Verwirrung um Berliner Inzidenzen - Zweite Corona-Ampel nun doch rot

Fr 13.08.21 | 18:47 Uhr
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Eine Fahrradampel am Potsdamer Platz zeigt rot an (Bild: imago images/Andreas Friedrichs)
Bild: imago images/Andreas Friedrichs

Eigentlich soll die Berliner Corona-Ampel transparent zeigen, wie die Infektionslage in der Stadt ist. Doch nun ist die Ampel für den Wochentrend der 7-Tage-Inzidenz rot, obwohl man eigentlich am Donnerstag noch unter dem Schwellenwert lag.

Nachvollziehbar, transparent, ein Vorzeigemodell – das ist das, womit noch im September 2020 der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Corona-Ampel bewarb [berlin.de]. Dass die Realität komplizierter ist, zeigt sich am Freitag.

Die Senatsverwaltung für Gesundheit gibt auf ihrer Übersichtsseite an [lageso.de], dass nach der reinen Inzidenz-Ampel nun auch die für den Wochentrend der 7-Tage-Inzidenz auf Rot gesprungen ist. Das Verwirrende dabei: Eigentlich sollte dies nur der Fall sein, wenn an drei Tagen infolge der Trend bei über 40 Prozent liegt. Am Donnerstag lag aber der Wert bei 37 Prozent [lageso.de/archiv].

Rot-gelbe Verwirrung

Auf Anfrage von rbb|24 erklärt die Gesundheitsverwaltung dazu: "Bei den genannten Werten des Wochentrends der 7-Tage-Inzidenz handelt es sich um die jeweils an dem Tag ausgewiesenen Werte. Diese können sich durch Nachmeldungen an den Folgetagen noch verändern."

Sprich, man orientiere sich nicht nur am angegebenen Wert vom Vortag, sondern beziehe auch Bereinigungen mit in die Bewertung der Lage ein. So komme der Senat in den vergangenen Tagen auf Werte von 49,2, 47,1 und 40,7 Prozent, entsprechend sei die Ampel rot.

Die Lage auf den Intensivstationen ist unterdessen nach wie vor im grünen Bereich. Aktuell werden lediglich 4,4 Prozent der Intensivpatienten wegen einer Covid-19-Infektion behandelt.

Nachkorrekturen führen zu fehlender Transparenz

Die Wahl der Methode für die Gesundheitsverwaltung ist nicht einfach.

Einerseits ist klar, dass die Inzidenzwerte des aktuellen Tages immer fehlerbehaftet sind. Das führt teils zwischen Regionen in Deutschland zu massiven Unterschieden. Darum war das Robert-Koch-Institut (RKI) auch heftig kritisiert worden als es beschloss, nur mit "eingefrorenen" Inzidenzwerten [rki.de] zu arbeiten. Denn schließlich hing an diesen teils stark fehlerhaften Inzidenzwerten im Frühjahr die Bundesnotbremse, die darüber entschied, ob und wie weit in einem Landkreis geöffnet werden darf. Landkreise, die später ihre Fälle meldeten, konnten also potenziell mehr Freiheiten aussprechen.

Andererseits führen die nun einbezogenen Nachkorrekturen zu weniger Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass der Senat seine eigenen Regeln flexibel definiert. Bei der Einführung des Warnsystems war für den Fall zweier roter Ampeln vereinbart worden, dass dann "konkreter Handlungsbedarf" bestehe [berlin.de].

"Kein Automatismus"

Nun erklärt aber die Senatsverwaltung gegenüber rbb|24: "Nach den Beschlüssen der MPK möchten wir etwaigen Entscheidungen und Entwicklungen nicht vorgreifen. Im Übrigen gibt es keinen Automatismus, sondern sind immer Beratungen des Senats vorgeschaltet." Auch laut Senatskanzlei ist keine Sonderberatung am Wochenende geplant. Also kein konkreter Handlungsbedarf, erstmal abwarten.

Die Frage, ob neben der Zahl der Neuinfektionen auch andere Werte für die Einführung neuer Maßnahmen zu berücksichtigen sind, konnte auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz nicht geklärt werden. Die in den Beschlüssen eingeräumte Möglichkeit der Länder, eigene Maßstäbe zu implementieren, lehnt Berlin ab.

 

Sendung: Inforadio, 13.08.2021, 17 Uhr

Sendung: Inforadio, 13.08.2021, 16:47 Uhr

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35 Kommentare

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  1. 35.

    Also als Meinungsmache "dagegen" empfinde ich den Bericht nicht. Die Art und Weise wird berechtigt kritisiert, nicht die Impfung. Fraglich ist ausserdem, woher im Namen der Senatorin die Daten der Kinder _legal_ kommen. Eine Rechtsgrundlage kann ich nur schwerlich konstuieren. Vll. kümmert sich deshalb nun auch der Datenschutzbeauftrage um diesen Vorfall.

  2. 34.

    Da bin ich vollkommen anderer Meinung und stimme ausdrücklich der Autorin des Artikels zu. Es kann nicht sein, dass Kinder verunsichert und moralisch unter Druck gesetzt werden, nur weil die Regierung nicht den Mut findet, die Pandemie endlich als gelöst zu definieren. Jede Risikoperson und jeder, der das sonst wünscht, konnte sich inzwischen mittels Impfung vor einem schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlauf schützen. Wer das nicht will, tut das ab jetzt auf eigenes Risiko. Kinder haben praktisch kein Risiko, schwer zu erkranken, dafür aber ein nicht unbeachtliches für schwere, teils lebensgefährliche Nebenwirkungen. Es steht keinem Politiker zu, unsere Kinder wider besseren Wissens diesem Risiko auszusetzen oder sie moralisch dazu zu zwingen. Kinder überschauen den Sachverhalt logischerweise noch nicht vollständig, solch schwierige Entscheidungen sollen sie nicht treffen müssen. Das ist unmoralisch und übergriffig.

  3. 32.

    Wäre ihre Ansicht auch so, wenn die AFD Kinder angeschrieben hätte um ihnen von Impfungen abzuraten ?
    Ich glaube nicht.

  4. 31.

    Merkwürdigerweise hat der Artikel "Die Verantwortung an die Schwächsten abzugeben, ist höchst unanständig" keine Kommentarfunktion. Leider. Denn der Artikel stellt eine sehr saloppe Meinungsmache gegen das Impfen von Jugendlichen dar. Ich fand den Brief der Senatorin hingegen sehr verantwortungsvoll geschrieben und dem Ernst der Lage angemessen. Ja, ich finde es gut, wenn demokratisch legitimierte Regierungen ihre Gestaltungshoheit wahrnehmen. Ja, ihre Empfehlung stellt das Gegenteil dessen dar, was die Stiko bislang empfohlen hat. Na und? Niemand wird gezwungen, der einen oder anderen Empfehlung zu folgen.

  5. 30.

    Ich halte es sogar aktuell für verantwortungslos, massenweise gesunde Kinder zu impfen, wo man weiß, dass denen eine Infektion weniger oft schadet als an schweren Nebenwirkungen zu erwarten ist. Eine Impfung ergibt aber nur Sinn, wenn das Impfrisiko wesentlich geringer ausfällt, als die zu erwartenden Folgen einer Erkrankung. Da nicht jedes infizierte Kind erkrankt und nur wenige erkrankte Kinder ohne Vorerkrankung einen schweren Verlauf haben, muss dies medizinisch sorgfältig abgewogen werden. Das tut die Politik aber nicht und das ist ein Skandal, genau so wie der Druck auf die StIKo!

  6. 29.

    Na Herr Müller sind wir wieder Hochrisikogebiet.
    Zwei rote Ampeln und nichts passiert?
    Bloß gut das bald Wahlen sind.

  7. 28.

    Danke an dieser Stelle an Frau Bieritz für ihren Kommentar zum Impfbrief von Frau Kalayci an die Schüler.
    https://www.rbb24.de/politik/thema/corona/beitraege/2021/08/kommentar-brief-kalaci-kinder-impfungen-corona.html
    Leider hat dieser Artikel keine Kommentarfunktion.

  8. 26.

    "Hat keiner unsere Pandemiepläne von 2013/2016/2017 gelesen?"

    Den von 2020 speziell zu "Corona" hat auch keiner gelesen - bzw., kaum war er veröffentlicht, wurde alles anders gemacht.

    Versuchen Sie mal, in https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Ergaenzung_Pandemieplan_Covid.html etwas zu finden, was einem sinnlos, falsch, oder auch nur ärgerlich erscheinen könnte! All DAS, was auch mich ärgert, steht da NICHT, sondern ist auf anderem Mist gewachsen.

  9. 25.

    Nicht ich befürworte das. Vielleicht hätte ich den Sarkasmus kennzeichnen sollen. Ich habe den Eindruck, dass alle Politiker, die solche Sätze sagten (Merkel, Braun, Maas…), wissen oder einkalkulieren, dass niemals allen ein Angebot gemacht werden kann.
    Dazu kommt die Inkonsistenz vieler Maßnahmen; das passt alles nicht zusammen. Und das RKI weiß nicht genau, wieviele Menschen wirklich geimpft sind, aber die Infektionszahlen sollen stimmen - die Zahl, an die sich die Regierung krampfhaft klammert? Der Senat legt Zahlen wegen eventueller Nachmeldungen fest und würfelt dann die Ampelfarbe aus?!
    Ich befürworte die sofortige Aufhebung sämtlicher Einschränkungen!

  10. 24.

    Mit anderen Worten: Sie beführworten die Maskenpflicht auf Lebenszeit?
    Warum ist das in Dänemark nicht der Fall, auch dort werden keine Kinder geimpft!

    Im Übrigen war von Anfang an nie die Rede davon, dass man gesunde Kinder impfen will!

  11. 23.

    Ich hoffe doch, dass einige Parteien sich am Wahltag verwundert die Augen reiben.

    Meine Stimme bekommt jedenfalls keine der bequemen Parteien, die im Bundestag nur alle 3 Monate die Notstandslage verlängern ohne die "Maßnahmen" auf Plausibiliät und Verhältnismässigkeit zu überprüfen!

    Ich habe meinen Bundestagsabgeordneten damals gewählt, damit er meine Interessen vertritt, und nicht die voon Spahn, Wieler, Merkel und den Pharmakonzernen!

  12. 22.

    Also die Gruppe bei der wesentlich mehr Ertrunken sind als an Corona verstorben.
    Es gab und gibt immer Gruppen die sich nicht impfen lassen können bzw. bei denen kein Impfschutz Eintritt.
    Wie wurde da bisher verfahren ?

  13. 20.

    Datenerfassung - Katastrophe
    Dateninterpretation - Katastrophe
    Spahn: Durchhalten bis zum Frühjahr!
    Was ist das Ziel? Welche Strategie?
    Hat keiner unsere Pandemiepläne von 2013/2016/2017 gelesen?
    Es ist ein Desaster!

  14. 19.

    Politiker-Reden sind erst dann Gesetz, wenn Teile daraus oder alles in einem Gesetz auftaucht und so ein Gesetz Rechtskraft erlangt. Ich glaube eher an den Weihnachtsmann als an Politiker-Reden (jedenfalls nicht von solchen Politikern, die beruflich nie in der Medizin tätig waren. Politiker-Reden sind für den/die Redenden 100% konsequenzenlos!

  15. 18.

    Um beim Vergleich zu bleiben: Sie haben die Autofahrer vergessen!
    Die Fußgänger und Radfahrer sind analog die Erkälteten, die Autofahrer die Covid19-Erkrankten.
    Leider achten die gefährlicheren Autofahrer oftmals nicht die Verkehrszeichen - weder die Ver-, noch die Gebote.
    SCNR

  16. 17.

    Bis zur nächsten Wahl wird auch nicht mehr viel passieren. Man ist c19 müde, glaubt man.

  17. 16.

    Es hat ja eben nicht jeder die Möglichkeit, sich impfen zu lassen (Kinder). Also können die „Maßnahmen“ nicht aufgehoben werden.

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