#WirWerdenlaut - Schülervertreter wenden sich mit offenem Brief gegen Corona-Schulpolitik

Fr 04.02.22 | 08:37 Uhr
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Schüler:innen sitzen mit medizinischen Maske in einem Klassenraum (Bild: dpa/Sebastian Gollnow)
Video: Abendschau | 03.02.2022 | Kerstin Breinig | Bild: dpa/Sebastian Gollnow

Wegen der Corona-Lage an den Schulen fordern Schülervertreter in einem offenen Brief die Politik zum Handeln auf. Sie werfen ihr vor, Schülerinnen und Schüler im Stich zu lassen. Nun gibt es erste Gesprächsangebote.

Im Internet kursiert aktuell ein offener Brief von über 100 Schülervertretern - darunter auch Anjo Genow. Er ist Schulsprecher eines Berliner Gymnasiums und Mitglied des Länderschulausschusses. Die Schülerinnen und Schüler werfen der Politik darin unter dem Hashtag #WirWerdenlaut vor, sie im Stich zu lassen. Der Brief richtet sich an Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und an die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Karin Prien (CDU).

"Der aktuelle Durchseuchungsplan ist unverantwortlich und unsolidarisch", heißt es in dem Brief. "Schulen sind keine sicheren Lernräume." Gefordert werden unter anderem Luftfilter in allen Schulen, kleinere Lerngruppen und PCR-Pooltests. Das Schreiben richtet sich zudem gegen die Präsenzpflicht. Schülerinnen und Schüler müssten mit ihren Familien selbst entscheiden können, in welcher Art der Beschulung sie sich wohler und sicherer fühlten.

Politikerinnen bieten Gespräche an

Stark-Watzinger und Prien haben den Schülervertretern mittlerweile Gespräche angeboten. "Mir ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler und ihre Vertreter wissen, dass sie gesehen und gehört werden", schrieb Stark-Watzinger am Donnerstag bei Twitter. Ihr Gesprächsangebot an die Bundesschülerkonferenz stehe. "Gerne bin ich zum Austausch mit weiteren Schülervertretern über die Situation an den Schulen bereit", fügte sie hinzu.

Ähnlich äußerte sich die schleswig-holsteinische Bildungsministerin und derzeitige Präsidentin der Kultusministerkonferenz Prien: "Es gibt einen regelmäßigen Austausch zwischen Schüler-, Eltern- und Lehrervertretungen auf Länderebene mit den Bildungsministerien", schrieb sie bei Twitter. Sie habe gleich nach Amtsantritt auch der Bundesschülerkonferenz Gespräche angeboten. "Wenn Sie/Ihr außerhalb der gewählten Schülervertretungen sprechen wollt, lade ich persönlich dazu gerne ein." Prien bot "volle Transparenz" und einen Livestream des Gesprächs an, "damit alle zuschauen können".

Bildungsverwaltung verteidigt getroffene Maßnahmen

Auch die Berliner Senatsverwaltung für Bildung reagierte am Donnerstag auf die Kritikpunkte. Man nehme die Sorgen und Nöte von Schülerinnen und Schülern sehr ernst, teilte ein Behördensprecher mit. Zugleich verteidigte er die bisher getroffenen Maßnahmen in Schulen.

23.000 Luftfiltergeräte seien an Berliner Schulen ausgeliefert worden oder würden diese schon bald erreichen. "Rechnerisch sind das genauso viele Luftfiltergeräte, wie wir in Berlin Klassenzimmer an öffentlichen Schulen haben. Die Präsenzpflicht ist bereits ausgesetzt und es wird auch Erleichterungen bei den Prüfungen geben. Darüber hinaus werden die Schulen kontinuierlich mit Persönlicher Schutzausrüstung (Mund-Nasen-Bedeckungen, FFP2-Masken, Kittel und Visiere für Förderzentren) versorgt", heiß es in der Stellungnahme weiter. Zudem würden Millionen weitere Schnelltests an die Schulen im Land Berlin geliefert.

SPD-Bildungsexperte äußert Verständnis

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Marcel Hopp, äußerte am Freitag Verständnis für den Protest von Schülerinnen und Schülern in der Corona-Pandemie. Hopp sagte in einem Interview mit radioeins vom rbb, Kinder und Jugendliche hätten in den vergangenen zwei Jahren am meisten unter der Corona-Pandemie gelitten, gleichzeitig aber alle Maßnahmen geduldig mitgetragen.

Allerdings sei Berlin in einigen Punkten schon den Forderungen aus dem bundesweiten offenen Brief von Schülervertretungen entgegengekommen, so der Bildungsexperte. Bis Ende Januar seien 30.000 Luftfilter an die Schulen geliefert worden, die Präsenzpflicht sei ausgesetzt und nach den Winterferien werde in den Schulen täglich getestet.

500.000 Corona- und Quarantäne-Fälle bei Schülerinnen und Schülern

Die Kultusministerkonferenz legte unterdessen neue Zahlen zur Situation an Schulen vor. Demnach waren in der vergangenen Woche knapp 500.000 Corona- und Quarantäne-Fälle bei Schülerinnen und Schülern bekannt (Vorwoche: 360.000). Das waren bezogen auf die Gesamtzahl von rund zehn Millionen Schülern, die der Statistik zugrunde liegen, etwa fünf Prozent. Grundlage sind Rückmeldungen aus den Bundesländern.

Allerdings geben die Daten nur einen groben Überblick. So meldet Berlin in der laufenden Woche wegen der Ferien keine Zahlen. "In der Schule durchgeführte Schnelltests werden nicht mehr durch PCR-Tests bestätigt, so dass keine validen Daten vorliegen", so die Begründung. In den zwei Wochen vor den Ferien seien 4,9 Prozent der Schülerinnen und Schüler wegen eines positiven PCR-Tests nicht in der Schule gewesen.

Aus Hamburg und Niedersachsen liegen keine Daten zu Quarantänefällen vor. Bei den etwa 900.000 Lehrkräften waren in der vergangenen Woche rund 20.000 Corona- oder Quarantänefälle bekannt, in der Vorwoche waren es rund 15.000. Von den mehr als 28.000 Schulen, die in die Statistik einfließen, waren deutschlandweit 14 ohne Präsenzbetrieb (Vorwoche: 10). Bei etwa 1.800 gabe es Einschränkungen (Vorwoche: 1.600).

Sendung: Abendschau, 03.02.2022, 19:30 Uhr

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13 Kommentare

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  1. 13.

    Genau, deswegen sind von der Politik nat. total wissenschaftsbasiert die Genesenen auf 3 Mon zurückgestuft, während Impfungen 9 Mon gelten.

  2. 12.

    An der Schule meiner Enkelin (Grundschule) gibt es zum Waschen der Hände nur kaltes Wasser.

    Getestet wird wird im Unterrichtsraum am Sitzplatz, Tische werden danach nicht desinfiziert und genau dort nehmen die Kinder wenig später ihr Frühstück ein.
    1 Luftfilteranlage gibt es - im Essenraum.

  3. 11.

    Ohne Durchseuchung derjenigen, die ein geringes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, werden wir die Pandemie niemals beenden. Eine durchgemachte Erkrankung bietet von Natur aus immer den besten Immunschutz, weil das Immunsystem dann das gesamte Virus kennen lernt und Antikörper gegen diverse von dessen Bausteinen ausbildet. Die Impfung vermittelt dem Immunsystem lediglich die Info über das typische Spike-Protein. Verändert sich dieses auch nur geringfügig, muss die Impfung versagen. Das Immunsystem eines Genesenen wird aber mit hoher Sicherheit einen anderen Bestandteil des Virus wiedererkennen. Deshalb werden wir alle über Kurz oder Lang nicht drum herum kommen, infiziert zu werden. Je schneller das bei Kindern durch ist, um so schneller können die ihr normales Leben zurück bekommen und das ist wichtiger für ihre Entwicklung, als der absolute Schutz vor einer für sie nicht besonders bedrohlichen Krankheit.

  4. 10.

    Verdienen Lehrer wirklich so schlecht, dass sie sich FFP2-Masken für weniger als einen Euro das Stück im 40er Pack nicht mehr selbst leisten können? Andere Berufsgruppen bekommen die auch nicht gestellt. Irgendwann wird's einfach lächerlich! Die Teile dienen Ihrem persönlichen Schutz und sollten Ihnen das doch wohl wert sein.

  5. 9.

    Richtig! Was sich dieses Land in Sachen Bildungspolitik leistet ist nicht nur beschämend, sondern beängstigend. Die Durchseuchung wird vorsätzlich in Kauf genommen. Mir tun unsere Kinder leid und es zerreißt mir das Herz. Was glaubt die Politik eigentlich was am Ende der Schulzeit auf das reale Leben losgelassen wird. Das Land geht den Bach runter-Infrastruktur, Digitalisierung, Bildungssystem, Inflation…die Liste ist endlos. Ich sehe niemanden der bereit ist anzupacken und Entscheidungen trifft

  6. 8.

    Sozialen Teams geht es ähnlich. 1 Maske die Woche und dann sind die Masken auch noch allergiefördernd.
    Verantwortung geht anders.

  7. 7.

    Es ist nur noch beschämend, was sich die Politik leistet.
    Kommentar 1-5 kann nur zu 100% zustimmen.

  8. 6.

    Zitat: "Darüber hinaus werden die Schulen kontinuierlich mit Persönlicher Schutzausrüstung (Mund-Nasen-Bedeckungen, FFP2-Masken, Kittel und Visiere für Förderzentren) versorgt".
    Das stimmt.
    Als Mitarbeiter habe ich gerade 10xFFP2 bekommen. Allerdings für 10 Wochen... anfangs, zu Zeiten der Knappheit, konnte ich das ja verstehen. Aber mit dieser Aussage blamiert sich der Arbeitgeber, der für den Arbeitsschutz zuständig ist und das Maskentragen vorschreibt, selber...

  9. 5.

    ...Wir können gerne reden, aber ändern werden wir nix, vor allem nicht an der Größe der Gruppen
    oder der Aufstellung des Personals...

  10. 4.

    Richtig gerechnet. Inzidenz ca, 5.000. Nachzulesen auf den Seiten der Senatsverwaltung. 17.000 infizierte Schülerinnen allein in der Woche vor den Winterferien. Berlin hat ca, 300.000 Schulkinder.

    Außerdem gibt es auch die Statistik “Inzidenz nach Altersgruppen” für Berlin.

  11. 3.

    Die Kultusminister bekommen nicht mal Digitalunterricht hin. Man bekommt langsam das Gefühl, dass dort nur Leute arbeiten, die sehr schlecht in der Schule waren.

  12. 2.

    Den Eindruck hatte ich in Berlin schon vor Corona, "werden im Stich gelassen". Kaputte Gebäude, unhygienische Toiletten, mangelhafte Reinigung, Unterrichtsausfall ....
    "etwa fünf Prozent" entspricht dann einer Inzidenz von ca. 5.000 in der Population der Schülerinnen und Schüler. Oder hab ich mich da verrechnet 5% von 100.000 = 5.000 ?!

  13. 1.

    "Es gibt einen regelmäßigen Austausch zwischen Schüler-, Eltern- und Lehrervertretungen auf Länderebene mit den Bildungsministerien" - das ist eine unwahre Behauptung, jedenfalls in dem Sinne wie vorgetragen. Es gibt kein einziges Anzeichen dafür, dass man mal den "Profis" vor Ort gefolgt wäre...im Gegenteil, Frau Ernst hatte seinerzeit davon gesprochen, die Kultis lassen sich "von der Creme de la Creme der dt. Bildungslandschaft" beraten. Wer diese praxisfernen Theoretiker sind? Also die echten Profis stehen jeden Tag vor lauter Ungeimpften in vollen kalten Räumen... Das "Durchmogeln" mit Auf/Zu ohne Anstrengungen und "opfern" der eigenen Beschäftigten muss endlich sein. Ganz zu schweigen des rigiden, arrogant anmutenden Tones!

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