Interview | Friseurin zu Corona-Lockerungen - "Der Senat tut so, als gäbe es uns nicht"

Di 22.02.22 | 15:02 Uhr
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Ein Friseurin rasiert die Haare eines Kunden (Quelle: dpa/Armin Weigel)
Bild: dpa-Symbolbild/Armin Weigel

Seit der Einführung der 2G-Regeln in Berlin dürfen Ungeimpfte nicht mehr zum Friseur, obwohl es dort strenge Hygieneauflagen gibt. Eine Salonbesitzerin aus Prenzlauer Berg ärgert sich, dass die Politik sie bei den Lockerungen einfach ignoriert.

rbb|24: Hallo Frau Zakertzewski. Wie ist bei den jetzigen Hygieneregeln die Stimmung in ihrem Laden?

Jana Zakertzewski: Die Hygienemaßnahmen tun meiner Stimmung keinen Abbruch. Ich kann ihnen nichts Schlechtes abgewinnen. Im Gegenteil, das hätte in vielen anderen Bereichen schon viel früher auch so gemacht werden können. Wir arbeiten mit Maske und Abstandsbestimmungen. Das Einzige, was jetzt weggefallen ist, sind die Kundendaten für die Kontaktnachverfolgung, die müssen wir nicht mehr erheben. Auch wenn das dauerhafte Arbeiten mit Maske natürlich für uns Friseure nicht angenehm ist. Wir graulen uns dahingehend schon ein wenig vor den wärmeren Monaten.

Ganz allgemein ist die Stimmung aber durchaus etwas gereizt. Das dauert alles so lange und es kommen auch immer wieder neue Auflagen. Das ist weder angenehm noch aufbauend.

Wenn es immer wieder neue Auflagen gibt: Blicken Sie da noch durch?

Nein! Da blickt schon lange keiner mehr durch. Das ist ja auch das Problem. Es gibt ein unglaubliches Wirrwarr. Selbst Berufsgenossenschaften, Handwerkskammern und Innungen kommen nicht eins zu eins hinterher. Sobald nach einer MPK wieder neue Regeln in die Gesellschaft geworfen werden, bekommen wir hier auch direkt Anrufe, von oft ungeimpften Kunden, die wissen wollen, was das für ihren Besuch bei uns bedeutet. Wenn sie dann erfahren, dass sie zur Zeit weiterhin auch nicht mit tagesaktuellem Test kommen dürfen, kriegen wir ihren ganzen Unmut ab, der uns noch dazu von unserer eigentlichen Arbeit abhält. Das ist total ärgerlich. Denn in der Regel erfahren wir selbst als Letzte von etwaigen Änderungen.

Von wem bekommen sie die Informationen dann, was sich geändert hat?

Wir schauen ins Netz, schauen teilweise die Pressekonferenzen. Aber ganz ehrlich, am meisten helfen uns Nachrichten-Websites. Da weiß man eher Bescheid und informiert uns, als die Kammern oder Genossenschaften oder der Zentralverband des Friseurhandwerks das tun. Und das sollten ja für uns eigentlich die ersten Anlaufstellen sein. Aber die hinken schon die ganze Pandemie über ziemlich hinterher.

Nun sollen bald Lockerungen kommen. Freuen Sie sich schon darauf?

Ich freue mich darüber als Privatperson und ich freue mich auch für jede einzelne Branche, für die gelockert wird. Insbesondere die Hotellerie und die Veranstaltungsbranche, die wirklich leidet. Aber für uns Friseure und alle anderen körpernahen Dienstleistungen gibt es derzeit nicht eine einzige Aussage zu Lockerungen bis 20. März. Wir sind weder auf Bundes- noch auf Länderebene bei einem der Stufenpläne auch nur erwähnt worden.

Für uns Friseure und alle anderen körpernahen Dienstleistungen gibt es derzeit nicht eine einzige Aussage zu Lockerungen bis 20. März. Wir sind weder auf Bundes- noch auf Länderebene bei einem der Stufenpläne auch nur erwähnt worden.

Jana Zakertzewski, Friseurin aus Berlin

Ein Friseur aus Tempelhof hat ja per Eilantrag Klage beim Verwaltungsgericht Berlin gegen die 2G-Regelung in Friseur-Salons eingereicht. Er fordert, dass Friseure und andere körpernahe Dienstleistungen mit Restaurants gleichgestellt werden. Hätten Sie das auch gern?

Ja. Zumindest, was eine 3G-Regel betrifft. Denn die Vergangenheit zeigt ja, dass sich bei den Friseuren zu keinem Zeitpunkt der Pandemie viele Menschen angesteckt haben. Wir haben auch wirklich gute Hygienekonzepte, die konsequent umgesetzt wurden.

Wir wurden auch schon oft kontrolliert vom Ordnungsamt. Die kommen dann zu dritt, man muss die Arbeit niederlegen und der ganze Laden und alle, die darin sind, werden kontrolliert. Das ist auch völlig in Ordnung.

Sie könnten Ungeimpfte mit aktuellem Test also bedienen, ohne, dass es zu maßgeblichen Ansteckungen käme?

Ich denke schon. Das konnten wir ja im Herbst auch.

Kommen merklich weniger Kunden zu Ihnen, seit Ungeimpfte nicht mehr dürfen?

Es gibt natürlich ungeimpfte Kunden, die nicht mehr kommen können. Das größere Problem ist aber die Stigmatisierung, finde ich. Ich selbst und mein ganzes Umfeld sind geimpft und geboostert. Trotzdem liegt es mir fern, über Ungeimpfte pauschal zu urteilen. Die Kunden, die bei uns nicht geimpft waren, haben alle ihre Gründe gehabt. Über die möchte ich nicht urteilen – so lange sich diese Menschen an alle anderen Regeln halten. Ich halte es einfach für unklug, diese Menschen komplett auszuschließen.

Denken Sie eigentlich, dass die Ungeimpften sich derzeit alle selbst die Haare schneiden?

Nein, ich würde eher sagen, dass ein Großteil die Haare seit der Einführung von 2G Anfang November wachsen lässt. Wir kriegen auch Anrufe, wie man da überbrücken kann – da geht es oft um die Farbe. Aber es wird sicher auch einen Schwarzmarkt geben. Doch auch der wird durch die ansteckende Omikron-Variante eher weniger geworden sein.

Das heißt, man müsste jetzt ungeimpfte Menschen an ihrer Frisur erkennen können?

Unter anderem! Obwohl es in Berlin ja auch vollkommen unabhängig von Corona öfter mal wilden Haarwuchs gibt. Wir waren dahingehend ja noch nie Vorreiter wie Mailand oder Paris.

Was würden Sie sich für Ihre Branche jetzt kurzfristig wünschen – vor allem, dass - wie es in Brandenburg ja auch sein soll - 3G möglichst bald wiederkommt?

Nein! 3G sollte nur dann kommen, wenn es von den Ansteckungszahlen und der Intensivbettenauslastung her geht. Was mich wirklich stört ist einfach, dass die körpernahen Dienste zuletzt von der Politik nicht einmal mehr erwähnt wurden. Unsere Branche kommt einfach nicht vor. Und dazu gehören ja eben nicht nur wir Friseure, sondern auch Tätowierer, Kosmetiker, private Massagepraxen, Nagestudios und so weiter. Das ist ja schon ein ziemlich großes Spektrum, da kann es doch nicht sein, dass wir gar nicht vorkommen. Der Senat tut so, als gäbe es uns nicht. Aber wir brauchen Klarheit.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

Sendung: Inforadio, 22.02.2022, 09:03 Uhr

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22 Kommentare

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  1. 22.

    Nur damit hier kein Missverständnis aufkommt. Ich achte jeden gut ausgebildeten Beruf mit einen Abschluss. Gesellenbrief. Dazu gehört auch das Friseurhandwerk. Früher brauchte ich nicht mal in ein Friseursalon gehen, da zu meinen Freundeskreis u.a. auch gelernte Friseure zählten. Hinzu kommt, ich saß schon zweimal Modell bei Vidal Sassoon in San Francisco. Kenne mich somit ein wenig aus. Heute mit 70 Jahren kommt die Haarschneidemaschine zum Einsatz wenn die Haare zu lang sind. Radikal ab damit und schon dürfen die Haare wieder wachsen. Ihr Geschäft wünsche ich alles Gute u.viel Erfolg.

  2. 21.

    ...mehr als 40 Euro die Haare schneiden? Ich z.B . Wo soll es denn mit der Wirtschaft hingehen? Mindestlohn etc. Wir können uns nicht alles selber klöppeln! :)

  3. 20.

    Wie sieht es denn in anderen Bundesländern aus? 100% erreicht? Aber ein Senat der Geimpfte gängelt ist schon ne Nummer.

  4. 19.

    Und warum verzichtet die Welt auf die ffp2 Masken ? Und das unabhängig von der impfquote

  5. 18.

    . Wahrscheinlich laufen wir hier in Berlin noch im Hochsommer mit FFP2 rum"
    Dann sollten wir uns nicht bei "der Politik" bedanken sondern eher bei den querulatorischen Streunern die meinen für ihre Freiheit alle anderen in Geiselhaft nehmen zu sollen.

  6. 17.

    Da in jedem Laden ein Hausrecht existiert kann man es doch denen überlassen wie sie öffnen.
    Wenn die Mehrheit nur noch in Läden gehen würde mit 2G würde doch jeder freiwillig unter diesen Bedingungen öffnen, da ihm sonst sehr viele Kunden wegbleiben würden.
    Nur sieht die Realität anders aus.
    Es scheint dann doch sehr wenige zu geben denen 2G wichtig ist… sah man ja am Einzelhandel.

  7. 16.

    Anscheinend will Berlin ein Muster an Strenge und den meisten Verboten sein, so war das auch unter Müller/Kalayci. Wahrscheinlich laufen wir hier in Berlin noch im Hochsommer mit FFP2 rum wenn alle anderen Bundesländer die Sonne frei genießen dürfen.

  8. 14.

    Das hat weniger mit Freiheitsliebe als mit berechtigten Zweifeln an der Logik der Maßnahmenpolitik zu tun. Eine nicht geimpfte Person darf negativ getestet und maskiert täglich mit dem ÖPNV, wo naturgemäß nicht gut Abstand gehalten werden kann, zur Arbeit fahren - unter gleichen Voraussetzungen aber 1 x im Monat bei einem Friseur mit gutem Hygienekonzept und ausreichend Abstand nicht Platz nehmen.
    "Wir als Gesellschaft müssen unter Maßnahmen länger leiden als notwendig..." ist also nicht zwingend den Ungeimpften geschuldet. Es wird Zeit, davon abzurücken, die Impfung als den Heiligen Gral zu betrachten.

  9. 13.

    Es tun ja alle so als wäre die Mehrzahl der Berliner nicht geimpft und als würden deswegen die Läden leiden. Aber ist es nicht andersrum?! Mehrzahl ist geimpft, geht fröhlich einkaufen, zur Massage, Sauna, Friseur, Schwimmbad. Und kann auf die paar Hanseln, die aus Trotz oder Dummheit die Impfung ablehnen, nicht verzichtet werden?
    Warum Politik machen für ein paar wenige statt für die Mehrheit?! Und die Mehrheit ist nun mal geimpft und bringt das Geld unter die Leute. 2G muss bleiben!

  10. 12.

    Nach Müller habe ich gedacht, schlimmer kann es nicht werden, aber Frau Giffey topt diese Unfähigkeit noch einmal !!!

    Es ist traurig und beschämend zu sehen wie eine ehemals schöne und lebenswerte Stadt von einer Betrügerin und RGR immer mehr zerstört und kaputt gemacht wird, armet Berlin, wat is nur aus dir jeworden !!!

  11. 11.

    Ich finde es eher beschämend, dass sich Leute nicht impfen, wenn Sie keinen gesundheitlichen Grund dagegen haben.
    Ich bin ein vorsichtiger Mensch, der nicht jeden Trend mitmacht. Aber die Impfstoffe sind besser erforscht als jeder andere Impfstoff und die allermeisten, wenn nicht sogar alle Medikamente. Wir als Gesellschaft müssen unter Maßnahmen länger leiden als notwendig und haben den gleichen Mist im Herbst voraussichtlich wieder. Also finde ich es überhaupt nicht schlimm, dass Ungeimpfte derzeit nicht zum Friseur gehen dürfen. Da ist mein Mitleid tatsächlich sehr begrenzt. Im Endeffekt hat nicht der Staat mit seinen - zugegebenermaßen unübersichtlichen- Regeln Schuld an den Maßnahmen, sondern in erster Linie die Menschen selbst. An vorderster Front die berüchtigten Querdenkenden und Menschen, die ach so freiheitsliebend oder vergnügungssüchtig sind. Diese sind mehr Schuld an Firmenpleiten von selbständigen Einzel- und Kleinunternehmen als der Staat.

  12. 9.

    Es gibt leider auch schwarze Schafe unter Friseuren, ich kann nur für meinen Laden sprechen....wir desinfizieren nach jedem Kunden den Kamm und auch die Maschine.

    An ihrer Haut möchte ich nichts machen,nur am Haar.

    Natürlich steht Ihnen frei sich selbst zu frisieren und auch wenn Sie meinen, das sie das ganz toll können....kann ich ihnen versichern, das man es sieht.
    Bei mir kostet ein Herren Haarschnitt 15. 95

    Mich regen die Barber auf: halten sich an keine Regeln, brauchen keinen Meister, brauchen nicht mal ne Ausbildung,machen offiziell nur soviel Kohle, das sie keine Steuern zahlen müssen....der Ruin für das echte gelernte Friseurhandwerk .

  13. 8.

    Es ist beschämend Ungeimpfte monatelang von einer Hygienedienstleistung auszuschließen. In 13 anderen Bundesländern klappt dies wunderbar unter 3G.

    Auch ich finde es unverschämt die Friseurbranche mit der Prostitution gleichzusetzen.
    Ist ja wohl Unterschied wie Tag und Nacht

  14. 7.

    Der Berufsstand Friseure leidet doch schon vor der Pandemie derartig. Ein Friseurladen gleich neben den anderen. Wer läßt sich denn heutzutage noch einen Haarschnitt für mehr als 40 Euro verpassen? Hinzu kommt ja noch, was selbst mir aufgefallen ist, das Scheren und Kämme einfach nicht regelmäßig desinfiziert werden. Die Haut ist das größte Organ am Menschen. Ich behalte mir nun vor meine Haare selbst zu schneiden. Klappt prima.

  15. 6.

    Ein toller Beitrag! Sonnenstudios gehören aus unerfindlichen Gründen auch zu Körpernahen Dienstleistungen. In Brandenburg gilt dort ab morgen 3G. Wann endlich auch in Berlin? Der Senat muss endlich handeln und die irrsinnigen Auflagen zurückfahren.

  16. 5.

    Ich habe noch nie gehört das die Handwerkskammern oder die Innung sich bei der Politik lautstark bemerkbar gemacht haben. Wurde ja alles brav mitgemacht.

  17. 4.

    Also ich bin überhaupt nicht mit 2G einverstanden und natürlich gibt es einen Schwarzmarkt.
    Man braucht nur bei Facebook lesen da wird ganz offen und schamlos gefragt.

    Das wir Friseurinhaber darunter leiden interessiert niemanden.

    Noch schlimmer finde ich als Friseurinhaber, das man mit der Prostitution gleichgesetzt wird.
    Ich lecke nicht wild an jemanden rum oder dergleichen.

    In etlichen Bundesländern gab es nie 2G für den Friseur
    Unsere 2 Berliner Damen müssen sehr unzufrieden mit ihrem Friseur sein, müssen Sie aber nicht an allen ausleben

    Nun ist ab morgen auch in Brandenburg wieder 3G... toll für Berliner Stadtrandfriseure.

  18. 3.

    Ich habe mir die Haare selbst geschnitten. Schwierig, weil nicht mehr so beweglich, ist aber ganz passabel geworden. Färbe schon immer selber mit Henna. Man gewöhnt sich ab, Dienstleistungen zu brauchen, genauso wie shopping. Man hat eh viel zu viel... Früher hat man auch vieles selbst angefertigt (gestrickt, genäht, Regale gebaut...) oder repariert. Gelernt ist gelernt - learning by doing.

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