#Wiegehtesuns? | Gründerin von "Eltern gegen Rechts" - "Ich musste diesen Schritt gehen, um aus dieser Ohnmacht rauszukommen"

So 16.02.25 | 15:49 Uhr
  55
Sonja (links) und andere Teilnehmende einer Demo von "Eltern gegen rechts" halten Schilder hoch. (Quelle:rbb)
Bild: rbb

Nach einem Treffen von Rechten in Potsdam gingen vor einem Jahr Hunderttausende Menschen auf die Straße. Schnell ebbte der Protest ab. Eine Mutter aus Berlin wollte das nicht hinnehmen und initiierte die "Eltern gegen Rechts". Ein Gesprächsprotokoll

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Im Frühjahr 2024 fasste Sonja, die nur ihren Vornamen nennen möchte, einen Entschluss: Sie gründete ein Bündnis gegen Rechtsradikalismus, die "Eltern gegen Rechts". War es anfangs nur eine kleine Runde engagieren sich heute rund 50 Mütter und Väter, um gegen Rechtsradikalismus einzutreten. Über Chat-Gruppen organisieren sie familienfreundliche Proteste und gehen in Berlin auf die Straße. Dabei hätte die berufstätige Mutter von drei Grundschulkindern selbst nie gedacht, dass sie einmal zur Aktivistin werden würde.

Bevor es zur Gründung von "Eltern gegen Rechts" kam, bin ich viele, viele Monate davor mit einem gewissen Unruhezustand rumgelaufen. Immer mit dem Gedanken, dass es nicht sein kann, dass wir die Entwicklungen einfach so still hinnehmen. Und dann kamen die "Correctiv"-Recherchen [Anm. d. Red.: Im November 2023 hatte "Correctiv" ein Treffen rechter Politiker in einem Potsdamer Hotel öffentlich gemacht] mit dem großen Aufschwung - alle sind auf die Straße gegangen. Und ich dachte, jetzt ist es so weit: Wir sind alle auf der Straße. So muss es sein! Aber dann ist es wieder abgeebbt und diese Leere hat mich völlig verrückt gemacht. Ich dachte, das darf jetzt einfach nicht sein, wir müssen doch weiter dranbleiben.

Das war der Moment, in dem ich gesagt habe: Jetzt muss ich selber aktiv werden. Das haben wir auch in der Familie und im Freundeskreis so gesehen und dann kam die Frage: Was machen wir? Da gibt es die Möglichkeit, sich irgendwo anzuschließen an Strukturen, die es schon gibt. Aber wir haben festgestellt, dass es eine Lücke gibt. Es gibt die "Omas gegen Rechts", die uns auch inspiriert haben, aber was ist mit den Eltern? Uns als Eltern wollten wir eine Stimme geben, weil es ja schließlich auch um die Zukunft unserer Kinder geht. So sind wir auf "Eltern gegen Rechts" gekommen.

Wir haben uns mit unserer Idee am Küchentisch zusammengesetzt und einfach angefangen. Unser Motto war: einfach machen - kein Perfektionismus. Das war wichtig - nicht monatelang planen und alles perfekt machen. Wir haben einfach direkt eine Kundgebung angemeldet und die Menschen im Kiez dazu eingeladen. Daraus ist ganz schnell ziemlich viel geworden. Heute kriegen wir täglich sehr, sehr viele Anfragen aus ganz Deutschland: Ich möchte mitmachen, was kann ich tun? Und jetzt geht es darum, dass wir diese ganzen Anfragen bündeln, die Leute vernetzen und ihnen Tipps geben, wie sie selbst aktiv werden können.

Denn diese Entwicklung, die wir im Land haben, ist gerade sehr gefährlich. Ich habe einfach die Sorge, wenn wir nicht genug tun, dass meine Kinder irgendwann im Faschismus aufwachen. Und das ist der Punkt, an dem wir gerade stehen. Die Gefahr ist real. Man muss sich vor Augen führen, dass es eine Partei gibt, die nicht rechter und konservativer ist, sondern die unsere Demokratie abschaffen will. Und es gibt diese Sorge, dass sich die Menschen daran gewöhnen. Dieser Gewöhnungseffekt bereitet mir Sorgen und Angst. Und das wollen wir nicht hinnehmen. Wir sagen: Stopp! Nein! Wir wollen in einer freiheitlichen Gesellschaft leben. Wir wollen, dass die Menschenwürde weiterhin unantastbar bleibt. Wir wollen am Gleichheitsprinzip der Menschen festhalten.

Dass all das gerade angegriffen wird und auch die Politik aus dem demokratischen Spektrum so wenig dagegen tut, macht auch wütend. Aber diese Wut versuchen wir in Energie umzumünzen - in ein positives Gefühl, in ein Miteinander.

Es gibt auch verzweifelte Momente, aber ich trete dann in den Austausch mit den Menschen, mit denen ich aktiv bin und das gibt ganz viel Kraft. Das ist ganz zentral, dass wir mit dem Gefühl nicht nur bei uns bleiben, sondern in den Austausch gehen. Und im besten Fall nicht nur in den Austausch, sondern auch gemeinsam aktiv werden. Das ist das Rezept, das wir gerade alle brauchen. Das Bündnis zu gründen war genau der Schritt, den ich gehen musste, auch für mich selbst, um aus dieser Ohnmacht rauszukommen, um mir Kraft zu geben und auch uns allen miteinander Kraft zu geben.

Es kann auch sehr zeitintensiv sein. Ich bin berufstätig und habe drei Kinder, was es manchmal schwierig macht, alles unter einen Hut zu bekommen. Aber ich schaffe mir die Freiräume. Wir schaffen es auch als Familie zusammen. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich lieber etwas anderes machen. Hobbys verfolgen oder so. Aber ich mache das, weil wir es gerade machen müssen! Nicht weil mir langweilig war.

Gesprächsprotokoll: Marcel Trocoli Castro, rbb24 Abendschau

55 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 55.

    "Es ist so ziemlich egal, aus welchem Gründen jemand handelt. Entscheidend ist, was man damit erreicht."

    Ich finde es übrigens alles andere als egal, aus welchen Gründen jemand handelt, sondern im Gegensatz zu Ihnen finde ich das sehr wichtig. Ich fände es schön, wenn sich die Menschen sehr viel mehr darüber Gedanken machen würden, warum sie so handeln, wie sie es tun. Ich denke, es wäre besser und das nicht nur bei Wahlen. Aber vielleicht würde dann auch der/die eine oder andere anders wählen, wer weiß. Aber anscheinend haben Sie und ich da eine völlig andere Meinung zu.

  2. 54.

    Ich habe hier keinen als Nazi betitelt und das Wort Schuld ist für mich auch völlig unpassend. Es geht mir vielmehr darum, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Für mein Handeln und nicht das von irgendjemand anderem. Wer ist verantwortlich für das, was ich wähle, wenn nicht ich selber? Alles andere ist mir als Erklärung zu einfach und nichts weiter als ein Versuch, die Verantwortung dafür zu jemand anderem schieben zu wollen, sorry. Wird immer wieder gerne gemacht, aber ich halte sehr viel mehr davon, wenn jeder die Verantwortung für sein Tun auch selber übernimmt. Alles andere ist nicht meins.

  3. 53.

    Ach ja die Sache mit dem Kapieren..
    Ich bin nicht für die AFD. Wo steht das in meinem Beitrag?
    Es gibt aber Ursachen für das Erstarken dieser Partei und eine habe ich unten beschrieben.

    Es ist so ziemlich egal, aus welchem Gründen jemand handelt. Entscheidend ist, was man damit erreicht. Und jeden Rechten als Nazi zu betiteln, so wie viele es tun, erreicht nun mal das Gegenteil von dem Beabsichtigten.

    Einfach gesagt, viele helfen der AFD mit ihren Taten, obwohl sie genau das Gegenteil erreichen wollen. In meinen Augen sind solche Leute genauso am Aufstieg Schuld wie aktive Unterstützer der AFD und somit sogar zuerst zu kritisieren.

  4. 52.

    Liebe Sonja, falls sich hier mitlesen, lassen Sie sich von den rechtsextremen Kommentatoren nicht entmutigen.

    Die meisten miesen Verleumdungen lassen sich auf eine Person zurückführen, spiegelt also nicht mal die Meinung hier in der Kommentarfunktion des rbb wider.

    Ich bewundere Ihren Mut.

  5. 51.

    Ich drücke der Vorgestellten die Daumen, dass sie nicht im Burnout landet. Hochachtung!

  6. 50.

    Nur zur Erinnerung. Das ist eine bekannte Lüge von Rechtsextremen, in den meisten Punkten bekam Correctiv vor Gericht Recht.

    Correctiv muss lediglich einen Satz ändern, der den Kern der Recherche jedoch nicht betrifft.

    „Die Verfügung des Landgerichts betrifft lediglich ein nebensächliches Detail. Alle weiteren Äußerungen des Beitrags über den Antragsteller wie auch die Recherche insgesamt bleiben juristisch unbeanstandet. Wir werten dies als großen Erfolg vor einer Kammer, die als besonders streng gilt.“

  7. 49.

    Es gibt keine ,,richtige oder falsche Meinung''. Meinung ist Meinung, aber tatsachen sind Fakten. Meinung ist nicht Wissen. Und Hetze ist keine Meinung. Klar?

  8. 48.

    In den letzten Wochen sah das durchaus anders aus, Bedrohungen und Beleidigungen sind schon fast an der Tagesordnung wenn jemand einen anderen Standpunkt hat. Entweder war man linkes Geschmeiss oder braune Gesocks, von hirnlos bis ...... und so weiter. Da sagen sie niemanden würde die Würde abgesprochen?

  9. 47.

    Muß man sich mal vorstellen! Da wird eine Frau bedroht und muß Angst um Ihr Leben haben, bloß weil Sie sich gegen diese Rechtsextremen stellt und für die Wahrheit demonstriert, also Selbstverständlichkeiten! Und da bedrohen ernsthaft diese Feiglinge das Engagement so vieler Bürger in unserem Land! Die müssen zur rechenschaft gezogen werden.

  10. 46.

    ......was soll diese Frage? Natürlich gilt dieser Artikel für alle Menschen, also wirklich für alle ausnahmslos, auch für Nichtdeutsche und Minderheiten jeglicher Art. Das scheint aber immer mal wieder besonders von einer Partei verdrängt zu werden.

  11. 45.

    So ein Unsinn. Wenn man Menschen oder Politiker, die eine andere Meinung haben, kritisiert, spricht man ihnen deswegen noch lange nicht die Würde ab. Was soll so ein Kommentar? Kritik auszuüben bedeutet nicht, dass man damit die Würde des Menschen antastet.

  12. 44.

    Wenn man einigen ihr glauben darf gilt dieser Artikel des Grundgesetzes nur für die die richtige Meinung haben. Alle anderen sind dann außen vor.

  13. 43.

    „Eltern gegen Rechts“ ist ein neuer Ableger der Amadeu Antonio Stiftung. Der Peet fragte danach. Er kann es auch gern googeln. Spender, Netzwerke, Ziele stehen alle im Web.

  14. 41.

    Sind wir mal ehrlich, es kann überhaupt keine Rechfertigung und einen Grund für die Wahl von Rechtsextremisten geben, das verbietet sich von selbst, der eigene Ver,-und Anstand, die Moral und der Artikel 1 unseres GG!

  15. 40.

    "Und wenn die AFD bei 45 Prozent steht, werden solche Leute es immer noch nicht kapieren. Hauptsache man ist auf der moralisch richtigen Seite."

    Das ist in der Tat sehr wichtig für mich, dass ich mich noch im Spiegel angucken kann, für die Werte, die mir wichtig sind und die ich vertrete. Die Überschneidung mit den Vorstellungen einer AfD sind da nur sehr gering bzw. überhaupt nicht vorhanden. Ich habe für mich sehr genau entschieden, was ich richtig bzw. was ich falsch finde und ich werde mich und meine Vorstellungen wegen einer AfD bestimmt nicht verändern, denn ich möchte Sie noch mit meinem Gewissen vereinbaren können. Was ist denn für Sie die moralisch "richtige" Seite? Ist für Sie Moral weniger wichtig, wenn Sie sich für sich selber davon irgendwelche Vorteile erhoffen? Wohlgemerkt erhoffen, denn ob Sie diese unter einer AfD auch wirklich hätten, wissen Sie nicht.

  16. 39.

    Und was verschweigen Sie? Das diese Rechtsextremen eine Autokratie nach faschistischem Vorbild, ohne Meinungsfreiheit wollen?

  17. 38.

    Danke! So siehts aus! Die Rechtsextremen bedrohen nicht nur Politiker und Ehrenamtler, nein, alle, die sich für unsere Demokratie und für Freiheit einsetzen! Das muß hart bestraft werden! Auch im Netz!

  18. 37.

    Was tut sie denn konkret? Das wird aus dem Artikel nicht ersichtlich.

    Stichwort Gewöhnungseffekt: vor gut 10 Jahren wurde die AFD schon als Nazi Partei bezeichnet. Leute die sowas getan haben, haben ihren Aufstieg begünstigt. Sowas nennt sich selbst erfüllende Prophezeiung. Und wenn die AFD bei 45 Prozent steht, werden solche Leute es immer noch nicht kapieren. Hauptsache man ist auf der moralisch richtigen Seite.

  19. 36.

    Es ist wirklich wirklich traurig, dass die Situation inzwischen so ist, dass die Gründerin nur ihren Vornamen nennen möchte. Warum wohl? So sieht die Realität inzwischen aus, wenn man sich gegen Rechtsradikalismus engagiert. Man droht zur Zielscheibe irgendwelcher Art zu werden. Die Sorge vor Einschüchterungs- und Bedrohungsversuche gehört anscheinend inzwischen dazu.

Nächster Artikel