Corona-Kontrollen - Was die 3G-Regel auf Bahnsteigen für Obdachlose bedeutet

Do 09.12.21 | 12:57 Uhr | Von Katharina Kuhnert
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Obdachlose Frau sitzt morgens im U-Bahnhof Tempelhof auf einer Bank und schläft, aufgenommen am 04.10.2021. (Quelle: dpa/Matthias Tödt)
Video: rbb|24 | 09.12.2021 | Material: Abendschau | Bild: dpa/Matthias Tödt

Seit Mittwoch gilt die 3G-Regel im Berliner Nahverkehr auch auf Bahnsteigen. Die Regel betrifft damit nicht nur Fahrgäste, sondern auch Menschen ohne Obdach, die in Bahnhöfen Schutz vor Kälte und Nässe suchen. Von Katharina Kuhnert

Am Bahnhof Zoo, am Alexanderplatz und an allen anderen kleinen und großen Berliner Bahnhöfen gilt jetzt 3G auf den Bahnsteigen. Für die zahlreichen Fahrgäste der BVG und S-Bahn, die den Berliner Nahverkehr nutzen und am Bahnsteig auf ihren Zug warten oder jemanden zum Zug begleiten. Aber auch für diejenigen, die dort Schutz vor Kälte und Nässe suchen - Menschen ohne Obdach.

Davon gibt es einige, gerade jetzt, wo die Temperaturen auch tagsüber um den Gefrierpunkt liegen und es schneit, sind sie auf trockene und wärmere Orte angewiesen. Die Berliner Stadtmission habe dennoch Verständnis, dass es keine Ausnahme für Menschen ohne Obdach im Gesetz gibt und versuche, Lösungen anzubieten.

Problematisch ist es vor allem tagsüber

"Was für uns alle gilt, gilt eben auch für obdachlose Menschen, da kann man schwer um eine Ausnahme bitten", äußerte sich Barbara Breuer von der Berliner Stadtmission zu den neuen 3G-Regeln auf Bahnsteigen. Dennoch sei die Regelverschärfung gerade jetzt problematisch: "Obdachlose Menschen haben es seit Beginn der Pandemie schwerer, ihr Leben so weiter zu leben, wie sie es vorher gemacht haben. Jetzt kommt der Winter, im Winter ist es kalt, das heißt: Warme Aufenthaltsorte sind Mangelware. Von Abends 20 Uhr bis Morgens sind die Notunterkünfte geöffnet, tagsüber müssen sich die Menschen einen Ort suchen."

Die BVG teilte dem rbb auf Anfrage mit: "Ausnahmen für Menschen ohne Obdach sind in den Gesetzen nicht vorgesehen." Allerdings soll es Angebote geben: "Selbstverständlich sind wir im Umgang mit unseren besonders schutzbedürftigen Mitmenschen auch und gerade in der jetzigen Situation äußerst behutsam, verweisen auf Anlaufstellen, rufen gegebenenfalls Hilfe und schicken niemanden allein in die Kälte."

Kontrolleure sollen Hilfe bieten

Die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitspersonal der Berliner S-Bahn lobt Barbara Breuer, es gehe bei der Kooperation vor allem darum, schnell Hilfe leisten zu können, wenn sich ein Mensch ohne Obdach, der weder einen Impf- noch einen Testnachweis dabei hat, auf einem Bahnsteig aufhält. Die Kontrolleure sollen dann Hinweise geben, wo die nächste Notunterkunft ist oder die mobilen Helfer der Berliner Stadtmission kontaktieren, statt nur einen Platzverweis zu erteilen.

Auch einige der Menschen ohne Obdach zeigen gegenüber dem rbb Verständnis für die neue Verordnung. "Ich weiß gar nicht, was man dazu sagen soll: Das ist gegeben, eine Regel an die man sich hält", sagt Rolf dem rbb-Kamerateam, er selbst sei ohnehin geimpft. Ein anderer, Karl-Peter, gibt an, sich zwei Mal die Woche testen zu lassen und findet, das müsse "aber auch reichen."

CDU kritisiert, Senat verweist auf Impf- und Testangebote

Die Berliner CDU kritisierte in einer Mitteilung am Donnerstag die rot-rot-grüne Regierung dafür, dass die neue 3G-Regel auf Bahnsteigen auch für Menschen ohne Obdach gilt. Der Fraktionsvorsitzende Kai Wegner nannte es "ein Zeichen maximaler sozialer Kälte." Als Maßnahmen fordert die Oppositionspartei Kältebusse und Impfangebote an "hochfrequentierten Bahnhöfen und Brennpunkten", sowie "schnelle, unbürokratische und praktikable Lösungen."

Die zuständige Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales verweist auf bestehende Impf- und Testangebote: "Wir unternehmen alles, um Obdachlosen eine Impfung zu ermöglichen. Das Testangebot speziell für obdachlose Personen haben wir erheblich ausgeweitet. Wir stellen Tests auch für Tagesangebote zur Verfügung, so dass Obdachlose die 3G-Bedingung erfüllen", heißt es auf Anfrage des rbb.

Die Berliner Stadtmission gibt an, dass in ihren Wohnheim 50 bis 60 Prozent der Menschen das Impfangebot wahrgenommen hätten. Das ist zwar ein Stück unter der Gesamtbevölkerung in Berlin, zeige aber: "Auch die Menschen ohne Obdach verstehen, dass sie sich am besten damit schützen können", sagt Barbara Breuer. Und zumindest bei der Berliner Stadtmission reichen zur Zeit auch die Tests noch aus - trotz hoher Nachfrage und der neuen Regeln.

Sendung: rbb24, 08.12.2021, 21:45 Uhr

Beitrag von Katharina Kuhnert

74 Kommentare

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  1. 74.

    @HomelessMadeFood, Impfen und testen lassen. Obdachlosigkeit hat viele Gesichter und Gründe und ich will darüber auch garnicht urteilen. Aber leider gibt es gerade eine gefährliche Krankheit, die Menschen auf Intensivstationen bringt oder schlimmer, und das eventuell nur, weil Sie sich nicht aussuchen können, wessen Atemluft sie auf den Bahnhöfen einatmen.
    Impfen und oder Testen ist eine sinnvolle Alternative!

  2. 73.

    Wenn Notunterkünfte wegen des Verbots von Alkohol und Drogen gemieden werden, dann haben diese Obdachlosen selber Schuld. Man muss sich entscheiden: Will man seinen Rauschkonsum ausleben - oder auf Kosten der Allgemeinheit ein warmes Dach über dem Kopf haben? Diese Leute sind kein Fall für die BVG, sondern für eine Entzugsklinik. Klar muss diesen Menschen geholfen werden. Dafür gibt es zuständige Behörden und gesundheitliche Einrichtungen. Das nicht aber absolut nicht die Aufgabe von Bahnunternehmen und deren Infrastruktur wie U-Bahnhöfen.

  3. 72.

    https://www.tagesspiegel.de/wissen/erste-berichtete-booster-durchbrueche-mit-omikron-sieben-junge-deutsche-infizieren-sich-in-suedafrika-trotz-dritt-impfung/27879838.html

    Also 2G-Regel wird die Pandemie besiegen!!!!

  4. 71.

    "Was für uns alle gilt, gilt eben auch für obdachlose Menschen, da kann man schwer um eine Ausnahme bitten" Das sehe ich etwas anders, denn zum einen gilt für jeden nicht obdachlosen Menschen, das er ein Zuhause hat und daher nicht darauf angewiesen ist Schutz vor Kälte und Nässe in einem U-Bahn Hof zu suchen, und zum zweiten ist bzw. Sollte Obdachlosigkeit ein Ausnahmezustand sein. Warum also daher nicht "um eine Ausnahme bitten"? Notunterkünfte u.ä werden wie hier schon öfter erwähnt von vielen obdachlosen gemieden und das auch aus gutem Grund. Die Menschen wiederholt über die Existenz von Notunterkünften aufzuklären ist, und kann keine Lösung sein, denn meist führt nach dieser Aufklärung der Weg nach draußen und somit Kälte. Natürlich gibt es einige obdachlose die sich in U-Bahn Höfen und anderen Orten daneben benehmen, aber das gilt bei weitem nicht für alle. Möglicherweise bin ich als Obdachloser ein wenig voreingenommen, diesen Satz konnte ich jedoch nicht unkommentiert lassen.

  5. 70.

    "Die Leute haben da eh nichts zu suchen"

    Das legen Sie fest oder wie?
    Mich erschreckt, welche menschlichen Abgründe hier zu Tage treten.
    Leute: Obdachlose sind auch Menschen! Und genau deshalb gilt auch für sie, dass ihre Würde nicht antastbar ist!
    Interessant hingegen: Die Leute, die sonst nach Solidarität rufen, scheinen - zumindest in Teilen - selber festlegen zu wollen, wem Solidarität zusteht und wem nicht.
    Meine persönliche Meinung über diese Doppelmoral ist leider nicht zitierfähig.

    Beste Grüße

  6. 69.

    Sie tun gerade so als wenn es überhaupt keine Hilfsangebote für Obdachlose gibt. Sie werden nur aus vielerlei Gründen einzelner Obdachloser nicht angenommen. Man kann die Leute nicht zwingen wenn sie nicht wollen.

  7. 68.

    Obdachlosen muss natürlich geholfen werden. Wer aber Bahnhöfe - dauerhaft und ganz selbstverständlich - umfunktioniert zu Aufenthaltsräumen für Menschen, von denen manche sich in einem Zustand befinden und/oder sich so benehmen, dass man ihnen lieber nicht begegnen möchte, möge mir nichts mehr von "Verkehrswende" erzählen.

    Die zunehmende (auch bauliche) Verwahrlosung der Berliner U-Bahn ist - wie ich aus persönlicher Erfahrung weiß - einer der Gründe, weshalb Menschen schon vor Corona lieber ihr eigenes Auto benutzten. Die lachen einen aus, wenn man sie darauf hinweist, sie könnten doch auch den ÖPNV in dem Zustand, in dem er sich in Berlin befindet, nehmen, "Klimanotstand" hin oder her.

  8. 66.

    Nein, ich mag keine verwahrlosten Bahnhöfe. Und ja, man sollte versuchen, würdigere Unterkünfte zu finden.
    Aber unter der Überschrift "Gesundheitsschutz" Leute, die so eingeschränkt sind, dass sie keine feste Unterkunft bekommen und/oder behalten können, Im Dezember in Schnee und Kälte rauszutreiben, ist derartig unglaublich asozial, dass man sich das nicht vorstellen kann. Auch etliche der hier veröffentlichten Kommentare machen mich fassnungslos.
    "Die Würde des Menschen ist unantastbar" - ist das denn für Euch nichts mehr wert? Oder sprecht Ihr Obdachlosen das Menschsein ab?
    Mir fehlen echt die Worte!

  9. 65.

    Über viele Komentare hier, könnte ich nur noch Kot..... hoffe das diese Leute nie in so eine Lage kommen. Man was nie was für ein Schicksalsschlag diese Menschen hatten, das Sie soweit abgesackt sind. Es steckt immer eine Geschichte dahinter und das sollte man mal Bedenken.

  10. 64.

    Der ausschlaggebende Unterschied ist vermutlich, dass das Alkohol- und Drogenverbot in den Heimen gut kontrolliert wird. Auf den Bahnsteigen passiert das leider nicht, obwohl es dort genauso verboten ist. Das führt dann zu der Verwahrlosung, die man auf diversen Berliner U-Bahn-Stationen beobachten kann. Man will politisch eine Verkehrswende haben, aber lässt die Bahnstationen zu sozialen Brennpunkten verkommen.

  11. 63.

    An alle ach so guten Menschen, schauen Sie sich doch mal um ,wo diese immer mehr werdenden so genannten Obdachlosen herkommen ....aus ganz Europa!! Und nein,diese Menschen tun mir nicht leid,viele von denen wollen genau so leben. Içh habe mich oft genug mit ihnen unterhalten, viele von ihnen wollen nicht arbeiten....betteln und fremde Leistungen annehmen ist halt einfacher.

  12. 62.

    "Hinzukommt dass viele die Unterkünfte meiden, weil dort Haustiere und Alkohol verboten sind. "
    Ach ja, und in Bahnhöfen ist Alkohol, Rauchen und Dauer-Aufenthalt etwa nicht verboten?

  13. 61.

    Man muss den Leuten Angebote machen.
    Für Fixer und Drogenabhängige mit Beschaffungsmotiv allgemein, wirds eben sehr schwer.
    Es wird sicher bestimmte Prozesse beschleunigen. Manch einer wird sicher erkälten, sterben. Manch einer wird vielleicht Hilfe in Anspruch nehmen.

    Berlin wird sich dem Problem der Drogen, Sucht und sozialer Extreme allgemein stellen müssen.

    Für mich als Vater ist die Sache gut. Ich muss meinen Kindern nicht erklären, warum es so viel Elend gibt.

  14. 60.

    Ich glaube nicht ,das hier so manche, die hier , völlig Herz und gefühllose Kommentare abliefern ,überhaupt merken was sie schreiben
    In meinem Augen sollte man diesen Menschen helfen ,mit impfangeboten ,warmen Essen,,und nicht noch auf die Strasse setzen
    Viele von denen können noch nicht mal was für ihre Situation

  15. 59.

    Natürlich ist der beste Schutz vor Kälte und Gewalt immer noch die eigene Wohnung. Es müsste viel mehr dafür getan werden, dass Obdachlose die Chance erhalten, wieder in eine eigene Wohnung zu ziehen. Es braucht dringend einen anderen Blickwinkel, den die BAGW schon lange fordert: Wohnungslose sind im Wesentlichen keine Gefahrenquelle, sondern selbst besonderen Gefahren ausgesetzt.

  16. 58.

    Die in Berlin regierenden Parteien SPD und "Die Linke" standen einmal für "soziale Gerechtigkeit". Jedoch wird alles dem vermeintlichen "Gesundheitsschutz" untergeordnet. Hier zeigt sich die hässliche Fratze und Unmenschlichkeit der Verordnungswut.

  17. 57.

    Das macht einen einfach sprachlos! Viele Obdachlose haben seelische Erkrankungen, Suchterkrankungen usw. - eine Pflicht zur Impfung oder zum Testen überfordert viele einfach! Wer sich engagiert weiß wie das die Leute trifft! Bei dem Wetter die Menschen auf die Straße zu schicken ist unverantwortlich! Hinzukommt dass viele die Unterkünfte meiden, weil dort Haustiere und Alkohol verboten sind. Es werden hierdurch zwangsläufig Menschen zu schaden kommen bei dem Wetter und den Temperaturen!

  18. 56.

    "Seit Mittwoch gilt die 3G-Regel im Berliner Nahverkehr auch auf Bahnsteigen."

    Es wird immer bekloppter in diesem Land. Früher musste man für 50 Pfennig eine "Bahnsteigkarte" aus dem Automaten ziehen, wenn man seine Frau von der U-Bahn abgeholt hat.

    Was für ein Unsinn kommt wohl als Nächstes? 3G am Pfandautomaten? 3G am Altglascontainer? 3G am SB-Geldautomat?

    Oder die Maskenpflicht im eigenen PKW wenn man alleine auf dem Weg von und zur Arbeit ist?

  19. 55.

    3G ist doch ok. Man kann die Leute doch impfen!

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