Serie | Kitajagd - Berlin, der Platzkampf und ich | Teil 10 - "Ohne die Sparkassengespräche hätten wir keine Kita gefunden"

Sa 18.08.18 | 16:01 Uhr
Ein Schild mit der Aufschrift "Kindergarten" ragt in den weiß-blauen Himmel. (Quelle: dpa)
Bild: dpa

Ärzte, Juristen oder Techniknerds im Bekanntenkreis? Ganz praktisch. Im Berlin des Jahres 2018 sind aber andere noch viel nützlicher: Kitaleiterinnen, Erzieher oder wenigstens gut vernetzte Kita-Eltern, die gern ihre Kontakte spielen lassen. Von Tina Handel

Es ist Abholzeit in einer Kita in Friedrichshain, als ich mit dem Kinderwagen hereingerollt komme. Die Chefin wuselt gerade in ihrem Büro herum, Tür offen. Davor steht eine Mama, Kleinkind an der Hand: "Ich hatte Sie ja schon mal angesprochen, also wegen unseres Nachbarn", legt sie los. Die Chefin wuselt weiter am Schreibtisch, schaut kurz hoch: "Jaja, ich muss aber gleich weg." Die Mama lässt sich nicht beirren: "Sie haben ihn ja auch kurz kennengelernt", sagt sie. "Jedenfalls, der würde ja auch bald einen Platz brauchen. Soll ich schon mal ein Formular mitnehmen?"

So läuft das also, denke ich. Denn eigentlich will ich natürlich auch die Kitaleiterin sprechen, um zu erfahren, wie ich hier an einen Platz komme. Und zwar ohne den netten Nachbarn.

Ein Jurist im Bekanntenkreis ist praktisch - eine Kitaleiterin aber noch nützlicher

Welche Berufe man praktischerweise im eigenen Bekanntenkreis haben sollte, um ein möglichst stressfreies Leben zu führen – das sagt viel über die Probleme der jeweiligen Gesellschaft aus. Klar, Ärzte und Juristen, die können nie schaden, die hauen einen raus. Zu DDR-Zeiten hatte der Konsum-Verkäufer vielleicht noch etwas Bückware für seine Freunde. Mit einem Immobilienmakler sollte man sich für die Zukunft schon einmal anfreunden und ein Technikcrack, der die Festplatte defragmentiert, wird auch immer wichtiger.

Doch im Moment ist es am nützlichsten, jemanden zu kennen, der eine Kita leitet. Oder dort erzieht. Oder sonst irgendwie Einfluss auf die Platzvergabe hat.

Meine Schwiegermutter kennt eine Kundin, die...

Folgende Beziehungsgeschichten über eine am Ende erfolgreiche Kitasuche habe ich schon gehört:

"Meine Schwiegermutter arbeitet in der Sparkasse, und eine ihrer Stammkundinnen leitet eine Kita. Zehn Minuten mit dem Auto von uns entfernt und daneben eine Pferdekoppel. Ohne die Sparkassengespräche hätten wir keinen Kindergarten gefunden."

"Ich habe meiner Schwester oft von unserer Suche erzählt. Und sie hat eine Arbeitskollegin, die engagiert sich als Mutter total in ihrer Kita. Sie hat sich da als Elternsprecherin dafür stark gemacht, dass wir einen Platz bekommen."

Anrufe aus Hunderten Kilometer Entfernung

Schwestern, Schwiegermütter, Kollegen – alle werden eingespannt! Ich habe auch schon von Pastoren-Opas gehört, die aus Hunderten Kilometern Entfernung für ihr Enkelkind in Berlin ein paar Anrufe bei der Diakonie-Kita getätigt haben. Für einen Kitaplatz braucht man eine hohe Dosis Vitamin B! Am besten man erzählt auf jeder Party, bei jedem Bankgespräch, im Fitnessstudio und beim Friseur ausdauernd von der Kita-Problematik. Irgendjemand muss doch irgendjemanden kennen.

Und ja, tatsächlich: Ein Arbeitskollege hat mir vor kurzem angeboten, dass er mal mit der Leiterin der Kita spricht, in die seine Kinder gehen. Einen Beweis seiner Einflussmöglichkeiten habe ich auch schon: Einer anderen Kollegin hat er in kürzester Zeit einen Platz in diesem wunderschönen Kindergarten besorgt.

Ich habe gedankt und gesagt, dass ich noch etwas abwarte. Bin ich noch nicht verzweifelt genug? Oder habe ich ein schlechtes Gewissen den anderen Bewerbern gegenüber? Wahrscheinlich beides. Ich hebe mir meine Dosis Vitamin B noch etwas auf.

 

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