Serie | Kitajagd - Berlin, der Platzkampf und ich | Teil 12 - Jeder muss sich einbringen - sonst funktioniert es nicht

Fr 14.09.18 | 11:42 Uhr
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Wer keinen Kitaplatz findet, kann immer noch selbst eine Kita gründen. Letztlich lohnt sich das, sagen viele Eltern, die es schon getan haben. Allerdings muss man manchmal lange Diskussionen führen  - und natürlich selbst mit anpacken. Von Tina Handel

Ein Spielplatz in Friedrichshain. Jonathan, vier Jahre alt, und Benjamin, acht Jahre alt, winken aus einem riesigen Holzdrachen zu ihrem Papa. "Meine eigene Kita habe ich als Horror in Erinnerung", sagt Stephan, während er immer wieder zu seinen Jungs schaut. "Ich wollte da gar nicht hin." Aber das sei auch in Marzahn gewesen und in den 80er Jahren.

Für ihn und seine Frau war auch wegen der eigenen Erfahrungen klar: "Wir wollten keine riesige Kita, keinen Massenbetrieb, große Gruppen und ständigen Personalwechsel." Also haben sie sich für ihre beiden Kinder für etwas Besonderes entschieden: ein Kindergarten als Elterninitiative. Da war Benjamin vor der Schule, jetzt geht Jonathan dort hin.

Die Mütter und Väter betreuen mit

Wie ist das, wenn Eltern selber Kita organisieren? Und für wen ist das was? Um das herauszufinden, treffe ich mich mit Stephan, den ich vor mehr als zehn Jahren an der Humboldt-Uni kennen gelernt habe.

Klar ist, jeder muss sich einbringen – sonst funktioniert es nicht. "Das ist etwas für Eltern, die ihr Kind nicht bloß abgeben wollen", sagt Stephan. "Wir sind wie eine Familie." Nur 19 Kleinkinder zwischen zwei und sechs Jahren – und viel gemeinsame Zeit: Einmal im Jahr ist Bauernhof-Fahrt mit allen Eltern und Kindern. Und die Mütter und Väter betreuen mit: "Jeden Tag kommt um 15 Uhr eine Mama oder ein Papa dazu und passt bis zum Kitaschluss zusammen mit einer festangestellten Erzieherin auf die Kinder auf." Meist gehen sie dann auf den Spielplatz.

Alle drei Wochen haben Familien Nachmittagsdienst

Am Anfang spüre man da schon "leichte Panik", erzählt Stephan: "Kann ich das – auf so viele Kinder aufpassen?“ Aber jeder kenne jeden – also auch die Namen der anderen Kinder. Das erleichtere den Nachmittagsdienst. "Und wir hatten immer das Gefühl, dass Benjamin sich in so einer kleineren Gruppe wohler fühlt", sagt Stephan mit Blick auf seinen älteren Sohn.

Die Nachmittagsdienste werden am Beginn des Jahres eingeteilt, etwa alle drei Wochen ist eine Familie dran. Außerdem werden zum Start des Kitajahres alle Ämter vergeben. Wer das "Obstamt" hat, kümmert sich zum Beispiel darum, dass regelmäßig Frisches auf dem Tisch steht.

Stephan ist im Vorstand und fürs Geld zuständig. Als er davon erzählt, muss ich schmunzeln: Gerade erst hat eine neue ARD-Dokumentation am Beispiel einer Elterninitiativ-Kita in München-Schwabing gezeigt, wie ein Vater alle anderen betrügt und die Rücklagen für Urlaube, Ferrari-Ausflüge und mehr ausgibt.

"Wir haben ein Vier- bis Sechsaugenprinzip, wenn es ums Geld geht", sagt Stephan trocken. Aber vor einigen Jahren habe es auch bei ihnen Fälle von Bereicherung gegeben. "Klar, in so einer Kita geht es um große Summen: Fördergelder für Personalkosten und so weiter."

Lange Diskussion über die neue Teppichfarbe

Doch manchmal ist die Realität auch nah am Klischee: "Ich kann mich erinnern, dass wir auf einem Elternabend eine Stunde lang über die neue Teppichfarbe diskutiert haben", erzählt Stephan. Inzwischen hätten die Eltern aber einen gewissen Pragmatismus entwickelt. "Man muss nicht über jeden Pups eine Riesendebatte anfangen, denn man kann nicht alles in so einer Kita individuell gestalten." Sonst werde der Elternabend, der alle drei Wochen stattfindet, für alle zur Nervenprobe. Lieber gehen sie hinterher zusammen noch ein Bier trinken.

Das Personalproblem, das die ganze Branche kennt, hat allerdings auch ein famililärer Elternverein: "Als unsere gute Seele Angelika in den Ruhestand ging, war es sehr schwer, neue Erzieher zu finden", erinnert sich Stephan. "Auf eine normale Stellenanzeige meldet sich kaum jemand, der passt. Die Leute, die das Arbeitsamt geschickt hat, waren auch nicht zu gebrauchen." Am Ende habe sich über das Elternnetzwerk irgendwann ein Kontakt ergeben.

Freiberufler sind flexibler

Inzwischen wählt Stephan selbst mit aus, welche Eltern und Kinder in die Kita aufgenommen werden. "Da fragen wir natürlich schon, wie es mit dem Engagement aussieht." Leichter zu organisieren sei der Kitaalltag zum Beispiel für Freiberufler, die sich die Zeit etwas flexibler einteilen können, ist eine Erfahrung der Kita-Macher. Wenn jemand "auch mal Home Office machen und danach zum Nachmittagsdienst kommen kann", passe das auch gut zu so einem Kitamodell.

Am Ende haben sich die Eltern der Initiative nach langer Diskussion übrigens für einen "schönen rot-lila Teppich" entschieden, erinnert sich Stephan. "Gute Qualität, passt prima – aber den hätten wir auch ohne lange Debatte kaufen können."

3 Kommentare

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  1. 3.

    Auf diese Art und Weise steigern Eltern das Nivau Einrichtung. Es geht um Ausschluss derer (Eltern) die nicht den selben Bildungsstand wie man selbst. Die Frisöse der Bauarbeiter kann sich nicht so einbringen wie geschildert.
    Wenn danach noch die Kita 24 Schliesstage im Jahr zusätzlich hat (Berliner Kita Gesetz)kann das ein Kündigungsgrund bei Handwerklichen Berufsgruppen sein.
    Selektion am Eingang zur Kinderbetreuungseinrichtung.
    Danke liebe Westnachalniks.

  2. 2.

    Ich bin Erzieher und werde niemals in einer elterninitiativ Kita arbeiten. Der Beitrag zeigt ja ziemlich genau auf wo ganz banale Probleme auftauchen können. Wenn ich als Fachkraft mich dann noch mit Eltern eine Stunde mit einer Teppichfrage rumschlagen darf, neben all den anderen Dingen, die man als Erzieher schon zu tun hat... nein danke.
    Und ich schließe mich den anderen Kommentar an... Eltern haben in einer Bildungseinrichtung nichts verloren. Nicht jeden Tag.
    Es gibt ja auch keine reguläre Schule wo die Eltern den Unterricht schmeißen oder mit am Tisch sitzen um die Hausaufgaben ihres Kindes zu lösen.

  3. 1.

    Das hat nix mit Kita zu tun. Mutti, oder Papa Laden trifft es eher. Der Bildungsauftrag bleibt dabei immer auf der Strecke und die Helikoptereltern haben ein großes Betätigungsfeld für ihre Entfaltung. Das Engagement aus Mangel an Kitaplätzen in allen Ehren, aber so werden Kinder nicht richtig auf die Schule vorbereitet, wie soll das auch gehen, die Betreiber haben ja keine Ahnung. Verschuldet hat es, wie überall, der Staat. Sonst bräuchten wir solche Einrichtungen nicht.

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