City-Airport schließt - Flughafen Tegel verabschiedet letzten Passagierflug

So 08.11.20 | 20:49 Uhr
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08.11.2020, Berlin: Mitglieder der Crew des Air-France-Fluges AF 1235 nach Paris winken vor dem Start der letzten Linienmaschine vom Flughafen Tegel. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Video: rbb|24 | 08.11.2020 | Bild: dpa/Christoph Soeder

Das letzte Flugzeug ist gestartet, Air France Richtung Paris: In Tegel ist am Sonntag der kommerzielle Flugbetrieb eingestellt worden. Am letzten Berliner City-Airport ist sprichwörtlich das Licht ausgeschaltet worden. Für viele ein emotionaler Abschied.

Eine Woche nach der BER-Eröffnung schließt der Flughafen Berlin-Tegel. Am Sonntagnachmittag gegen 15.15 Uhr - und damit leicht verspätet - setzte sich eine Maschine der Air France in Bewegung. Bevor der Sonderflug um 15:39 Uhr abhob, rollte der A320 in einer Abschiedsrunde über das Flugfeld. Bereits am Samstagabend hob eine Maschine der Lufthansa nach München ab - zum letzten Linienflug ab mit dem Kürzel TXL in der Streckenführung.

Mit der Schließung erlebt Berlin aus Sicht des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) einen historischen Tag voller Emotionen. "Viele von uns haben den Flughafen als ersten erlebt, von dem sie aus West-Berlin in den Urlaub gereist sind", sagte Müller dem rbb. Er selbst sei als Jugendlicher zum ersten Mal ab Tegel geflogen, mit seiner Oma nach London.

"Es ist ein Tag, da gibt es nichts darum herum zu reden, wo vielen auch das Herz blutet", sagte Müller am Sonntag vor dem Abflug der letzten Maschine auf dem Flughafen. "Tegel war für uns Berlinerinnen und Berliner tatsächlich das Tor zur Welt." Das gelte für Tegel noch mehr als für den 2008 geschlossenen Flughafen Tempelhof.

Air France bot erste Linienflüge vor 60 Jahren an

Als Reaktion auf die Berlin-Blockadewurde 1948 in der französischen Besatzungszone innerhalb von 90 Tagen ein Flughafen aufgebaut. Vor 60 Jahren bot Air France als erste Airline Linienflüge ab Tegel an. Zwischen 1965 und 1975 entstand das bis zuletzt genutzte Zentralgebäude mit dem markanten, sechseckigen Terminal A. Erst Ende Oktober 1990 war es der Lufthansa möglich Linienflüge ab Tegel anzubieten. Zu DDR-Zeiten hatte sie West-Berlin nicht anfliegen dürfen.

Etwa eine Stunde nach dem letzten Abflug, übergab Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup einen symbolischen Schlüssel an den Regierenden Bürgermeister Müller. Für die offizielle Abschiedsfeier waren keine Zuschauer zugelassen: Wegen der Corona-Pandemie hatte der Flughafen nur für Passagiere und akkreditierte Medien geöffnet. Am Abend wurde dann von einer Mitarbeiterin der Flughafen verabschiedet und das Licht gelöscht.

Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel-Projekt GmbH, sagte dem rbb: "Wir haben ja acht Jahre warten müssen, aber es gibt auch noch genug zu tun in den kommenden Monaten." Im kommenden Jahr soll damit begonnen werden Kampfmitteln und andere Schadstoffen auf dem Gelände zu räumen. Der anschließende Umbau der Terminalgebäude und die Bebauung des Flugfeldes werde 20 bis 30 Jahre dauern, sagte Bouteiller.

In einer Reda sagte er, die fünf Quadratkilometer Fläche, die nun innerstädtisch frei würden, seien ein "historisch einmaliges Geschenk, um das uns viele Metropolen beneiden".

Letzte Flüge mit Fontäne verabschiedet

Am Samstag hatten Tausende Menschen beim Besuchertag die Gelegenheit genutzt, sich am Flughafen noch einmal zwischen Tower und Terminal A umzusehen. Der Andrang war vor allem auf der Besucherterrasse groß. Von dort aus waren noch etliche Starts und Landungen zu sehen - insgesamt standen für Samstag 70 Flugbewegungen an, ein gutes Dutzend Maschinen wurden beim Abflug mit Wasserfontänen verabschiedet.

In der Nacht auf Sonntag erfolgte die dritte und letzte große Umzugswelle an den Flughafen Berlin-Brandenburg (BER). Damit sind 31 Airlines zum BER gezogen, darunter die Lufthansa-Gruppe mit Austrian, Swiss, Eurowings und Brussels Airlines, sowie Air France und British Airways. Der Luftverkehr der deutschen Hauptstadt ist ab Sonntag komplett am Standort Schönefeld konzentriert.

Bündnis freut sich auf "himmlische Ruhe"

Das Aus für den Flughafen bleibt auch am Wochenende seiner Schließung umstritten. Der Berliner FDP-Vorsitzende Sebastian Czaja nannte sie "ein Denkmal demokratischer Ignoranz". Seine Partei hatte zusammen mit dem Verein Pro Tegel 2015 eine Initiative gestartet, Tegel offen zu halten. Bei einem für den Senat nicht bindenden Volksentscheid gab es 2017 für das Anliegen fast eine Million Stimmen und damit eine knappe Mehrheit. Eine Offenhaltung von Tegel wäre ohne die Zustimmung von Brandenburg und dem Bund nicht möglich gewesen.

Das Bündnis "Tegel schliessen. Zukunft öffnen" sieht das ganz anders: "Wir freuen uns - endlich himmlische Ruhe. Kein Aufschrecken aus dem Schlaf um 6 Uhr morgens, keine dauernde Unterbrechung von Gesprächen draußen im Park", teilte es am Samstag mit. "Und keine Flieger werden den Genuss beim Glas Wein auf dem Balkon am Abend mehr stören."

Tegel-Architekt führte letzte Inspektion durch

BER-Chef Lütke Daldrup empfing am Samstag den Architekten des Flughafens Volkwin Marg und führte ihn zum letzten Mal in dem beliebten Gebäude herum. "Noch nie ist ein erklärtes Monument so populär aufgenommen", sagte Marg dem rbb. Das habe es noch nie gegeben. Der Abschied von Tegel mache ihn jedoch nicht traurig. "So wie es bunt und erleuchtet ist, ist es gar nicht traurig. Im Gegenteil es ist wie Weihnachten", erklärte er.

Mit der Schließung Tegels werden mehrere Hunderttausend Berlinerinnen und Berliner von Fluglärm entlastet.

152 Kommentare

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  1. 152.

    Ich lebe in Reinickendorf in der Einflugschneise. Mich hat es nie wirklich gestört. Ich liebe TXL! Berlin braucht TXL und TXL braucht Berlin. Volksentscheid pro Tegel und die Politik macht was sie will?`Nun müssen Gerichte entscheiden!
    Es bleibt also Spannend!

  2. 151.

    So so. Aber wenn wir den CO2-Ausstoß reduzieren wollen genügt je Großstadt ein Flughafen, denn es erfolgen ja dann nur ganz wenig Flüge. Ehe eine andere Energieform zum Einsatz kommt vergehen noch Jahrzehnte. Da sind die überzähligen Flughäfen auch baufällig. Gleich jetzt schnellstens die Vielfliegerei sein lassen oder ist alles auf Lüge aufgebaut ?

  3. 149.

    Wenn Sie den Lärm und Gestank so sehr hassen, warum sind Sie dann geblieben? Hat Sie jemand gezwungen?

  4. 148.

    Tegel war eher das Tor zum Weg zu den Toren der Welt. Man munkelt übrigens, dass das Gebäude stehen bleiben soll und dass es zwar nicht in Hennigsdorf, so aber doch in Schönefeld Erstuvgeschaffen wurde. Angeblich muss man von Hakenfelde kommend nur 1x umsteigen.

  5. 147.

    Drauf reingefallen! Es gab nie einen Bürgerentscheid, Tegel weiter zu betreiben. Es gab nur einen Entscheid, den Senat aufzufordern, dass dieser prüfen möge, ob es eine Möglichkeit gäbe, Tegel weiter offen zu halten.
    Diese Möglichkeit gab es nie, weil die Planfeststellung dies bereits absolut ausgeschlossen hatte. Der Volksentscheid war für'n Popo. Tegel muss unwiederruflich 6 Monate nach voller Inbetriebnahme des BER schließen. Für eine "Weiterbetrieb" hätte es daher einer völlig neuen Genehmigung bedurft, die heute an diesem Standort nicht mehr durchsetzbar ist. Die Zeit des TXL ist rum.

  6. 146.

    Diesen Volksentscheid gab es, weil die FDP damit auf Dummenfang gehen wollte. Das ist ihr auch geglückt.

  7. 145.

    Kleingeister sehen immer wieder nur die Stadt. Dabei ist London das Zentrum Großbritanniens in vielerlei Hinsicht. Nennenswerte Luftfahrt-Drehkreuze gibt es außerhalb der Metropolregion deshalb auf der Insel nicht. Wie wichtig Berlin demgegenüber ist, erkennt man immer wieder leicht an der Bevorzugung von FRA, MUC, DUS und HAM durch Emirates.

  8. 144.

    Hast du gerade nicht andere Probleme wie Flughäfen oder versuchst du schon Fluchtpläne auszuloten, Donny? :-D

    https://www.tagesschau.de/wirtschaft/usa-trump-new-york-101.html

  9. 142.

    London hat 9 Flughäfen. TXL und SXF aufzugeben war ein Fehler.

  10. 141.

    Am 24. September 2017 fand in Berlin parallel zur Bundestagswahl ein Volksentscheid über den Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel statt. Nach dem offiziellen Ergebnis sprachen sich 56,1 Prozent der Teilnehmer für den Weiterbetrieb aus, 41,7 Prozent dagegen.Weil der Volksentscheid keinen Gesetzentwurf zum Inhalt hatte, ist das Abstimmungsergebnis rechtlich nicht bindend. Im Juni 2018 entschied das Abgeordnetenhaus Berlins, dass „der mit dem Volksentscheid ,Berlin braucht Tegel‘ gefasste Beschluss vom Senat nicht umsetzbar ist.“

    Warum jammert dann ein Regierender bei Abschiedsrede??? - Warum gibt es Volksentscheidungen???? die dann sowies über den Haufen geworfen werden. Habe den Glauben an die Berliner Regierung schon lange verloren.

  11. 140.

    "im Gegenteil, ich mochte das Fluggeräusch, auch weil es tatsächlich ein Symbol für das sprichwörtliche Tor zur Welt war, zusammen mit dem einzigartigen Flughafen, der vielen ein Gefühl von Heimat gab.
    Ich bin Zugezogene, erst seit eineinhalb Jahren hier, und ich trauere sehr um TXL.

    Kein Wunder, im Aspenweg waren sie weit weg von der Einflugschneise und eineinhalb Jahre lassen sich dort aushalten.

    Wenn sie den Lärm und Gestank so sehr lieben warum ziehen sie dann nicht zum BER? Oder zur Müllverbrennung Ruhleben?

    Ich habe leider nie Fotos gemacht, wie mein Balkon nach 3 Wochen Dauerberieselung mit Kerosinflocken aussah, oder wie es aussieht wenn in der HoKa I + II die Dachziegel von der Luftschleppe vom Dach geholt wurden. Oder wenn man sich nur noch drinnen aufhalten konnte wenn man sich unterhalten wollte. Alle 2 Minuten war der Lärm so stark, dass eine Unterhaltung unmöglich wurde.

  12. 139.

    Man kann sich über Technisches, Wirtschaftliches etc. streiten, aber über eines nicht: Der Flughafen von Tegel gehörte zur DNA von Berlin, und wenn daraus ein Teil entfernt wurde, wurde die Seele entfernt und es entsteht ein großes Loch, eine seelenlose Leere, eine ohrenbetäubende Stille und, wie es auf Plakaten heißt, Berlin verliert an Strahlkraft. Ein solches monumentales Kleinod einer Stadt, wie Tegel es war, schließt man nicht, gibt man nicht auf - es dennoch zu tun, ist schlicht pietätlos.
    Mich, in Hakenfelde, hat der Fluglärm nicht gestört, im Gegenteil, ich mochte das Fluggeräusch, auch weil es tatsächlich ein Symbol für das sprichwörtliche Tor zur Welt war, zusammen mit dem einzigartigen Flughafen, der vielen ein Gefühl von Heimat gab.
    Ich bin Zugezogene, erst seit eineinhalb Jahren hier, und ich trauere sehr um TXL.
    Vielleicht sollte Hennigsdorf ein Pendant bauen, wenn die Stadt Berlin auf ein solches Monument verzichten kann.

  13. 138.

    Leider falsch: Landungen und Starts waren seit 2012 auch bis 23.30h zulässig. Die Betriebszeiten wurden ausgedehnt, das habe ich schwarz auf weiss in einer Antwort auf eine meiner vielen Petitionen, die darauf abzielten, Flüge nach 22h nach SXF umzuleiten, was aus "wirtschaftlichen" Gründen und auch wegen einer Ablehnung der Deutschen Post leider keine Beachtung fand. Ich habe also auch versucht, alle anderen Anwohner vor dem Lärm nach 22h zu schützen. Denn wie soll man Leuten beibringen, ab 22h Zimmerlautstärke zu halten, aber gleichzeitig wird geflogen, bis der Arzt kommt?
    Und später, nach 23.30h eintreffende Maschinen wurden nicht umgeleitet - zumindest in den Ferienzeiten ging es manchmal bis weit nach 0h. Abgesehen vom Postflieger, der um 0.45h kam und gegen 01.20h wieder abflog. Außerhalb der Ferien wurden Maschinen zuweilen nach SXF oder LEJ umgeleitet, aber das waren nicht sehr viele. Außer, es war wetterbedingt.

  14. 137.

    Wo hat silwa geschrieben, dass die Zusatzstromversorgung der Flugzeuge nachts ständig gelaufen sei?

  15. 136.

    Warum? TXL durfte offiziell auch nur bis 23:00 Uhr angeflogen werden. Pünktlich ab 23:00 Uhr waren dann auch fast sämtliche Taxis weg. Hab dieses Chaos selbst einmal erleben dürfen. Alles was später doch noch rein kam, war Kulanzzeit für Flieger, die schon im Anflug waren. Das wird am BER ganz sicher auch nicht anders gehandhabt werden. Es macht halt wenig Sinn, einen Flieger, der schon im Anflug ist, mitten in der Nacht nach Leipzig oder Hannover umzuleiten.

  16. 135.

    Schon eigenartig, dass in Selchow, was direkt neben den Wartungshangars liegt, nächtens nichts von dem was Sie behaupten, zu hören ist. Wer weiß, was Sie da gehört haben - da kann ich das mit dem Halbwissen nur bestätigen.

  17. 134.

    Nachts waren Triebwerksläufe verboten, es gab diesbezüglich klare Vorschriften. Und was ist an einer APU erfunden?

  18. 133.

    Was allerdings auch eine Frechheit ist, dass An- und Abflüge am BER nicht nach 23h stattfinden, diese aber selbst nach dem ersten Lockdown über Tegel bis 23.30h stattfanden. Diese Verlogenheit ist anmaßend und hat die Menschen in Pankow, Reinickendorf, Spandau und Staaken weichgekocht und dem TXL die Akzeptanz genommen. Der BER soll also als "Drehkreuz" fungieren und ist aber, was das Nachtflugverhalten betrifft viel seichter als es Tegel jemals sein durfte. Das empfinde ich widerlich. Danke Politik und Wirtschaft für diese Manipulation der Massen. Selbst ich als Tegelfan habe ständig Petitionen gegen den NAchtflug eingereicht und wurde immer wieder abgeschmettert, die Begründungen waren hanebüchen. Ich bin ehrlich wenn ich sage, dass der BER ruhig 24/7 ohne Rücksicht auf Andere agieren sollte - warum wird für die "paar Hansels" südlich Berlins mehr Rücksicht genommen als es auf Hunderttausende Berliner*innen getan wurde?
    Wie ich aber bereits schrieb: Tegel ist Geschichte und gut ist.

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