Kitajagd - Berlin, der Platzkampf und ich | Teil 6 - "Dazu kann ich Ihnen nichts sagen"

Do 07.06.18 | 07:18 Uhr | Von Tina Handel
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Video: rbb Fernsehen | Vor Ort: Kita verzweifelt gesucht | 17.05.2018

Wenn das Abklappern jeder Kita im Bezirk nichts bringt, hilft vielleicht der Weg ins Bezirksamt? Das Familienservicebüro steht allen Eltern offen, beim Thema "Wohin mit meinem Kind?" stößt man dagegen nicht auf offene Ohren. Von Tina Handel  

In der Kitakrise ist man im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in etwa im Auge des Hurrikans. Probleme wirbeln vorbei, alles in der Umgebung dreht sich immer schneller. Man sieht den Sturm - und trotzdem ist es im Jugendamt, genauer in seinem viel beworbenen "Familienservicebüro", erstaunlich ruhig. Dort soll es eigentlich "Informationen rund um das Familienleben" geben, schreibt der Bezirk. Motto des Servicebüros ist ein motivierendes "Be Family!". Das Jugendamt hat sich auch einen Claim ausgedacht: "Unterstützung, die ankommt". Klingt alles gut.

Ich will im Familienservicebüro Rat einholen: Wie konsequent wird der Bezirk sich abschotten gegenüber Kita-Anmeldungen aus anderen Bezirken? Vor einigen Wochen ist schließlich bekannt geworden, dass Eltern aus Prenzlauer Berg keine Chance mehr haben in städtischen Kitas in Friedrichshain. Wer in Tempelhof wohnt, darf nicht mehr in Kreuzberg auf die Warteliste und so weiter.

Aber wie geht der Bezirk jetzt mit Eltern um, die sich vor dieser Entscheidung auf Wartelisten haben setzen lassen? Wird Friedrichshain-Kreuzberg irgendwann noch einen Schritt weiter gehen und selbst bei privaten Kitaträgern versuchen, nur Eltern von der eigenen Warteliste und aus dem eigenen Bezirk unterzubringen? Eine Kitaleiterin aus Friedrichshain hat mir bereits erzählt, dass die Verwaltung oft anrufe und um Plätze bitte.

Der Warteraum ist komplett leer

Ich habe also viele Fragen im Kopf und das Baby in der Trage. Angekommen im vierten Stock des Bezirksamts die Überraschung: Der Warteraum ist komplett leer. Wie kann das sein, wenn doch so viele Eltern Hilfe brauchen?

Die Tür des Familienservicebüros steht offen. Drei junge Mitarbeiterinnen sitzen da, sie scheinen sich – ich kann es nicht anders sagen – etwas zu langweilen. Mein erster Gedanke: Die haben sich den Berufseinstieg sicher anders vorgestellt.

Als ich mich vor den ersten Schreibtisch setzen will, ahnt die Mitarbeiterin dort schon Schlimmes: "Worum geht es denn?" - "Um das schöne Thema Kitaplätze", sage ich. "Da brauchen Sie sich gar nicht hinzusetzen, dazu kann ich Ihnen nichts sagen." - "Aha."

Das Thema Kitaplätze übernehme eine Kollegin, Frau P.. "Sie hat zweimal die Woche Sprechzeiten." - "Und wie sind die so nachgefragt?" - "Da ist es sehr voll, kommen Sie lieber früher." Als ich rausgehe, höre ich, wie die Mitarbeiterin einen Anruf zum Thema Elterngeld abwimmelt: "Das kann ich Ihnen nicht sagen, das müssen Sie unter der Durchwahl XY fragen – das steht doch auch im Internet."

Nach meinem Besuch habe ich viel mehr Fragen im Kopf als vorher: Warum beschäftigt ein Bezirksamt drei junge Frauen jeden Werktag, insgesamt 18 Stunden pro Woche, um Fragen abzuwimmeln und vorsichtig geschätzt zwei Besucher pro Tag zu beraten? Warum muss Frau P. in insgesamt sechs Stunden pro Woche den ganzen Eltern-Kita-Ansturm bewältigen – und steht wahrscheinlich kurz vorm Burnout? Könnte man da nicht, mindestens jetzt im Krisenmodus, umplanen? Jedes Unternehmen mit so einem Mitarbeitereinsatz hätte ein massives Problem.

Solche Gedanken – und natürlich auch meine ganzen ursprünglichen Fragen – will ich jetzt loswerden. Doch auf den Fluren des Bezirksamtes sagt alles: Lasst uns in Ruhe! Überall hängen gelbe Zettel, die Mitarbeiter haben sie noch liebevoll mit kleinen pinken Pfeilen drapiert, damit es wirklich niemand übersieht: "Liebe Eltern, das Jugendamt kann Sie leider momentan nicht bei der Kitaplatzsuche unterstützen!"

Der schwere Weg in die Bürgersprechstunde

An einer Pinnwand am Ende des Ganges hängt ein Zettel: die Termine der Bürgersprechstunde der Bezirkschefin Monika Herrmann von den Grünen. Ich wähle die angegebene Nummer. Denn ich will jetzt einen Termin in der nächsten Sprechstunde, um alle meine Fragen zu stellen. Am Telefon habe ich Frau K., eine wirklich nette Mitarbeiterin. Doch irgendwie scheint mir auch dieses Telefonat typisch dafür, wie es ist, wenn man etwas vom Bezirksamt will – zum Beispiel ein Date mit Monika Herrmann:

- "Hallo, ich wollte mich zur nächsten Bürgersprechstunde anmelden, geht um das Thema Kitaplätze."

- "Der Termin auf den Zetteln stimmt nicht. Die Sprechstunde ist einen Tag früher und sowieso schon voll."

- "Dann würde ich mich gern zum übernächsten Termin anmelden."

- "Kann sein, dass der so nicht stattfindet, weil Frau Herrmann im Urlaub ist."

- "Kann sein? Oder auch nicht? Wann weiß man das denn?"

- "Können Sie später noch mal anrufen und ich frage, wie das mit dem Termin ist?"

Etwas später rufe ich erneut an. Das Ergebnis:

"Also Monika Herrmann ist da im Urlaub, aber ich bin jetzt nicht mehr im Büro. Können Sie in ein paar Tagen noch einmal anrufen und fragen, ob es einen neuen Termin gibt?"

An dieser Stelle gebe ich auf.

Immerhin hatte ich bei meiner Odyssee im Bezirksamt kurz die Gelegenheit, ganz ohne Termin, mit Frau F. zu sprechen. Ja, das gibt es auch manchmal: Mitarbeiter, die sich zumindest einen Moment Zeit nehmen, ganz unbürokratisch. Allerdings sagen sie dann auch nur, was hier ohnehin an jeder Tür steht: Helfen können wir nicht.

Sendung: Inforadio | 03.06.2018 | 09:45 Uhr

Beitrag von Tina Handel

1 Kommentar

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  1. 1.

    Mich wundert es, dass eine telefonische Erreichbarkeit überhaupt gegeben war. Ich versuche öfters, im Bezirksamt (Ausnahme hier Ordnungsamt) jemanden zu erreichen. Entweder nimmt keiner ab oder der Anrufbeantworter gibt den Hinweis: "Hier ist der Anrufbeantworter der Durchwahl.... Der Teilnehmer ist momentan nicht erreichbar, bitte rufen Sie später nochmals an. "
    Das ist keine -viel beschworene- Bürgernähe...

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