Impfstoffe gegen Corona - Was bringen die neuen Omikron-Booster?

Fr 02.09.22 | 15:43 Uhr | Von Haluka Maier-Borst
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Eine Person bekommt eine Spritze in den Oberarm verabreicht.(Quelle:dpa/D.Lawson)
Audio: rbb24 Inforadio | 02.09.2022 | Stephan Ueberbach | Bild: dpa/D.Lawson

Die Europäische Arzneimittelbehörde prüft nach und nach mehrere neue Corona-Impfstoffe. Diese sind angepasst an die neuen Omikron-Subtypen. Aber wie gut wirken sie? Und für wen machen sie Sinn? Von Haluka Maier-Borst

Als die Coronavirus-Variante Omikron auftauchte, war die Wissenschaft überrascht: Sie hatte wenig Ähnlichkeit zu früheren Varianten und breitete sich in kürzester Zeit sich rasend schnell aus. Die bisherigen Impfstoffe konnte Infektionen mit Omikron nicht so gut verhindern, aber zumindest schwere Verläufe. Und - zum Glück - verursachte Omikron auch an sich wesentlich seltener schwere Verläufe als frühere Virusvarianten.

Inzwischen hat die Forschung aufgeholt. Aktuell sind zwei speziell für Omikron angepasste Impfstoffe neu von der Europäischen Arzneimittelbehörde (Ema) zugelassen. Allerdings beziehen sie sich auf den älteren Omikron-Subtyp BA.1. Weil diese aber längst von BA.4 und BA.5 abgelöst worden ist, sollen an diese neuen Subtypen angepasste Impfstoffe sollen folgen.

Was genau soll man von diesen neuen Impfstoffen halten?

Wieso braucht es die neuen, angepassten Impfstoffe überhaupt?

Alpha, Delta, Omikron - immer wieder sind in der Vergangenheit neue Virusvariante entstanden und haben frühere verdrängt. Dazu kommen Subtypen von diesen Varianten. Aktuell ist Omikron-Subtyp BA.5 für den größten Anteil der Neuinfektionen in Deutschland verantwortlich.

Hinzu kommt bei Omikron, dass diese Variante nicht nur ansteckender ist - egal ob bei Geimpften oder Ungeimpften -, sondern sie kann auch den Immunschutz besser aushebeln. Sprich: Der Unterschied beim Infektionsrisiko zwischen Geimpften, Genesenen und bislang Uninfizierten ist geringer als bei früheren Varianten.

Diese Kombination aus schnellerer Ausbreitung und besserem Aushebeln von Immunantworten macht es wünschenswert, dass ein neuer, angepasster Impfstoff zur Verfügung steht. Gleichwohl muss gesagt werden, dass die bisherigen Impfstoffe zwar Infektionen nicht verhindern konnten, sehr wohl aber zumeist schwere Verläufe.

Wie wurden diese neuen Impfstoffe getestet?

Nach Angaben der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA [fda.gov] nahmen an Studien sowohl für den angepassten BA.1-Impfstoff von Moderna als auch für den von Biontech/Pfizer etwa je 600 Menschen teil. Das ist deutlich weniger als die Zulassungsstudien mit den ersten Impfstoffen, wo einige zehntausend Menschen in den Studien eingeschlossen waren.

Bei den aktuellen, kleineren Studien wurde nun zum einen geschaut, welche Nebenwirkungen nach dem Booster auftraten, also wie sicher die Impfstoffe sind. Zum anderen prüfte man, wieviel besser die angepassten Impfstoffe wirken im Vergleich zu bisherigen Impfstoffen. Letzteres wurde aber nicht wie in einer normalen Zulassungsstudie anhand der Anzahl an Infizierten in beiden Gruppen errechnet. Es wurde lediglich geschaut, ob und wieviel mehr Antikörper diejenigen produzieren, die mit dem angepassten Booster geimpft wurden im Vergleich zu Menschen, die mit den bisherigen Impfstoffen geboostert wurden.

Weil aber in der Zwischenzeit die Omikron-Variante BA.1 durch die dominanteren Varianten BA.4 und BA.5 abgelöst wurde, gibt es, wie gesagt, inzwischen sogar Impfstoffe, die an diese Varianten angepasst sind. Diese BA.4- und BA.5-Impfstoffe hat nun die amerikanische FDA im Rahmen einer Notfallzulassung zugelassen. Diese Impfstoffe wurden bisher nur an Tieren getestet. Begründet wurde dies damit, dass die ursprünglichen Impfstoffe basierend auf dem Corona-Wildtyp sich als sicher bewährt hätten und auch kleinere Studien mit den BA.1-Impfstoffen keine Probleme gezeigt hätten.

Gibt es keine Bedenken, dass diese Studien für die Omikron-Booster zu klein oder zu experimentell sind?

Tatsächlich sehen viele Forscherinnen und Forscher kein Problem bei den neuen Impfstoffen und ziehen den Vergleich zu Grippe-Impfstoffen. Auch dort werden angepasste Impfstoffe für eine aktuelle Variante nicht in große klinische Studien geschickt. Entsprechend mache es Sinn, so auch bei den Covid-19-Impfstoffen zu verfahren, sagt zum Beispiel auch Leif Erik Sander, Infektiologe an der Berliner Charité. Die Veränderungen an der im Impfstoff enthaltenen mRNA seien minimal und frühstmöglich neue Impfstoffe zur Verfügung zu stellen, sei zudem auch gewissermaßen eine ethische Frage. Im Fachmagazin Science [science.org] betonte er: "Wir müssen Menschen die Möglichkeit geben, sich vor einem Virus zu schützen, das wir nicht völlig unter Kontrolle haben."

Gleichzeitig sehen andere Experten durchaus eine Gefahr darin, dass die Zulassungen von der Öffentlichkeit schnell falsch interpretiert werden können. So sagte der amerikanische Immunologe John Moore vom Weill Cornell College dem Radiosender NPR [npr.org]: "Menschen könnten denken, dass diese angepassten Booster ein super-starkes Schutzschild gegen Infektionen sind und sich darum riskanter verhalten." Das ist aber eben nicht durch die aktuellen Studien gesagt. Es geht erstmal primär um die Sicherheit der Impfstoffe.

Ferner befürchten einige Forscherinnen und Forscher, dass die Akzeptanz der Impfstoffe geringer sein wird, weil sie eben einen kürzeren Studienzyklus durchlaufen haben.

Und wie gut wirken die Booster nun gegen BA.4 und BA.5?

Das ist aufgrund der kleinen Studienlage schwierig zu sagen. Gegenüber dem Radiosender NPR [npr.org] erklärte ein leitender Direktor der FDA, dass durch die angepassten Impfstoffe der Schutz gegen BA.4 und BA.5 etwa 20 Mal besser sein könnte als mit den bisherigen Impfstoffen. Selbst im Vergleich zum BA.1-Impfstoff wäre der Schutz etwa fünf Mal besser mit der neuesten an BA.4 und BA.5 angepassten Impfstoffe. Allerdings basiert diese Aussage auf Studien mit Mäusen.

Deutlich pessimistischer ist die Studie von australischen Impfstoff-Forschern. Sie kommen in einer Vorveröffentlichung [medriv.org] einer Analyse zum Schluss, dass der Effekt eher bei einer anderthalbfachen Verbesserung im Vergleich zu bisherigen Boostern liegt.

Gleichwohl argumentieren verschiedene Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass angepasste Impfstoffe wohl dabei helfen können, grundsätzlich einen breiteren Immunschutz aufzubauen und das auch gegen künftige Varianten helfen könnten. Angela Branche von der University of Rochester sagte "Science" [science.org]: "Wir müssen von den Möglichkeiten des Virus so viel abdecken wie irgendmöglich."

Wer sollte also jetzt welchen Booster nehmen?

Menschen, die ein höheres Risiko auf einen schweren Verlauf haben und deren letzte Impfung oder Infektion schon länger zurückliegt, sollten sich laut Expertinnen und Experten möglichst zeitnah mit einem Booster impfen lassen. Selbst wenn es "nur" den BA.1-Impfstoff gibt, dürfte dieser auch gegen BA.4 oder BA.5 schon besser helfen - und definitiv gegen schwere Verläufe.

Menschen mit einem geringeren Risiko könnten sich dagegen eher leisten, noch ein paar Wochen auf die neueste Impfstoffgeneration zu warten. Für sie macht es Sinn, mit einem speziell angepassten Booster das Risiko auf eine Infektion zu minimieren, wie Angela Branche im Fachmagazin "Nature" [nature.org] erklärte.

In großem Stil Menschen zu impfen, die unter 50 Jahre alt sind und nicht zu einer der Risikogruppe gehören, stellen gestandene Experten aber infrage. So sagte der Mikrobiologe John Moore vom Weill Cornell Medical College ebenfalls gegenüber "Nature": "Unter-50-Jährige zu impfen, das sollte eine geringere Priorität haben aus der Sicht für die Gesundheit der Allgemeinheit."

Letztlich sprechen viele Expertinnen und Experten davon, dass die Entscheidung für einen weiteren, angepassten Booster jeder und jede individuell treffen sollte.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.09.2022, 15:22 Uhr

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Beitrag von Haluka Maier-Borst

37 Kommentare

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  1. 37.

    Also ich bin als unter 50jähriger seit Mitte Juni viergeimpft. Gelang mir bei mir in NRW nicht, musste zu den Eltern in den Osten dafür fahren. Und ich würde gerne Mitte September die 5. Impfung gegen BA.1 haben. Vermutlich klappt das in NRW wieder nicht. Ich finde, daß Impfen eine individuelle medizin. Entscheidung ist. Daher bin ich gleichzeitig gegen Impfpflicht und Beschränkung mangels STIKO-Empfehlung auf maximal 3 Impfungen (Alter Mitte 40). Und ich bin gegen die geplante FFP2-Maskenpflicht. Die ist nämlich auf längeren Reisen (Fernzug) oder in Berlin längere S-Bahnstrecken sehr lästig und für vierfachgeimpfte Unterfünfzigjährige "Immungesunde" nicht mehr verhältnismäßig. Die trage ich deshalb stets unter der Nase. Ich bin dank Impfung gut geschützt und wer Angst/Risiko hat, kann sich gerne selber mit FFP2 schützen. Wir haben das Thema seit zweieinhalb Jahren und werden es nicht mehr so schnell los. Irgendwann ist die Geduld alle und man müde.

  2. 36.

    Es geht um die verzerrte Begrifflichkeit 'Schutz'.
    Ich schütze mich vor einem Verkehrsunfall, indem ich gar nicht erst am Straßenverkehr teilnehme. Mache ich das aber, achte ich StVO, schaue links-rechts-links etc., reduziere ich mein Unfallrisiko.
    Daher:
    Ich schütze mich vor einer Infektion, indem ich gar nicht erst das Haus verlasse. Mache ich das aber, lasse ich mich impfen, trage Maske, halte Abstand etc., reduziere ich mein Infektionsrisiko und mithin natürlich das eines schweren Verlaufs.

  3. 35.

    "deren Immunsystem auch trotz Impfung nicht richtig funktioniert" Das sind die sog. Impfversager, die es in unterschiedlichen Raten bei allen Impfungen gibt. Aber gibt es dazu in Deutschland Untersuchungen bezüglich der Coronaimpfungen? Wie hoch ist die Zahl der Impfversager bei dieser Impfung? Gibt es Untersuchungen, warum manche Menschen in Deutschland trotz Impfung an COVID-10 schwer erkranken u.U. auch sterben (es muß nicht Impfversagen sein, es kann auch eine andere Wechselwirkung sein oder schlicht eine zu lange zurückliegende Impfung etc.)?

  4. 34.

    Es gibt Menschen, deren Immunsystem auch trotz Impfung nicht richtig funktioniert. Auch allen anderen sollten nicht mutwillig Coronaviren um die Ohren (bzw. um Mund und Nase) geblasen werden.

  5. 33.

    "stellen die Impfungen – insbesondere für Risikogruppen – einen recht guten Schutz vor schweren oder gar tödlichen Verläufen dar. " Wie paßt das mit #11 zusammen bezüglich des Schutzes der Vulnerablen?

  6. 32.

    Es hätte sich gerade bei BA.1/5 angeboten, da zu ähnlicher Zeit fertig. Außerdem würden mehrere Antigenstrukturen zugleich im Kombi die Immunantwort wohl breiter aufstellen.

  7. 31.

    „Wenn man es überhaupt Schutz nennen kann, solange man sich und andere trotz Mehrfachimpfungen anstecken kann. Risiken zu minimieren ist kein Schutz.“

    Wie schon geschrieben, stellen die Impfungen – insbesondere für Risikogruppen – einen recht guten Schutz vor schweren oder gar tödlichen Verläufen dar. Das Anschnallen im Auto zum Beispiel kann Unfälle ja auch nicht per se verhindern – einen jedoch sehr wohl vor unnötig schweren Verletzungen schützen. Genauso verhält es sich auch mit den Impfungen.

  8. 30.

    „Die nächsten Jahre werden es zeigen, ob diese Immunisierung Eintritt, oder ohne den Stoff bei mehrfach Geimpften gar nichts mehr mit dem eigenen Immunsystem geht.“

    Ich denke, diese Sorge dürfte eher unbegründet sein. Da man geimpft zwar einen guten Schutz vor schweren Verläufen, jedoch eben keine sterile Immunität besitzt, die einen vor jeglicher Ansteckung schützt, wird das Immunsystem – gerade auch durch neue Varianten – wohl auch immer wieder aufs Neue gefordert werden.

  9. 29.

    Braucht man schlicht nicht, wenn immer ein einzelner (in der westlichen) Welt dominiert.

    Die zukünftigen relevanten Varianten können Sie ja nicht vorhersehen, weil es die schlicht noch nicht gibt, anders wie bei Grippeviren, deren oberflächenproteine bekannt sind und sich "nur" die Kombinationen ständig ändern.

  10. 28.

    Ah okay Lauterbach "geht davon aus".

    Hm bin jetzt Lauterbach neutral gegenüber, mal schauen ob er recht behält, was "offizielleres" vom Hersteller oder EMA gibt's aber nicht oder?

    Wäre was für Journalisten mal bei Biontech/Moderna bezüglich EU Pläne nachzufragen.

  11. 27.

    Steht in einem anderen Artikel:
    https://www.rbb24.de/politik/thema/corona/beitraege/2022/09/impfstoff-omikron-ema-macht-weg-frei.html

  12. 26.

    Ja mit BA.1 angepassten Impfstoff mit ordentlicher Zulassung.

    In den USA gibt's dann den BA.5 mit Notfallzulassung.

    Wo haben Sie her, dass der BA.5 Impfstoff auch in der EU schon im Oktober eine Zulassung erhält?

  13. 25.

    Warum bildet man dann nicht einen Kombiimpfstoff gegen mehrere Virenstämme wie bei Influenza üblich?

  14. 24.

    Wenn Politiker, die über Ankäufe, Mengen und sogar Zwangsverabreichungen entscheiden, gleichzeitig Aktionäre sind, und dadurch die Rendite hoch halten, und das mit Steuergeld, dann stört mich das massiv .

  15. 23.

    "Warum wird sich hier immer soviel über die Impfungen aufgeregt? "
    Weil das Thema fast jeden betrifft und deshalb fast alle beschäftigt? Weil Menschen verunsichert sind und versuchen ihre Ängste abzubauen indem sie ihre Vermutungen und Annahmen, Vorahnungen und sonstige Gefühle als einzig richtig und erwiesen zu präsentieren?

  16. 22.

    "Als einzigen wesentlichen Unterschied sehe ich in Japan im Vergleich zu Mitteleuropa als Dauerpandemieschwerpunkt die ausgebliebenen Infektionswellen vorher."
    100% Zustimmung. Nur würde ich es ein wenig anders formulieren. Ich wurde nicht von den vorher "ausgebliebenen" sondern von vorher "verhinderten" Wellen reden. Es ist unser Handeln + vielleicht in diesem Fall die Altersstruktur), nicht das Virus, das die unterschiedliche Auswirkungen zufolge hat.

  17. 21.

    Dann haben wir uns missverstanden. Es war aus Ihrem Kommentar nicht ganz ersichtlich worauf sich Ihre Bemerkung bezieht, deshalb meine Annahme Sie reden über Nebenwirkungen.
    Impfstoffe sind definitionsgemäß Medikamente.
    Im Klartext: Lt. PEI:
    "(Prophylaktische) Impfstoffe sind Arzneimittel die das Immunsystem zum Schutz vor Infektionskrankheiten aktivieren."
    Die Zulassung von Arzneimitteln regelt das Arzneimittelgesetz (AMG). Vorgesehen sind drei Stufen klinischer Prüfung. Bei allen bis jetzt bedingt zugelassenen Impfstoffen fehlt die letzte Stufe. Von daher sind keine Aussagen über Langzeitnebenwirkungen ist möglich und das Risiko ist nicht abschätzbar.
    Und Nein, ich behaupte nicht, dass man sich deshalb nicht impfen sollte. Aber man sollte Risiken nicht ausblenden nur weil man sie noch nicht kennt.

  18. 19.

    Warum wird sich hier immer soviel über die Impfungen aufgeregt? Die Leute, die nicht geimpft werden wollen und die Äußerungen von Ärzten, Virologen, Wissenschaftlern.... nicht hören/lesen wollen, brauchen es doch nicht. Man beschäftigt sich doch nicht mit Nachrichten, nur um sich dann im Kommentarberreich rumzustreiten.

  19. 18.

    Wer sich immer über die Gewinne von Aktionären aufregt, kann doch selber Aktien kaufen. Nur Ehrenamtliche arbeiten umsonst.

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