Stiko-Empfehlung steht aus - Warum ein Berliner Hausarzt bereits Unter-12-Jährige impft

Fr 12.11.21 | 19:27 Uhr
Symbolbild: Ein junges Mädchen erhält eine Impfung. (Quelle: dpa/L. Perenyi)
Audio: Inforadio | 12.11.2021 | Jenny Barke | Bild: dpa/ L. Perenyi

Die Inzidenz bei Kindern und Jugendlichen liegt drei Mal so hoch wie der Gesamtwert in Berlin. Für einen Hausarzt in Berlin einer der Beweggründe, warum er die Impfung der Unter-12-Jährigen bereits anbietet - obwohl es für sie noch keine Impf-Empfehlung gibt.

Sebastian Meier* ist niedergelassener Hausarzt in Berlin. Seit es den Impfstoff gegen Corona gibt, hat er ihn unzählige Male an seine Patienten verimpft. Darüber, dass er auch Unter-12-Jährige impft, möchte er anonym sprechen. Sein richtiger Name soll also nicht genannt werden. Zu groß ist Meiers Angst, dass er wegen seiner Arbeit von Impfgegnern bedroht werden könnte.

rbb|24: Herr Meier, warum impfen Sie als Hausarzt bereits fünf- bis elfjährige Patientinnen und Patienten?

Sebastian Meier: Wir haben zunächst als Praxis Impfungen für schwer erkrankte Kinder angeboten, die zum Beispiel eine Chemotherapie bekommen. Zwischen den Zyklen haben diese Kinder die Impfung bekommen. Die Nachfrage ist mit der Zeit gewachsen, sodass wir uns dann ein bisschen auf die Off-Label-Impfungen spezialisiert haben. Die haben wir zunächst vor allem in Sonderfragen eingesetzt, zum Beispiel bei Familien, wo schwerstkranke Angehörige mit gesunden Kindern zusammen wohnen, um einen Nestschutz herzustellen.

Seit einer Woche ist die Impfung für Unter-12-Jährige in den USA erlaubt. Das hat hier zu einem großen Erwartungsdruck geführt. Der Bedarf ist riesig. In allen Kinderarztpraxen hört man, dass das Telefon ständig klingelt und darum gebeten wird, die Impfungen für kleinere Kinder anzubieten. Das ist der Elternwunsch und wir merken, dass das auch die Kinder wollen.

Können Sie kurz schildern, wer mit einem Impfwunsch zu Ihnen kommt und warum?

Sowohl Eltern als auch Kinder selbst fragen nach, ab wann die Impfung für sie in Frage kommt, ob es schon möglich ist, ob man eine Ausnahme machen kann. Der Grund für den Wunsch nach einem Impfschutz ist oft Angst. Wir sehen die Zahlen immer weiter steigen. Berlin wandelt sich langsam - in den nächsten sechs Wochen, wenn nicht doch nochmal was passiert - in ein Bergamo. Und das ist auch den Eltern bewusst, die befassen sich oft damit und haben dementsprechend den Wunsch.

Die Therapiefreiheit erlaubt es Ärztinnen und Ärzten, "auch ohne Zulassung oder Empfehlung" Impfungen an Kindern vorzunehmen. Haben Sie also keine Sorge vor Konsequenzen?

Es ist im Fall der Off-Label-Impfung ganz wichtig, dass die zu impfende Person so wie beide Elternteile oder Sorgeberechtigten einen Haftungsausschluss unterschreiben. Den überprüfen und dokumentieren wir dann medizinisch und entsprechend ist es auch erlaubt, zu impfen.

Ich habe mich dafür entschieden, diesen Weg zu gehen, weil wir diesen Bedarf haben. Und dann möchte ich den Menschen auch die Möglichkeit geben, sich für die Impfung zu entscheiden, auch für Kinder. Solange es im Rahmen der Wissenschaft vertretbar ist, können wir das auch machen und deshalb führen wir diese Impfungen auch durch.

Dennoch wollen Sie lieber anonym bleiben. Warum?

Leider ist das ein sehr sensibles Thema. Wir haben immer wieder Konflikte mit Menschen bekommen, die anderer Meinung sind und deren Meinung betrifft nicht sie selbst, sondern andere Individuen. Dann versuchen sie, aus Wissenschaft Meinung zu machen, dementsprechend bedrohen sie auch ärztliches Personal, Hilfspersonal, Krankenhäuser, Rettungsstellen, selbst auf Intensivstationen gibt es Ärger.

Gerade bei dem heiklen Thema muss man erst mal gucken, dass man keine schlafenden Hunde weckt. Gleichzeitig ist es so, dass wir – und das gehört tatsächlich zur gesetzlichen Regelung dazu – keine Werbung für die Off-Label-Impfung machen. Also nicht versuchen, irgendwelche Menschen hinter dem Ofen hervorzulocken, damit sie bloß zu uns kommen, damit wir damit Geld verdienen können. Das wollen wir eben nicht, das dürfen wir auch nicht. Wir machen das auch nicht aus finanziellen oder sonstigen materiellen Gründen, sondern nur, um den Bedarf zu decken.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Jenny Barke.

*Name durch die Redaktion geändert

Sendung: Inforadio, 12.11.2021, 17:25 Uhr

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