Interview | Amri war in Moscheeverein - Was wissen wir über die Fussilet-Moschee?

Fr 23.12.16 | 17:26 Uhr
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Der Hauseingang zu den Räumen des Moschee-Vereins in Berlin-Moabit, in denen sich der Terrorverdächtige Amri aufhielt (Quelle: dpa/Maurizio Gambarini)
Bild: dpa

Vorstände bezeichneten ihren "Fussilet 33"-Moscheeverein in Moabit selbst als "Moschee der ISIS-Leute". Laut Ermittlern gehöre der Verein schon längst verboten. Die Berliner Behörden wollen ein Verbot nun prüfen.

Der Berliner Senat will erneut ein Verbot des Moscheevereins "Fussilet 33" in Berlin-Moabit prüfen. Man werde sich den Verein "Fussilet 33" noch einmal besonders anschauen, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) nach einer Sitzung des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus. Zu einem möglichen Verbot werde man sich voraussichtlich im Frühjahr 2017 äußern.

Am Freitagmorgen war die Berliner Polizei zu einem Einsatz in dem Moschee-Verein ausgerückt. Mehrere Männer wurden aus dem Haus zu einem Taxi geleitet, der Moschee-Verein habe von sich aus beschlossen, vorerst zu schließen, hieß es vor Ort. Die Polizei äußerte sich nicht zu dem Einsatz und verwies auf die Bundesanwaltschaft, die die Ermittlungen führt.

Ermittler sind frustriert, dass der Verein "Fussilet 33" noch nicht verboten wurde.

Warum das so ist, erläutert der rbb-Reporter Jo Goll, der über mehrere Monate hinweg in der Islamistenszene recherchierte:

Was wissen wir über die Moschee, vor der der mutmaßliche Attentäter Anis Amri gefilmt wurde?

Der Moscheeverein heißt "Fussilet 33" und ist nach einer Koransure benannt. In Ermittlerkreisen ist die Moschee als die IS-Moschee der Hauptstadt bekannt und die Moscheevorstände selbst bezeichnen ihr Haus als "Moschee der ISIS-Leute Berlin". Das geht aus Abhörprotokollen von Telefonaten hervor.

Gegen mehrere Ex-Vorstände laufen zudem Verfahren, zum Beispiel gegen Ismet D., der sich selbst als den "Kalifen von Wedding" bezeichnet. Ein Vorstandsmitglied sitzt nach seinem Prozess bereits in Haft. Der Vorwurf lautet: Rekrutierung von jungen Leuten für den sogenannten Heiligen Krieg und Schleusung dieser Anhänger nach Syrien und in den Irak.

In der Moschee sollen außerdem Märtyrer-Videos produziert worden sein, wie sie im Zusammenhang mit Selbstmordattentaten immer wieder auftauchen. Ein weiterer Verdacht: Kämpfer in Syrien sollen mit militärischem Equipment wie Zielfernrohren und Nachtsichtgeräten versorgt worden sein.

"Fussilet 33" ist zudem eine Anlaufstelle für Gläubige, vor allem aus Tschetschenien. Aus Sicherheitskreisen in Brandenburg ist bekannt, dass manche in der Moschee auch mit der organisierten Kriminalität in Verbindung gebracht werden.

Warum ist der Moscheeverein "Fussilet 33" nicht verboten?

Aus Sicherheitskreisen ist zu hören, dass es einen Verbotsantrag gibt, der der Innenverwaltung vorliegt. Einige Ermittler sind stinksauer. Von ihnen heißt es, es würden ständig Beweise und Belege zusammengetragen – das Gleiche gilt auch für die umstrittene Al-Nur-Moschee in Neukölln – aber nichts passiert. Vereinsverbote sind zwar kein Allheilmittel gegen Radikale und Islamisten, dennoch gilt: Wer keine rote Linie zieht, sendet das Signal "Ihr könnt weiter machen". 

Die Observationen rund um die Uhr von Anis Amri wurden im September eingestellt, obwohl er als "Gefährder" galt. Woran liegt das und was lernen wir daraus?

Das Problem ist, dass ausgerechnet die Polizei in der Hauptstadt sich in einer dauerhaften Überlastungssituation befindet. Ich denke nicht, dass man den Ermittlern Vorwürfe machen kann. Klar ist aber, wir haben 150 islamistische Gefährder in dieser Stadt und wir haben acht mobile Einsatzgruppen. Das heißt, wenn zwei oder drei von den Gefährdern in enge Manndeckung genommen werden müssen und das sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag, dann ist die Berliner Polizei an der Belastungsgrenze angelangt. Da muss genau überlegt werden, wo die Prioritäten gesetzt und wer in den Fokus genommen wird. Die Staatsanwaltschaft hat im September angeordnet, die Observationsmaßnahmen einzustellen, weil scheinbar gegen Amri nichts mehr vorlag. Natürlich hat der Mann sich mehrere Monate ruhig verhalten, aber man wusste dennoch: Er ist brandgefährlich.

Innenstaatssekretär Torsten Akmann sagte zu einem möglichen Verbot des Vereins "Fussilet 33" im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses, es werde nun geprüft, ob "Verbotstatbestände" vorliegen, die einen solchen Schritt rechtfertigten. Dazu könnten Strafverfahren gegen Beteiligte gehören oder Hinweise auf Unterstützung terroristischer Vereinigungen. Der Moschee-Verein in Moabit wird im jüngsten Bericht des Berliner Verfassungsschutzes als Islamisten-Treffpunkt geführt.

11 Kommentare

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  1. 11.

    Henkel schickt anscheinend lieber Hundertschaften in die Rigaer Straße als 150 Gefährder zu überwachen und konsequent dingfest zu machen. beschämend

  2. 10.

    Eine neue Dimension in der Kriminalistik und in der Politik kündigt sich an. Zur Zeit schlafen sie wohl noch. Da musste sowas erst passieren.

  3. 9.

    Für mich stellt die Weigerung der Regierung die einreisenden Menschen, die ja auch Terroristen sein können, an den Grenzen zu kontrollieren eine "Unterstützung terroristischer Vereinigungen" dar. Auch eine Abschiebung ist meiner Meinung nach völlig sinnlos da diese Menschen ja morgen wieder da sein können, wenn man die Grenzen nicht kontrolliert. Die Regierung hat selbst vor ISIS-Kämpfern unter den Flüchtlingen gewarnt, scheint aber alles zu tun um diese an Ihrem tun nicht zu hindern.

    Eine neue Richtlinie der EU zum Terror besagt im Artikel 3 "liegt eine terroristische Absicht dann vor, wenn die Bevölkerung auf schwer wiegende Weise eingeschüchtert werden soll, ... die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes ... destabilisiert oder zerstört werden sollen."

    Das (nicht)handeln der Regierung erfüllt nach meiner Meinung diesen Tatbestand.

    Das gesagte stellt alles nur meine Meinung und keine Tatsachenbehauptung dar.

  4. 8.

    Es ist beschämend, wie dieser Staat mit Verbrechern umgeht.

  5. 7.

    Ein Muslim mit deutscher Staatsbürgerschaft ist ein deutscher Bürger mit allen Rechten und Pflichten, die damit im Zusammenhang stehen. Er hat nicht nur ein "Gastrecht". Man kann diese Staatsbürgerschaft nicht einfach entziehen. Die einzige Möglichkeit des Rechtsstaates, gegen die gewaltbereite religiöse Radikalisierung der eigenen Bevölkerung vorzugehen, ist die strafrechtliche Verfolgung.

  6. 6.

    Herr Henkel hat lieber Dutzende Polizisten in die Rigaer Str. geschickt...... Aber die Überwachung eines Gefährders läuft ja im Stillen keine Publicity....ich bin unendlich traurig und hilflos.

  7. 5.

    Bitte verzichten Sie doch zukünftig auf Formulierungen wie "was wir wissen". Es ist anstrengend, diese gezwungen neutral wirken wollende Floskel nun überall zu lesen. Ob und was die wissen sollte im Text erkennbar sein, und nicht vorher angekündigt werden.

  8. 4.

    Ich respektiere den friedlichen und gnadenvollen Koran, Mosleme, die die Verbreitung mit Gewalt auch nur befürworten, sollten sofort ihr Gastrecht verwirkt haben, ausgewiesen und Ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden. Alles andere wird von den Gewalt-Islamisten nicht verstanden werden. Sie halten die Deutschen für "Muschis", mit denen man alles machen kann!

  9. 3.

    Das Schlimme ist, dass es in vielen Städten, zum Großteil schon lange, solche Gruppierungen gibt.
    Die Innenminister wissen schon allein aufgrund der hohen Anzahl von Gefährdern gar nicht wo sie anfangen sollen.
    Jahrelanges Desinteresse und Ahnungslosigkeit rächt sich jetzt.

  10. 2.

    Vielen Dank für die Infos! Die Berliner Polizei ist bei solchen Dienstherren nicht zu beneiden, über Herrn Henkel will ich mich hier lieber nicht weiter auslassen. Ich bin stinksauer und wäre ein Angehöriger von mir unter den zu beklagenden Opfern des Terrorakts am Breitscheidplatz, würde ich versuchen Henkel rechtlich zu belangen. Müller hat wohl auch geschlafen .. einfach nicht zu fassen.

  11. 1.

    Wo bleibt der bisherige Innensenator Henkel?

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