Verwirrung um Berliner Inzidenzen - Zweite Corona-Ampel nun doch rot
Eigentlich soll die Berliner Corona-Ampel transparent zeigen, wie die Infektionslage in der Stadt ist. Doch nun ist die Ampel für den Wochentrend der 7-Tage-Inzidenz rot, obwohl man eigentlich am Donnerstag noch unter dem Schwellenwert lag.
Nachvollziehbar, transparent, ein Vorzeigemodell – das ist das, womit noch im September 2020 der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Corona-Ampel bewarb [berlin.de]. Dass die Realität komplizierter ist, zeigt sich am Freitag.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit gibt auf ihrer Übersichtsseite an [lageso.de], dass nach der reinen Inzidenz-Ampel nun auch die für den Wochentrend der 7-Tage-Inzidenz auf Rot gesprungen ist. Das Verwirrende dabei: Eigentlich sollte dies nur der Fall sein, wenn an drei Tagen infolge der Trend bei über 40 Prozent liegt. Am Donnerstag lag aber der Wert bei 37 Prozent [lageso.de/archiv].
Rot-gelbe Verwirrung
Auf Anfrage von rbb|24 erklärt die Gesundheitsverwaltung dazu: "Bei den genannten Werten des Wochentrends der 7-Tage-Inzidenz handelt es sich um die jeweils an dem Tag ausgewiesenen Werte. Diese können sich durch Nachmeldungen an den Folgetagen noch verändern."
Sprich, man orientiere sich nicht nur am angegebenen Wert vom Vortag, sondern beziehe auch Bereinigungen mit in die Bewertung der Lage ein. So komme der Senat in den vergangenen Tagen auf Werte von 49,2, 47,1 und 40,7 Prozent, entsprechend sei die Ampel rot.
Die Lage auf den Intensivstationen ist unterdessen nach wie vor im grünen Bereich. Aktuell werden lediglich 4,4 Prozent der Intensivpatienten wegen einer Covid-19-Infektion behandelt.
Nachkorrekturen führen zu fehlender Transparenz
Die Wahl der Methode für die Gesundheitsverwaltung ist nicht einfach.
Einerseits ist klar, dass die Inzidenzwerte des aktuellen Tages immer fehlerbehaftet sind. Das führt teils zwischen Regionen in Deutschland zu massiven Unterschieden. Darum war das Robert-Koch-Institut (RKI) auch heftig kritisiert worden als es beschloss, nur mit "eingefrorenen" Inzidenzwerten [rki.de] zu arbeiten. Denn schließlich hing an diesen teils stark fehlerhaften Inzidenzwerten im Frühjahr die Bundesnotbremse, die darüber entschied, ob und wie weit in einem Landkreis geöffnet werden darf. Landkreise, die später ihre Fälle meldeten, konnten also potenziell mehr Freiheiten aussprechen.
Andererseits führen die nun einbezogenen Nachkorrekturen zu weniger Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass der Senat seine eigenen Regeln flexibel definiert. Bei der Einführung des Warnsystems war für den Fall zweier roter Ampeln vereinbart worden, dass dann "konkreter Handlungsbedarf" bestehe [berlin.de].
"Kein Automatismus"
Nun erklärt aber die Senatsverwaltung gegenüber rbb|24: "Nach den Beschlüssen der MPK möchten wir etwaigen Entscheidungen und Entwicklungen nicht vorgreifen. Im Übrigen gibt es keinen Automatismus, sondern sind immer Beratungen des Senats vorgeschaltet." Auch laut Senatskanzlei ist keine Sonderberatung am Wochenende geplant. Also kein konkreter Handlungsbedarf, erstmal abwarten.
Die Frage, ob neben der Zahl der Neuinfektionen auch andere Werte für die Einführung neuer Maßnahmen zu berücksichtigen sind, konnte auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz nicht geklärt werden. Die in den Beschlüssen eingeräumte Möglichkeit der Länder, eigene Maßstäbe zu implementieren, lehnt Berlin ab.
Sendung: Inforadio, 13.08.2021, 17 Uhr
Sendung: Inforadio, 13.08.2021, 16:47 Uhr