabei habe ich super nette Menschen kennengelernt, wo sich viele Vorurteile aufgeklärt haben.
Du hast auf Tiktok seit Beginn der Reise mehr als 100.000 Follower dazu gewonnen. Wie ist das für Dich?
Es ist immer noch unvorstellbar. Ich bin losgelaufen mit 10.000 Followern. Jetzt sprechen mich manchmal Leute in der Stadt an. Oder ein Auto hupt und ich rege mich auf 'was hupt der denn jetzt?' und dann sitzen da hinten Kinder drin, winken und schreien 'Hugo' aus dem Fenster.
Auf Instagram bekomme ich Bilder von Flugtickets nach Malle oder so und die Leute schreiben, dass sie ihren Strandurlaub gecancelt haben und jetzt nach Bayern campen und wandern gehen. Das finde ich total geil, ich hätte nie gedacht, dass ich damit so viele Menschen bewegen kann. Das ist extrem schön.
Was willst du mit den Videos zeigen?
Viele Leute schreiben mir, dass sie so etwas niemals könnten. Ich glaube jeder könnte das. Es fehlt nur die Willensstärke und der Grund. Ich weiß, ich mache das für Oma und für einen guten Zweck. Ich will Menschen ermutigen, auch besondere Sachen zu machen. Am besten, um anderen Menschen zu helfen oder auf etwas Positives aufmerksam zu machen.
Ich will zeigen: Eure Omas und Opas sind die in der Familie, die am ehesten von euch gehen werden. Wenn ich früher mit Freunden unterwegs war, haben sie Anrufe von Oma oder Opa oft weggedrückt. Drei oder vier Tage später hat man immer noch nicht zurückgerufen. Dagegen will ich ein Zeichen setzen.
Wie geht es weiter, wenn du den Gardasee erreicht hast?
Ich möchte Travelblogger werden, um die ganze Welt reisen, die nächsten fünf bis zehn Jahre. Ich will meine Zuschauerschaft mitnehmen und vielleicht auch mal Zuschauer, die es sich nicht leisten können, einfach mitnehmen. Also anderen Leuten Träume erfüllen und gleichzeitig soziale Projekte unterstützen. Noch habe ich kaum Kooperationspartner auf Tiktok und verdiene noch kein Geld damit. Aber wenn ich etwas verdiene, will ich soziale Projekte unterstützen oder vielleicht eine Stiftung gründen.
Das Interview mit Hugo Rittel führte Mona Ruzicka, Brandenburg aktuell.
Sendung: Brandenburg aktuell, 04.07.2021, 19:30 Uhr