Stark steigende Corona-Zahlen - Intensivmediziner fordert Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte

Mo 15.11.21 | 11:50 Uhr
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Symbolbild: Intensivpflegerin Sandy Plückhahn (l) und Mirjana Suljagic, Röntgen-Assistentin, bereiten am 20.04.2021 auf der Intensivstation des Krankenhauses Bethel Berlin einen an Covid-19 erkrankten Patientin für eine Röntgenaufnahme der Lunge vor. (Quelle: dpa/Kay Nietfeld)
Video: Brandenburg Aktuell | 15.11.2021 | R. Wittig | Bild: dpa/Kay Nietfeld

Schon in wenigen Wochen könnte der bisherige Höchststand von Corona-Patienten auf Intensivstationen in Deutschland überholt werden. Davon geht der Intensivmediziner Karagiannidis aus. Im rbb fordert er neue Einschränkungen – auch für Geimpfte.

Ein Dammbruch droht in den nächsten Wochen auf den Intensivstationen in Deutschland, wenn nicht schnell und deutlich gegengesteuert werde - davon geht Christian Karagiannidis, Präsident der Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin aus, wie er am Montag im Inforadio des rbb sagte. Grund seien weiterhin neu eintreffende Corona-Patienten.

Am Wochenende sei erstmals während der vierten Welle bundesweit die Zahl von 3.000 Covid-Intensivpatienten überschritten worden, sagte der in Nordrhein-Westfalen praktizierende Intensivmediziner im Interview. "40 Prozent davon verteilen sich auf Thüringen, Sachsen und Bayern", so Karagiannidis.

Es müsse davon ausgegangen werden, dass weiterhin täglich "50 bis 100 weitere Corona-Infizierte in Intensivstationen eingeliefert werden müssen. "In zehn Tagen sind wir bei 4.000 Patienten", warnte er. Den Höchstwert erreichten Kliniken in Deutschland in diesem Bereich am 3. Januar 2021. Damals lagen 5.745 Covid-Patienten auf deutschen Intensivstationen. Setzt sich die aktuelle Entwicklung fort, wäre dieser Wert bereits in wenigen Wochen, nämlich Mitte Dezember, erreicht.

Mehrheit der Patienten ist unter 60 - und ungeimpft

Am besten unverzüglich müssten Patienten aus Thüringen, Bayern und Sachsen in andere Bundesländer, dabei insbesondere in nördliche und westliche, verlegt werden, forderte Karagiannidis im Inforadio-Gespräch. Nur so könne in den aktuell besonders stark betroffenen Regionen eine Überlastungssituation vermieden werden.

Zur Zeit lägen vor allem jüngere und ungeimpfte Menschen unter 60 Jahren auf den Intensivstationen, ihr Anteil mache allein 40 Prozent aus, so der Intensivmediziner. Hinzu kämen aber immer öfter auch Ältere über 60 Jahren und chronisch Kranke sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem. "Hier beobachten wir auch Impfdurchbrüche und schwere Verläufe. Auffrischungsimpfungen nach fünf bis sechs Monaten hätten hier geholfen", so Karagiannidis.

Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte?

Am Wichtigsten seien nun deutliche politische Entscheidungen, die auch Kontaktbeschränkungen für Geimpfte vorsehen sollten, so Karagiannidis weiter. "Egal was wir tun, wird sich frühestens sieben bis zehn Tage später auf den Intensivstationen zeigen. Wir müssen also extrem schnell und schon Anfang der Woche handeln." Helfen könnten Auflagen auch für Geimpfte, fordert er: "Kontaktbeschränkungen, wo immer es geht, sind hilfreich. Jeder muss sich gut überlegen, ob er jetzt wirklich ins Stadion oder auf eine Party mit 50 Leuten gehen muss."

Zu einem Lockdown nur für Ungeimpfte, wie er jetzt in Österreich praktiziert wird, äußerte er sich derweil zurückhaltend: "Klar ist, dass auch in Deutschland die Inzidenz unter Ungeimpften um Faktor zehn über dem der Geimpften liegt. In Österreich stehen die Kollegen mit dem Rücken zur Wand", so Karagiannidis. In Österreich liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei 849,2, in Deutschland bei 303.

Booster-Impfungen wichtig für Anfang nächsten Jahres

Karagiannidis rief erneut alle Menschen dazu auf, eine "Booster"-Impfung vornehmen zu lassen, "denn Daten aus Israel zeigen, dass dies deutlich vor einem schwerem Verlauf schützt."

Auf das derzeitige Infektionsgeschehen hätten Booster-Impfungen aber nur verzögert Auswirkungen: "In den nächsten drei bis vier Wochen würde es durch das Boostern keinen großen Effekt geben, wohl aber auf den R-Wert", so Karagiannidis. Mit Boostern könne verhindert werden, dass Jüngere, die nicht schwer erkranken, das Virus weitergeben. "Und das ist das, was wir im Januar, Februar, März brauchen. Denn die jetzige vierte Welle wird, egal was passiert, nicht beendet sein nach Weihnachten. […] Und dafür reicht mir die Impfgeschwindigkeit bei Weitem nicht aus."

Vivantes-Chef: "Das wird heftig für uns"

Derweil füllen sich auch die Intensivstationen in der Region weiter. In den acht Berliner Vivantes-Kliniken, wo fast ein Drittel aller stationären Patienten der Stadt versorgt werden, liegen derzeit 100 Covid-Patienten. Davon liegen 20 auf der Intensivstation, von ihnen sind zwei Drittel nicht geimpft, die Hälfte wird beatmet, sagte Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Vivantes-Geschäftsführung, am Montag Radioeins vom rbb. Es hätten auch schon einige Operationen abgesagt werden müssen. Die Vivantes-Kliniken müssten sich in den kommenden Wochen wohl noch stärker auf dringliche und Notfall-OPs konzentrieren müssen, kündigte Danckert an.

Unter den Beschäftigten sei die Frustration "sehr groß, denn diese Situation hätte ja verhindert werden können, die Impfstoffe sind da. Niemand bei uns versteht, warum man sich nicht impfen lässt", so Danckert. Er geht in den kommenden Wochen von einer weiteren Zuspitzung der Lage in den Intensivstationen aus: "In zwei bis drei Wochen werden wir das aktuelle Inzidenzgeschehen in unseren Krankenhäusern sehen, das wird heftig werden für uns."

Sendung: Radioeins, 15.11.2021, 9:10 Uhr

 

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48 Kommentare

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  1. 48.

    Ja, irgendwie ist die Aussage in der Form widersprüchlich.
    Siehe auch RKI-Bericht ab S. 21ff dazu:
    https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-11-11.pdf?__blob=publicationFile

  2. 47.

    Eine Impfpflicht für Alle wird es nicht geben (zumindest jetzt noch nicht). Zum einen ist da Art. 2 GG noch zu beachten und zum anderen können sie das hier nicht so ohne weiteres mit der Pocken oder Masernimpfung vergleichen. Dazu müsste der vorhandene Impfstoff zu 100% wirksam sein. Leider ist keiner der Impfstoffe im Moment so gut. Deshalb wird es keine allgemeine Impfpflicht geben.
    Eher schon für bestimmte Berufsgruppen, weil dort die gesetzlichen Hürden niedriger sind.

    So hat mir das jedenfalls ein Freund (Jurist) erklärt.

  3. 46.

    Dass das keine Pandemie der ungeimpften ist, hat ja Herr Dorsten schon klargestellt. Es häufen sich Infektionen auch geimpfter, wenn die 6 Monate vorbei sind. Inzwischen sind 42% der wegen Corona ins Krankenhaus eingewiesenen doppelt geimpft, noch vor 1 Monat eine Seltenheit. Da haben sich wohl manche geimpften allzu sorglos zu Kaffeekränzchen und singen getroffen, sind zu Fußballspielen, oder sogar zu Indoor-sport-oder Tanzveranstaltungen mit fast vollen Häusern geströmt. Ich nehme mir morgen den Booster, mal sehen, wie lange der Schutz dann anhält, ob man im Frühjahr 22 nicht wieder dran ist.

  4. 43.

    Einfach bei Doclib anmelden und Termin suchen dort werden immer wieder welche frei
    Ja nun sind viele Reisende zurück ,und die haben auch einiges im Gepäck gehabt
    Es muss eine Einheitliche Regel her
    Nicht Geimpfte und Ungeimpfte gegeneinander aufhetzen
    Die Politik wollte vorher die Zweiklassengesellschaft vermeiden
    Redet den Ungeimpften lieber gut zu
    Von uns noch ein Tipp ,von alle Spandauer.
    Alle Medikamenten können Nebenwirkungen haben also keine Angst
    liebe Ungeimpften ist der Tod euch Vertrauter als der Schutz für dich deine Kinder und dein Nächsten .
    Überlegt nicht lange nachher können Intensiv Patienten nicht mehr behandelt werden
    Und dann kommt es soweit das nur Geimpften ins Krankenhaus die Behandlung bekommen
    Es ist 5 vor 12uhr

  5. 42.

    War vor ca. 3 Wochen ,bei 2G,im Zoo Palast.Es stand in der 2G Erklärung, dass dort auf Abstand verzichtet wird und auf die Maske! Wenn Sie das nicht möchten, sollten Sie keine 2G Veranstaltung besuchen.

  6. 41.

    Da denken Sie falsch oder können Sie mir sagen, weshalb ein junger, gesunder und geimpfter Mensch ein mulmiges Gefühl auf Großveranstaltungen haben sollte?

  7. 40.

    Einfach bei Doclib anmelden und Termin suchen dort werden immer wieder welche frei
    Ja nun sind viele Reisende zurück ,und die haben auch einiges im Gepäck gehabt
    Es muss eine Einheitliche Regel her
    Nicht Geimpfte und Ungeimpfte gegeneinander aufhetzen

  8. 39.

    Ich bin für einen Test für alle die ein Klinkum betreten.
    Das hatte schon mal funktioniert und sollte wieder eingeführt werden solange wir in der vierten Welle sind.

  9. 38.

    Egal was beschlossen wird, es hält sich sowie so kaum einer dran. Heute FFP2 Maskenpflicht im Nahverkehr in Brandenburg, 80% müssten diese verlassen. Unkenntnis oder das es den Menschen schlich weg egal ist führt dazu das beschlossene Maßnahmen nicht umgesetzt werde . Auch die 3G Regeln läuft mangels Durchsetzbarkeit ins leere. Die Politik hat sich von der Realität weit entfernt, da Behörden nicht mehr Handlungsfähig sind beschlossen Maßnahmen durchzusetzen.

  10. 37.

    Es hat nie irgendwo jemand gesagt das nach dem Impfen alles vorbei ist.... Nur werde ich mich definitiv nicht mehr einschränken, wenn es mir zu voll ist nehme ich automatisch Abstand ein und trage Maske.

  11. 36.

    Niemand hat suggeriert, dass einen die Impfung komplett schützt. Das Problem ist die immer noch geringe Impfquote. Und nein, man sollte geimpfte Menschen nicht weiter einschränken. Aber natürlich an die Eigenverantwortung appellieren. Das eigentliche Dilemma sind die Ungeimpften. Jede Impfung bringt uns einen Schritt weiter. Aber jeder muss das für sich selbst begreifen. Nur für bestimmte Berufsgruppen sollte eine Impfung zur Auflage werden. Dort, wo Risikopatienten sind.

  12. 35.

    @ Hoffnungsvoll: Ich weiß gar nicht, wo Sie Nachrichten schauen. Kann mich jedenfalls nicht erinnern, das mir jemand suggerieren wollte, das nach 2 Impfungen alles vorbei ist. Selbst im Impfzentrum sagte man mir, das wir uns zur Auffrischung wiedersehen werden. Damals hieß es noch nicht boostern.

  13. 34.

    Ich freue mich auf die Impfflicht für die Mitfahrt bei DB und Nahverkehr.
    Die Verbünde und Bahn AG haben vorher schon gejammert über ihre Rekordverluste.

    Das wird ein Spaß. Während ich mit dem privaten PKW fahre, meine Ruhe habe von ständigen Durchsagen, keine Maske tragen muss und nicht im Winter frieren muss wenn dder Zug ausfällt oder die Heizung kaputt ist,

    dürfen die ganzen Geimpften bis zu 30 Prozent künftig mehr zahlen für ihr Abo und ihre Zeitkarte, um die ganzen Verluste wieder reinzuholen die durch die verfassungswidrige Ausschluss von nicht geimpften Nutzern entstehen.

    Es werden noch witzige Zeiten.

  14. 33.

    "Noch gibt es kein wirksames Medikament ."

    Doch gibt es. 2 Stück. Hat die Frau von der Leopoldina neulich bei Lanz vorgestellt.
    Ist nur noch nicht zugelassen und wenn wir auf die LMA Agentur in Brüssel warten ist die Pandemie vorbei bis das zugelassen ist.

    Siehe Sputnik

  15. 32.

    Die Infektionszahlen steigern sich ins Unermessliche und die neu gewählten Politiker labern uns mit "verschäften" Maßnahmen 2G und 3G voll. 2G=Masken und Abstände egal (das klingt für AFD und FDP schön) und vom "Ende" der pandemischen Lage, sowie 3G in Zügen. Bitte WER kontrolliert das (seit Wegfall der Bahnsteigsperren)? Wie soll das funktionieren, etwa im Sprinter ICE? Werden die "Illegalen" beim nächsten Betriebshalt entsorgt? Man wird Merkel und Müller zurückwünschen.

  16. 31.

    Politiker Habens in diesen Zeiten nicht leicht. Sie müssen einerseits den Ungeimpften davon überzeugen, dass die Impfung wirkt und dass deshalb all die repressiven Maßnahmen, wie 2G/3G notwendig und gerechtfertigt sind. Andererseits müssen sie den Geimpften erklären, dass die Impfung nicht wie versprochen wirkt und deshalb der Booster und evtl. ein weiterer Lockdown notwendig sind.

    Es ist schon alles gesagt. - Aber noch nicht von jedem...

  17. 30.

    … hoffentlich hört mal irgendjemand in der Landespolitik, was die Fachleute und Praktiker aus dem Gesundheitswesen jetzt schon seit Wochen und Monaten vorbeten: ohne Impfung klar weniger Bewegungsfreiheit, auch mit Impfung Test- und Maskenpflicht, Homeoffice-Pflicht für Bürojobs, scharfe Kontrollen, keine Großevents und leider auch keine Innengastronomie mehr. Wer nach zwei Jahren immer noch nicht genug Gemeinschafts- und Verantwortungsgefühl dafür aufbringt, sollt jetzt zu Hause hocken bleiben müssen. Die Portugiesen sind nicht solche Luschen …

  18. 29.

    Es war genug Zeit und Gelegenheit, sich ohne Termindruck impfen zu lassen!

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