Flughafen TXL schließt - Tegel gehörte zur DNA dieser Stadt

Sa 07.11.20 | 08:49 Uhr | Von Ulli Zelle
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Archivbild: Der Flughafen Tegel im Januar 2020 (Bild: imago images/Jürgen Ritter)
Video: Abendschau | 06.11.2020 | Ulli Zelle | Bild: imago images/Jürgen Ritter

Hier wurden Staatsgäste, Weltmeister und Rockstars empfangen, pendelten Geschäftsleute und starteten Urlauber: Am Sonntag geht im Flughafen Tegel endgültig das Licht aus. rbb-Reporter Ulli Zelle wird ihn vermissen - freut sich aber auch auf den Neustart des Sechsecks.

Aus. Schluss. Vorbei. Der Flughafen Tegel gehört ab Sonntag der Geschichte an, das Zeichen TXL wird aus der Luftverkehrssprache gestrichen – doch wenn die letzte Maschine das Rollfeld am Sonntag verlässt, bleiben eine Menge Erinnerungen und Emotionen zurück.

Tegel gehörte zur DNA dieser Stadt. Und wer nicht gerade in der Einflugschneise lebte, mochte diesen City-Airport. Er war schnell zu erreichen. Und einmal da, waren es nur ein paar Meter vom Bus, Taxi oder Auto in den Flieger. Und das Schönste: Es gab kein ewiges Schlangenlinienlaufen durch Duty-Free-Shops. Es ist eine Meisterleistung der damals jungen Architekten von Gerkan und Marg, ihre Sechsecke-Idee war einfach genial. Das kann jeder bestätigen, der die endlos langen Rollbänder und Flure anderer Flughäfen kennt.

Provinziell, aber auch familiär

Vielleicht war Tegel provinziell, aber typisch Berlin. Das ging schon mit der Currywurst-S-Bahn am Eingang los. Und das Personal, so hörte ich immer wieder, fühlte sich wie eine "Flughafenfamilie". Schließlich haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Menge durchgemacht. Selbst als die Kapazität mit über 20 Millionen Passagieren pro Jahr - gebaut wurde er für zwei Millionen - erreicht wurde, hat es irgendwie doch geklappt, auch wenn es vorher klemmte. Wir erinnern uns an Warteschlangen am Counter oder beim Gepäck.

Und doch hat es der Liebe der meisten Passagiere zu ihrem Flughafen nicht geschadet. Wir haben Tegel verziehen. Am Ende war der Lack ab und wurde auch nicht mehr frisch gestrichen - der BER sollte ja bald ans Netz gehen. Danke Tegel für das Durchhalten.

Freiwillige stampften die Landebahn aus dem Boden

Mit Tegel verbindet sich so viel Berliner Geschichte. Während der Blockade stampften Freiwillige in wenigen Wochen die damals längste Landebahn Europas aus dem Boden. Tegel lag im französischen Sektor, war Heimathafen der Air France, später kamen PAN AM und British Airways dazu. Zu Mauerzeiten war Tegel ein Tor zur freien Welt – und das erklärt auch, dass viele ältere Berliner selbst in den Einflugschneisen den Fluglärm nicht als störend empfanden, sondern als sicheres Signal dafür, dass es diese unkontrollierte Brücke in die Bundesrepublik gibt. Das ist nun Geschichte, wie auch Air Berlin, diese private Fluggesellschaft, die den Namen der Stadt in alle Welt trug und mit der Tausende aus dieser Stadt in die Ferien flogen.

"In Tegel begegnete ich meinen Stars"

Für mich als Reporter spielt Tegel eine wichtige Rolle bei der Berichterstattung in dieser Stadt. Hier sind sie alle gelandet, die Polit-Prominenz, der Papst, die Queen oder die Fußballweltmeister. Kurios, ich konnte den Star-Tenor Placido Domingo als einzigen Passagier einer Frachtmaschine nach Frankfurt begleiten. Eine VIP-Ausnahme der PAN AM damals. In Tegel begegnete ich meinen Stars von den Bee Gees bis Frank Zappa. Hier berichteten wir live, wenn der Flugbetrieb zum Stillstand kam, bei Smog, Streiks oder der isländischen Aschewolke.

Die Tegel-Schilder in der Stadt werden alle verschwinden

Der Flughafen erfährt nun eine neue Nutzung als Hochschule, Campus, hölzerne Stadt der Zukunft mit vielen Start-Ups auf dem ehemaligen Rollfeld. Das ist gut so und wir werden uns daran gewöhnen – und das später auch toll finden. Aber der Ausbau dauert noch.

Und auch das werde ich mir abgewöhnen müssen: Diesen Reflex, auf der Stadtautobahn zu denken: Hier geht’s zum Flughafen. Das ist vorbei. Die Tegel-Schilder in der Stadt werden alle verschwinden. Die Erinnerung bleibt. Und sie bleibt länger als bei anderen Gebäuden, die aus dem Stadtbild verschwunden sind.

Der Abschied muss sein, die Zukunft des Berliner Flugverkehrs liegt jetzt im Süden der Stadt. Aber wie schwer dieser Abschied vielen fällt ist auf einer Spundwand an der Stadtautobahn, die am Flugfeld vorbeiführt, abzulesen. Selbst in den letzten Tagen von Tegel sitzen dort Leute und blicken aufs Rollfeld, beobachten und fotografieren die letzten Flieger. Tschüss TXL. Roger und Over.

So soll die "Urban Tech Republic" aussehen

Beitrag von Ulli Zelle

33 Kommentare

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  1. 33.

    Und wieder ein typischer Kommentar von Alfred N: alles im Westen war schlecht. Meine Güte, in ihrer DDR war auch nicht alles Gold. Tegel war ein guter Flughafen, der 10x mehr Passagiere ertragen konnte als er eigentlich sollte. Trotz technischer Vernachlässigung. Von wegen West-Berliner Brille. Wischen Sie sich mal wieder den Staub von ihrer Ost-Berliner Brille ab.

  2. 32.

    @ alle TXL-Fluglärmgeplagten, die nun auch bei geöffneten Fenstern durch- und ausschlafen können: Ich freu mich mit Euch! Auch hier in Neukölln knallten damals die Sektkorken in der Einflugschneise, als THF geschlossen wurde.
    Ich wohne mitten drin in der Stadt - zu beiden Flughäfen die gleiche Entfernung. Mir war immer SXF lieber, weil man dort mit den Öffentlichen besser hinkommt und weil's im Flughafen nicht so furchtbar eng ist. - Auch wenn TXL von außen natürlich viel cooler aussieht. ;-))

  3. 31.

    Wie hoch ist wohl der Anteil der Siemensianer an der Zahl der Passagiere? 10% 30% Oder gar 50%, dass Sie das so oft wiederholen? So wie früher zum Flughafen laufen war halt ein Privileg, dass nur sehr wenigen vergönnt gewesen ist.

  4. 30.

    Man sollte doch sachlich bleiben und nicht die Leute , die Tegel vermissen , als bekloppte darzustellen.

  5. 29.

    Für die Leute die sich freuen das TXL zu macht , wird bald Post vom Vermieter kommen mit einer Mieterhöhung selbstverständlich.
    Wegen Ruhiger Lage.
    Höre schon die Sektkorken knallen.
    Ein Ex-Pankower

  6. 28.

    Was die "Siemensstadt 2.0 angeht... Reden wir nicht drüber... - Ja, ich meinte die Techniker im Interkont.-einsatz in Nah- oder Fernost. Die lange Reisen vor sich haben und sich über jede Minute weniger Anreisestress freuen. Die halbe Std. Fahrzeit zum BER stimmt zwar theoretisch, aber was ist bei Stau, Unfall, Stop-and-go auf der Autobahn? Daher muss bereits deutlich früher losgefahren werden. Plus Vorlaufzeit am Airport.(Die A...karte hatten hier übrigens schon immer die Koll., die mit El Al Israel Airlines ab SXF unterwegs waren. Da muss man nämlich 3h vorher antanzen.) - Ein wichtiger Faktor gerade im Geschäftsreiseverkehr ist Pünktlichkeit. Termin ist Termin und Zeit Geld. Die Erfahrung zeigt hier, dass es gerade innerdeutsch zuverlässiger ist, zu fliegen, als die Bahn zu nehmen, da weit weniger störungsanfällig. War schon öfter privat per Bahn in M, von drei Fahrten waren zwei unpünktlich+ einmal mussten alle unterwegs raus, Hindernis auf der Strecke. Super...

  7. 27.

    Lieber RBB, vielen Dank für die schöne Fernsehsendung "Bye Bye Tegel", die uns heute einen schönen Fernsehabend voller Erinnerungen, v.a. aber auch mit interessanten Einblicken in noch nicht Bekanntes hinter den Kulissen bereitet hat.

  8. 26.

    Als ich das Gedränge auf der Aussichtsplattform und das volle Flugzeug sehen musste, hatte ich das sichere und verzweifelte Gefühl, mit dem Lockdown und Corona von der Politik betrogen und verschaukelt zu werden. Den Journalisten ging der Satz "nicht ganz Coronagerecht" locker von den Lippen.Ich muss auf alles verzichten, was mir wichtig ist, Kontakte, Kultur, Existenzen werden aufs Spiel gesetzt weil die Infesktionszahlen angeblich bedrohlich steigen, aber zum Abschied von Tegel sind enge Kontakte von vielen Menschen nicht gefährlich? Wie falsch und verlogen ist das alles?

  9. 25.

    "Siemensianer von der Wiege bis zur Bahre" ... war einmal. Was ist denn Siemens noch in Berlin? Ein Immobilienhändler.

    "... dennoch müssen gewissen Baustellen eben bereist werden und Techniker dorthin entsandt, und für diese wird nun alles umständlicher".

    Wer dafür innerdeutsch das Flugzeug braucht macht etwas verkehrt. Wer so plant, dem würde ich nicht einmal den Austausch eines Wasserhahns durchführen lassen. Und wer nach Dubai fliegt, mein Gott 30 Minuten länger bis zum BER...

  10. 24.

    Für wen Tegel auch super war: Siemens. Der ganze Geschäftsreiseverkehr lief von dort, man konnte vom Büro schnell zum Flughafen und retour, und zwar sowohl in die Siemensstadt selber als auch in die Huttenstraße. Jetzt aber sprengt es einem den Arbeitstag komplett. Allerdings ist SIemens in Sachen Videokonferenz auch schon deutlich weiter gekommen, dennoch müssen gewissen Baustellen eben bereist werden und Techniker dorthin entsandt, und für diese wird nun alles umständlicher.
    PS: Ich bin privat als Spandauer auch nicht gerade begeistert von der nun sehr langen Anreise zum BER, der sich nicht wegdiskutieren lässt, besonders nicht, wenn man -wie ich- direkt an der Stadtgrenze und nicht gleich am Bahnhof Spandau wohnt.

  11. 23.

    Kommt immer darauf an, wo man hin will. Spandau, Moabit, Ernst-Reuter-Platz, ruckizucki ist man da.
    Für mich und meine Familie war die Lage ideal. Wir behalten den TXL in guter, positiver Erinnerung und wurden trotz Wohnlage im 60dB-Bereich nie schlimmer gestört, außer dass man mal ne Sprechpause machen musste, wenn man im Garten telefoniert hat und gerade ein Flugzeug kam.
    Ich verstehe aber auch, dass viele, denen ja bereits ein Ende des TXL 2007 verheißen worden war und die täglich diese riesigen, bedrohlichen Flugzeugschatten über sich hatten, sich freuen.
    Kurzum: Ich selber bin traurig, unser Lärm war erträglich, wir lieben TXL und selbst seine sauteure Kurzparkerzone mit 6 EUR pro Viertelstunde, haben letzte Woche bei freiem Parken persönlich Abschied nehmen können, sind dem Flughafen sehr dankbar und werden den Standort vermissen.
    Dennoch besteht Verständnis für andere Sichtweisen.

  12. 22.

    Klar werden Sie das Projekt in Tegel noch miterleben. Da bin ich mir ganz sicher. Ist doch jetzt ein“Vorzeige-Objekt“ im Norden Berlins geworden. Da wird weder gekleckert sondern geklotzt werden, was das Zeug hält.

  13. 21.

    Also wenn Spandau wirklich im Norden dieser Stadt liegt, könnte ich Ihnen Rostock

  14. 20.

    Die Weltstädte mit mehr als einem Flughafen sind allerdings zugleich auch wichtige *nationale* Luftfahrt-Drehkreuze. Berlin hatte 1945 diese Rolle verloren. Für die Bundesrepublik ist das Frankfurt geworden. Da wir zudem ein föderale Land mit vielen Wortschaftszentren sind, gibt es auch noch MUC und DUS. In UK domiert London den Rest des Landes, in Frankreich Paris. Berlin ist zwar Hauptstadt, aber jenseits der Partyszene wirtschaftlich nicht herausragend. Deswegen fliegt Emirates lieber auch nach HAM und STR als zum BER.

  15. 19.

    "Zuletzt bin ich aus NY gekommen und war in 5 min im Auto...megacool"

    Und anschließend 45 Minuten im Stau... mega ... doof.

  16. 18.

    Ach Ulli, Du hast mit Sicherheit nicht in der Einflugschneise gewohnt. Außer ein paar Bekloppten, die den Fluglärm vermissen oder lt. eigenen Aussage schon so gestört sind dass sie den Fluglärm nicht mehr gehört haben, atmen ein paar Hunderttausend Berliner auf.

    Hier fliegen jedenfalls morgen die Sektkorken.

  17. 17.

    Alles verständlich. Als ich den TXL das erste mal sah war ich voll begeistert. Kannte ja nur Schönefeld. Schön, dass soviel bei der Nachnutzung erhalten bleibt.

  18. 16.

    Und wieder ein Stück Geschichte Was geschlossen wird, Ein Stück Berlin verschwindet.

  19. 15.

    War nicht mehr zeitgemäß !

  20. 14.

    Sie hatten aber immer den Flughafen Schönefeld in Reichweite. Wir Nordler haben nun nichts mehr.

    Berlin will Weltstadt sein und hat nun nicht einmal mehr einen Flughafen. Weltstädte haben 2 oder 3 Flughäfen. Sind nun vom Wohlwollen Brandenburgs abhängig. Ganz toll! - Auch die Taxifahrer werden hängen gelassen.
    Die Politiker machen unsere Stadt immer mehr zum Dorf - Vedammt traurig!

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