Angehörige sollen bis zu 72 Stunden im Unklaren geblieben sein - Opferbeauftragter kritisiert Informationspolitik nach Anschlag

Do 26.01.17 | 07:54 Uhr
Zwei Frauen gedenken der Anschlagsopfer am Berliner Breitscheidplatz (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Bild: dpa/Britta Pedersen

Bis zu 72 Stunden lang sollen Familien nicht erfahren haben, ob ihre Angehörigen unter den Toten des Anschlags am Breitscheidplatz sind. Der Berliner Opferbeauftragte wirft den Behörden vor, die Informationen gezielt zurückgehalten zu haben.

Nach dem Terroranschlag an der Berliner Gedächtniskirche wussten Familien offenbar bis zu 72 Stunden nicht, ob ihre Angehörigen unter den Toten sind. Das sagte Berlins Opferbeauftragter Weber am Mittwoch im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses. Er schilderte Mängel bei der Betreuung von Verletzten und Hinterbliebenen.

Opferbeauftragter spricht von Hinhalte-Taktik

Informationen über Opfer seien gezielt versagt worden, so der Vorwurf Webers. Der Opferbeauftragte sprach von einer Hinhalte-Taktik und von einer ungeheuren Belastung für Betroffene. Gesprächen habe er entnommen, dass die Hotline der Polizei anfangs über Stunden nicht erreichbar gewesen sei. Familien hätten zudem von wenig sensiblen Befragungen zu körperlichen Merkmalen von Opfern für die Identifizierung berichtet.

Kritisiert worden sei aber nicht menschliches Versagen, sondern eine Überlastung der Beamten. Weber regte deshalb eine mobile Zentralstelle für Opferfragen an. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) kündigte an, er werde sich darum kümmern. Behrendt versprach außerdem eine schnelle Bearbeitung von Entschädigungs-Anträgen. Bisher lägen 22 Anträge beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) vor, sagte der Senator.

Es werden noch Schwerverletzte in Krankenhäusern behandelt

Mindestens neun Schwerverletzte werden nach dem Anschlag noch in Krankenhäusern behandelt. Der Opferbeauftragte Weber sagte, ein Arzt habe erklärte, eine ganze Anzahl von ihnen müsste mit bleibenden Schäden rechnen.

Bei dem Anschlag am 19. Dezember war der Tunesier Anis Amri mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt bei der Berliner Gedächtniskirche gefahren. Er tötete zwölf Menschen und verletzte mehr als 50. Vier Tage später wurde er bei einer Polizeikontrolle in Italien erschossen. Zuvor hatte sich Amri in einem Video zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt.

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