Vierte Corona-Welle - Berliner Krankenhäuser streichen immer mehr aufschiebbare Operationen

Mo 22.11.21 | 17:31 Uhr | Von Georg-Stefan Russew
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Archivbild: Ein Team aus Ärzten und OP-Helfern steht während einer Operation um einen Patienten. (Quelle: dpa/J. Güttler)
Video: Abendschau | 22.11.2021 | A. Tiemeyer | Bild: dpa/J. Güttler

Berliner Kliniken folgen dem Vorbild der Charité, die aufgrund der stark ansteigenden Corona-Zahlen planbare Operationen in ihren Häusern bereits verschoben haben. Auch die DRK-Krankenhäuser gehen diesen Schritt mit. Von Georg-Stefan Russew

Nach der Berliner Charité verschieben weitere Krankenhäuser in Hauptstadt planbare Operationen. Dazu zählen unter anderem Vivantes und die DRK-Kliniken Berlin. "Bei uns werden diese, wenn auch nicht in einem übermäßigen Umfang, verschoben", sagte Corinna Schwetasch, Sprecherin der Berliner DRK-Kliniken, am Montag. Ähnlich äußerte sich eine Vivantes-Sprecherin gegenüber rbb|24.

Krankenhaus-Gesellschaft: Ärger über Versäumisse in der Politik

Auch weiteren Kliniken bliebe aufgrund der aktuellen Coronalage nichts anderes übrig, als ihr OP-Programm anzupassen, um für die Versorgung von immer mehr werdenden Covid-Patienten ausreichend Intensivbetten vorzuhalten, sagte der Chef der Berliner Krankenhaus-Gesellschaft, Marc Schreiner, rbb|24.

Er ärgere sich, dass die Politik es versäumt habe, früher und konsequenter gegen die neuerliche Corona-Welle einzuschreiten. "Dass man Kliniken das wieder überhilft, weil man sich zu lange davor gescheut hat, Kontaktbeschränkung aufzuerlegen oder das Thema Impfen näher an die Bevölkerung zu bringen, das ist schade“, betonte Schreiner.

Zahlen weiter auf hohem Niveau

Derzeit gehen die Coronazahlen leicht zurück. Laut Robert Koch-Institut (RKI) lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag bei 338 [rki.de]. Am vergangenen Freitag lag dieser Wert noch bei 367,2. Und auch die Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz gibt leicht nach. Am Montag wurde dieser Wert vom RKI mit 3,87 angegeben. Am Freitag rangierte dieser noch bei 4,58. Die Hospitalisierungs-Inzident ist ein Indikator, der anzeigt, wie viele Fälle pro 100.000 Einwohner nach einer Covid-19-Infektion innerhalb einer Woche in eine Klinik mussten, nicht nur auf eine Intensivstation.

Diese Zahlen sind viel zu hoch, erklärte Schreiner und wurde noch konkreter: Mit Stand Montagmittag müssten in Berliner Krankenhäusern rund 650 Covid 19-Patienten versorgt werden. Davon lägen 460 auf Normalstationen. Knapp 190 befänden sich auf den unterschiedlichen Intensivstationen. Von denen müssten 163 beatmet werden, 25 seien an eine Ecmo angeschlossen, ein System, mit dem das Blut außerhalb des Körpers maschinell mit Sauerstoff angereichert werde. "Letztlich muss man sagen, dass die Berliner Kliniken sich schon im Krisenmodus befinden", unterstrich der Chef der Berliner Krankenhausgesellschaft.

Normalpatienten müssen warten

Für Schreiner sei es "hoch bedauerlich", vielen Patienten wieder erklären zu müssen, dass ihre geplanten Eingriffe warten müssten. Möglicherweise entstünden so zusätzliche Schmerzen oder andere Gesundheitsbelastungen müssten in Kauf genommen werden, weil die Intensivbetten mit vielen Covid-Patienten belegt sind. "Und darunter sind auch viele, die sich nicht haben impfen lassen", unterstrich Schreiner.

Es gebe auch einen Versorgungsauftrag gegenüber Normalpatienten. Schreiner würde sich wünschen, dass alle Menschen in Deutschland "diese Ungerechtigkeit richtig erkennen und dann mit einer Impfbejahung" reagierten. "Das Thema der Stunde heißt Impfen und Auffrischungsimpfung", forderte Schreiner.

DRK-Kliniken wollen unbedingt Versorgungsauftrag sicherstellen

Dies kann auch Schwetasch bestätigen. Allerdings müsse aufgrund der sehr dynamischen Coronalage stets geschaut werden, was an OPs noch geht und was nicht. "Ich kann nicht vorhersagen, was nächste oder übernächste Woche ist. Da müssen wir schauen", betonte die Sprecherin der Berliner DRK-Kliniken.

Ihre Häuser würden sich jeden Einzelfall genau anschauen und entscheiden, was für die Patienten am besten sei. Natürlich betreffe dies nicht lebensrettende OPs. Herzkatheterlabore würden zum Beispiel nicht geschlossen. Aber es könnten Knie-OPs und anderes verschoben werden. Das sei für die DRK-Kliniken auch nicht so einfach, "denn wir wissen, für die von der Verschiebung betroffenen Menschen kann dies Schmerzen und einen Leidensdruck bedeuten", so Schwetasch. Diese seien aber nicht lebensnotwendig und seien aufgrund des Krisenmodus verschiebbar.

Die DRK-Kliniken Berlin betreiben in der Bundeshauptstadt fünf Häuser, wovon aber nur in dreien auch operiert werde. "Aktuell werden planbare OPs in Köpenick, am Standort Westend und in Mitte verschoben", so Schwetasch.

Vivantes muss auch immer mehr Covid19-Patienten versorgen

"Die Anzahl der stationär und intensivmedizinisch zu behandelnden Patient:Innen bei Vivantes steigt weiter, auch wenn sich im Unterschied zu den letzten Wellen mehr Menschen zuhause selbst versorgen können. Derzeit (Stand 22.11.) werden 125 Covid-Patient:innen bei Vivantes behandelt, 25 auf Intensivstationen, von ihnen müssen 11 beatmet werden, zwei erhalten High Flow Sauerstoff", sagte Vivantes-Sprecherin Mischa Moriceau rbb|24.

Einen Automatismus von verschobenen Operationen gebe es aber nicht. Nach wie vor werde auch dort nach Möglichkeit weiterhin operiert. Dies betreffe insbesondere Notfälle. "Es müssen jedoch auch planbare Operationen – wie HNO-Eingriffe, oder beispielsweise orthopädische Gelenk-Operationen - verschoben werden, um ausreichende Kapazitäten für Covid-Patient:innen vorzuhalten", führte Moriceau weiter aus.

Aus Vivantes' Sicht wäre daher eine Freihaltequote durch die Politik wünschenswert; insbesondere mit Blick auf die steigenden Fallzahlen, die Notwendigkeit schnell verfügbarer Betten und eine ausgewogene Verteilung über alle Träger, so Moriceau. Kollegin Corinna Schwetasch stimmte zu.

Patienten mit akuten Problem müssen in eine Klinik kommen

Auch wenn Krankenhaus-Kapazitäten immer knapper würden, "rufen wir die Bevölkerung klipp und klar auf: Jeder der ein akutes Leiden hat, dass sofort behandelt werden muss - wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder andere schwere Erkrankungen, möge ins Krankenhaus kommen. Diese Patienten werden dort versorgt."

Sendung: Abendschau, 22.11.2021, 19:30 Uhr

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Beitrag von Georg-Stefan Russew

21 Kommentare

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  1. 21.

    Es ist so schrecklich ... habe leider solchen "Fall" momentan in der Familie.
    Leider denken einige Menschen nicht weiter, wenn es sie selbst oder ihr Umfeld nicht betrifft.
    Ich wünsche Ihnen weiterhin beste Gesundheit!

  2. 20.

    Bei allen privatisierten Krankenhäusern in Deutschland geht Rendite vor Gesundheit. Die staatlichen Steuerzuschüsse in Milliardenhöhe wurden und werden nicht an die Steigerung des Personalschlüssels gebunden. Das ist der Kardinalfehler der Politik in allen Bundesländern und des Bundes.

  3. 19.

    Woher nehmen Sie diese Zahlen? Intensivbetten sind nicht mit Betten auf Normalstation vergleichbar.

    Bitte nennen Sie die Quelle zu Ihrer Aussage!

  4. 18.

    Ich bin doch sehr erstaunt was hier so für Dinge verbreitet wird. Sind Sie der Intensivbettenkoordinator von gesamt Berlin? Oder woraus resultiert ihr Wissen?

  5. 17.

    "...wenn bei dieser geringen intensiv Belegung schon Not am Mann ist..."
    Die ITS Belegung beträgt in Deutschland heute über 3800 Patienten und es werden täglich mehr ,so dass ein Ende noch nicht in Sicht ist.
    Das IST eine richtige Katastrophe.
    Vor allen Dingen eine , die durch Impfungen zum großen Teil vermeidbar gewesen wäre.

  6. 16.

    Das diese Leute das Krankenhaus nicht selbst bezahlen müssen verstehe ich nicht. Sie lassen sich vorsätzlich nicht impfen und wurden somit auch vorsätzlich krank. Vorsatz ist in keiner Versicherung gedeckt. Das heißt keine Versicherung muss bei Vorsatz bezahlen.

  7. 15.

    Die 5000 Betten sind nicht abgemeldet ,sondern durch Kündigungen und Arbeitszeitverkürzungen der Intensivpflegekräfte und Ärzte nicht mehr vorhanden.
    Man kann sich vorstellen, wieviel von den jetzigen Pflegekräften nach der jetzigen Welle sich auch von diesem Job verabschieden werden, durch die ständige Dauerbelastung. Dann hat unser Gesundheitssystem ein richtiges Problem, denn Ersatz ist nicht so einfach zu bekommen.
    Und alles weil eine Minderheit von Egoisten die Impfung verweigern , weil ihnen ihre sog. Freiheit wichtiger ist.
    Das Problem sind nun mal die Ungeimpften.

  8. 14.

    Wenn bei dieser geringen intensiv Belegung schon Not am Mann ist in Berlin, na dann kommt hoffentlich nicht wirklich mal eine richtige krasse Katastrophe.
    Oh weia und wie Leute wie motte das auch noch gutheißen macht die Sache noch schlimmer und dadurch wird sich niemals was ändern.

  9. 13.

    Seit Beginn der Corona-Pandemie und die damit verbundenen Folgen in den Krankenhäusern kann ich mir nur glücklich schätzen, dass mein Hirntumaor bereits im November 2019 festgestellt und im Dezember 2019 operiert wurde.
    Nach Auskunft meiner behandelnden Ärztin wäre dies auch eine aufschiebbare OP gewesen. Meine einseitige Gesichtslähmung, Probleme mit dem schlucken (Verschlucken, Erstickungsgefahr) hätten nicht mit einer Bestrahlung behandelt werden können. So bin ich heute beschwerdefrei und auch die Nachuntersuchungen verliefen positiv für mich.
    Wenn ich dann lesen muss, dass anderen Tumor-Patienten gesagt werden muss, dass es aktuell nicht geht und zunächst eine Chemotherapie oder Bestrahlung versucht wird, kommen mir die Tränen. ich hoffe, den Menschen wird bewußt, das so manche Entscheidung nicht nur das eigene Leben betrifft, sondern auch das Leben anderer.

  10. 12.

    So, jetzt mal nachgedacht China ist egal in welcher Form für die Coronapandemie verantwortlich. Diese Regierungskonstelltation sollte angegangen werden. Denen ist kein Menschenleben wert.

  11. 11.

    Ja, Vivantes halt, Berlin.
    Bei Helios (Fresenius) , Dax notiert gibt's noch freie Betten, auch auf ITS.
    So ist das, wenn der große Zampano Berlin auf Privatwirtschaft machen will. Geht halt immer in die Hose, IMMER!

  12. 10.

    Ergänzend möchte ich noch hinzufügen, dass es ungeachtet der Anzahl der Intensivbetten an Personal mangelt, diese zu betreiben.

  13. 9.

    So ist es. Die Anzahl der Betten ist relativ. Das Personal arbeitete im Grunde seit Beginn der Pandemie 24/7. Erst die COVID Patienten, dann kamen zwischendurch die aufgeschobenen OP und nun wieder COVID. Dass da Personal flüchtet oder einfach abgebrannt ist kann wohl jeder verstehen. Aber es kommt noch etwas anderes dazu. Die COVID Patienten blockieren Intensivbetten länger als „normale“ Notfälle. Und wenn die Impfquote besser wäre, müssten nicht mehr viele Betten für COVID vorgehalten werden oder mit solchen Patienten belegt werden. Genau das ist das aktuelle Problem. Wir haben eine Lösung. Nämlich das Impfen. Es verhindert nachweislich eine Überlastung der Krankenhäuser. Das Problem sind die Ungeimpften. Sachsen geht schon von der Notwendigkeit einer Triage aus.

  14. 7.

    Die Betten allein nützen nichts, denn die Patienten können sich nicht selbst versorgen. Das Personal fehlt, auch weil viele Pflegekräfte die Schnauze voll haben und gekündigt haben. Viele sind auch krank wegen permanenter Überlastung.

  15. 6.

    vermutlich wegen fehlendem Personal abgemeldet , das Bett allein hilft nicht, das hat man auch zuhause

  16. 5.

    Ich würde zum genauen Vergleich auch gern mal Zahlen zu den abgesagten OP's wissen.

  17. 4.

    Was würden die 5000 Betten an der Gesamtsituation ändern? Sie haben eine recht kindliche Vorstellung, nichts für ungut. Das es immer noch Menschen gibt, die die Lösung in der Anzahl der Betten sehen, unvorstellbar. Ein Intensivbett bedeutet immer ein Ringen um Leben oder Tod, wer denkt denn, dass das Intensivbett die Lösung aller Probleme wäre. Wären allerdings alle geimpft, hätten wir diese Diskussion gar nicht.

  18. 3.

    Ich mich unverständlich weil durch solche Egoisten andere Patienten leiden müssen und nicht ihre richtige Behandlung bekommen können. Danke an die Egoisten die sich nicht impfen lassen wollen und den anderen das Leben richtig versauen. Wenns nach mir gehen würde würden alle Ungeimpften ihre Behandlungen bei Ärzten und im Krankenhaus selber aus eigner Tasche zahlen lassen und nicht auf Kosten der Gesellschaft geheilt werden.

  19. 2.

    Für 5000 intensivbetten innerhalb eines Jahres abmeldet muss sich nicht wundern.

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