Knapp ein Jahr nach Terroranschlag - Merkel besucht überraschend den Breitscheidplatz

Di 12.12.17 | 21:37 Uhr
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besucht den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. (Quelle: dpa/Michael Kappeler)
Bild: dpa/Michael Kappeler

Kurz vor dem Jahrestag des Terroranschlags am 19. Dezember hat Bundeskanzlerin Angela Merkel überraschend den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz besucht. Auch eine Blume legte sie nieder. Hinterbliebene der Opfer hatten sich Anfang Dezember bitter über Merkel beklagt.

Zur Überraschung von Weihnachtsmarkt-Gästen und Standbetreibern hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstagabend den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg besucht.

Vor knapp einem Jahr, am 19. Dezember 2016, war der islamistische Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen auf den Platz gerast und hatte insgesamt zwölf Menschen getötet und rund 70 verletzt. Vier Tage später wurde Amri auf der Flucht in Italien von Polizisten erschossen.

Kanzlerin spricht mit Passanten und Budenbetreibern

Auf dem Weihnachtsmarkt unterhielt sich die CDU-Chefin mit Passanten, Besuchern und Budenbetreibern. Bei dem nicht angekündigten Besuch informierte sich Merkel auch bei Polizisten. An der Stelle des Anschlags, wo immer wieder Blumen abgelegt und Kerzen angezündet werden, verharrte Merkel zusammen mit dem Chef des Berliner Schaustellerverbandes, Michael Roden, und dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft City, Klaus-Jürgen Meier. Anschließend legten sie jeder eine weiße Rose nieder.

Am Stand "Berliner Weihnachtsterrasse" ließ sich die Kanzlerin einen alkoholfreien Glühwein einschenken. Beim Besitzer des Standes, Axel Kaiser, und seinen Mitarbeitern bedankte sie sich für ihren Einsatz vor einem Jahr. An Kaisers Stand wurden damals leicht verletzte Opfer versorgt. Kaiser berichtete, wie er Polizisten weinen sah. Den Besuch der Kanzlerin bezeichnete er als tolle Geste und Zeichen, dass der Weihnachtsmarkt sicher sei. Bei dem nicht angekündigten Besuch informierte sich Merkel auch bei Polizisten der mobilen Wache. Nach dem Attentat waren auf vielen Weihnachtsmärkten die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden.

Hinterbliebene beklagen mangelnde Anteilnahme

Hinterbliebene des Terroranschlags hatten sich Anfang Dezember über mangelnde Anteilnahme durch die Kanzlerin beklagt. Auch fast ein Jahr nach dem Anschlag habe ihnen die Kanzlerin weder persönlich noch schriftlich kondoliert. "Es ist eine Frage des Respekts, des Anstands und eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass Sie als Regierungschefin im Namen der Bundesregierung unseren Familien gegenüber den Verlust eines Familienangehörigen durch einen terroristischen Akt anerkennen", heißt es in einem offenen Brief, aus dem das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zitierte.

Ebenso warfen die Angehörigen der Bundesregierung Untätigkeit vor. Die Rede war von "mangelhafter Anti-Terror-Arbeit", die alarmierend sei. In einer Zeit, in der die Bedrohung durch Islamisten zugenommen habe, sei versäumt worden, "die Reformierung der wirren behördlichen Strukturen" voranzutreiben.

Opfer-Beauftragter äußert Verständnis für Kritik

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Opfer des Anschlags, Kurt Beck (SPD), hat Verständnis für die Kritik geäußert. Die Angehörigen hätten ein Treffen mit Merkel erwartet, sagte Beck der Mittwochsausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". So hätten die Betroffenen jedoch das Gefühl, "dass ihr Opfer nicht ausreichend gewürdigt" worden sei.

Merkel wird in der kommenden Woche auch zur zentralen Gedenkveranstaltung erwartet. An dieser nimmt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teil. Steinmeier wird bei der religionsübergreifenden Andacht am Morgen des 19. Dezember in der Gedächtniskirche direkt am Tatort sprechen. Merkel gehört nicht zu den Rednern.

Nach Aufdeckung von vielen Ermittlungspannen und Behördenversäumnissen scheint inzwischen klar zu sein, dass das Attentat hätte verhindert werden können. Wie jüngste Recherchen des rbb und der Berliner Morgenpost ergaben, soll Amri gezielt für den Anschlag angeworben worden sein.

Sendung: Inforadio, 12.12.2017, 20.40 Uhr

19 Kommentare

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  1. 19.

    Nach einem Jahr schweigen, wegducken, unter den Teppich kehren, läßt sich die Frau aus ihrem Elfenbeinturm herab und bekundet Mitgefühl, Mitleid und ist eine Hilfe in der Not.
    Sehr theatralisch und das plötzliche ungeplante Auftauchen lässt die Kritiker verstummen.
    Sie sind einfach überrumpelt worden.
    Ehe für Alle, Atom- und Kohleausstieg, die plötzlichen Sinneswandel zeugen wahrlich von einem "großen Herz" und "Anstand".
    Auch für Überraschungen

  2. 18.

    Och nee, da hatten die Dauerempörten im Land ja gar keine Zeit, Störaktionen zu organisieren.

  3. 17.

    Anständig wäre es gewesen, wenn sie kurz nach dem Anschlag unbürokratische Hilfe zugesagt hätte und nicht am 20.12. in einem Trauergottesdienst gestanden hätten, als die Angehörigen von Todes- und Verletzungsopfern noch nicht einmal wußten, dass sie Angehörige dieser Personengruppe sind.
    Für diesen Besuch hat es eines wütenden Schreibens der Hinterbliebenen bedurft, denn ohne den wäre auch gestern keine Kanzlerin auf dem Breitscheidplatz aufgetaucht, um sich 359 Tage nach dem Anschlag erstmalig mit einzelnen Leuten dort zu unterhalten, die ggf. noch nicht einmal letztes Jahr den Anschlag miterlebt haben.

  4. 15.

    Mich überraschen diese Kommentarspalten doch immer wieder. Nun wird also moniert, dass Frau Merkel auf dem Breitscheidplatz gewesen ist. Zuvor wurde moniert, dass sie es bisher nicht getan hat. Und Menschen, die Frau Merkel nie persönlich kennengelernt haben, klären uns Leser/innen über Charakterzüge der Kanzlerin auf. Was für kluge Leute sich in unserem Land leben!

  5. 14.

    Nein, hat sie nicht. Sie hat den Angehörigen eben NICHT kondoliert. Sie hat den Platz besucht, eine Blume niedergelegt, mit diversen Leuten (u. a. der Polizei und mindestens einem Standbetreiber) gesprochen und einen Glühsaft getrunken. Weiter nichts. Das mag (aus Sicherheitsgründen) spontan gewesen sein, doch echte Anteilnahme funktioniert anders (und vor allem: zeitnäher).

  6. 13.

    Hat sie doch getan. Gleich nach dem Anschlag war sie vor Ort und hat anschließend den Herrn Altmeier als Beauftragten zur Regelung eingesetzt.

  7. 12.

    Diese Frau hat mehr Anstand als die meisten Schreiber hier! Denn Sie hat ein gutes Herz und hilft den Menschen in ihrer Not! Deshalb ist sie ja auch so beliebt.

  8. 11.

    Unanständiges Verhalten begegnet mich Tagaus,tagein wenn ich nur vor d.Haustür gehe.Unsere Kanzlerin ist auch bei mir nicht gerade sehr beliebt.Ihr Erscheinen am Breitscheidplatz kann man unterschiedlich auslegen.Für mein Dafürhalten hat ihre Gegenwart nicht gerade Protest ausgelöst bei d.Bevölkerung.Nicht einmal der Budenbetreiber Axel Kaiser hatte mahnende Worte für die Kanzlerin.Sicher wäre Fr.Merkel besser beraten gewesen,gleich nach diesem sinnlosen Anschlag vor Ort zu erscheinen.Das hat dafür unser Bundespräsident getan.

  9. 10.

    Prinzipiell ein Unding. Frau Merkel ist an Empathieunfähigkeit nicht zu überbieten. Wieder einmal musste sie förmlich gezwungen werden, ihr freundliches Gesicht zu zeigen. Für mich die unglaubwürdigste Person aller Zeiten.

  10. 9.

    Überraschend? Was für ein Unsinn ... Weder werden "überraschend" Gurken gekauft noch ein Glühweinstand besucht ... Dies ist immer geplant und mit allen Beteiligten inkl. "Drehbuch" für die Kameras schon seit Wochen abgesprochen ...

  11. 8.

    Natürlich hat Merkel ein schlechtes Gewissen. Das Einzige, was unmittelbar nach dem Anschlag von ihr zu vernehmen war, waren sinngemäß lobende Worte über die "wunderbare Ruhe der Menschen im Land, die sich durch Terror nicht verstören ließen." Ruhe als erste Bürgerpflicht. Deutlich sichtbar "passte" ihr dieser Anschlag nicht. Sie wirkte regelrecht beleidigt, dass man ihr, der mächtigsten und barmherzigsten Frau der Welt, so etwas antun konnte.
    Die Tatsache, dass es auch Opfer zu beklagen gab, würdigte sie nur peripher, wohl auch in der Angst, selbst in einen ursächlichen Zusammenhang gestellt werden zu können. Deshalb verbietet sich ihr Eigensinn bis heute, direkt auf die Opfer zuzugehen. Lieber 'ne wirkungsbedachte volkstümliche "Stippvisite" a la Mutti guckt mal rein auf einen Wein.

  12. 7.

    Zitat:
    "Hinterbliebene des Terroranschlags hatten sich Anfang Dezember über mangelnde Anteilnahme durch die Kanzlerin beklagt. Auch fast ein Jahr nach dem Anschlag habe ihnen die Kanzlerin weder persönlich noch schriftlich kondoliert."

    nun hat sie es ja doch noch geschafft

  13. 6.

    Merkel besucht überraschen den Breitscheidplatz? Überraschend für mich ist, dass es auf ihrem alten Robotron so etwas wie eine RobotronMap gibt. Diese scheint aber so veraltet, dass der Breidscheidplatz wahrscheinlich auf ihrer alten Robotron-Computermöhre seit 1989 kein Up-Date bekam. Da findet man Orte dann schlichtweg nicht so schnell!

  14. 5.

    Anstand? Anstand ist mit Sicherheit ein anderes Verhalten. Diese Frau handelt stets aus Kalkül.

  15. 4.

    Warum schreiben Sie das mit dem Anstand?

    Etwa weil Sie eine Mitschuld trägt oder wie meinen Sie das?

  16. 3.

    Für die Opfer wurde nichts getan- peinlicher und geheuchelter Auftritt ohne Mirgefühl!

  17. 2.

    Lieber spät als gar nicht.Ihre Geste zeigt zumindest Anstand.

  18. 1.

    hat Frau Merkel ein schlechtes Gewissen ?

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