Anschlag am Breitscheidplatz - Hinterbliebene werfen Maaßen Falschaussage vor

Do 13.09.18 | 16:16 Uhr
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Gedenkstaette Terroranschlag Berlin DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 26.01.2018 Menschen vor Kerzen und Blumen in Gedenken an den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin am 19.12.2016 an der Kaiser-Wilhelm-Gedaechtniskirche auf dem Breitscheidplatz in Berlin (Quelle: Imago/Boness)
Video: Abendschau | 13.09.2018 | Norbert Siegmund | Bild: Imago/Boness

Opfer und Angehörige des Terroranschlags am Breitscheidplatz haben in einem offenen Brief Verfassungsschutzchef Maaßen kritisiert. Er solle die Aktivitäten seiner Behörde im Zusammenhang mit Anis Amri offenlegen. Sie sprechen auch von "Falschaussagen".

Deutsche Opfer und Angehörige des Anschlags auf dem Breitscheidplatz in Berlin im Dezember 2016 haben in einem offenen Brief Vorwürfe gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erhoben. In der Stellungnahme vom 11. September 2018, die dem rbb vorliegt, kritisieren sie, dass Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen "den Bundestag und die Öffentlichkeit über die Aktivitäten seiner Behörde wissentlich falsch informiert hat".  

Opfer wollen Gründe für Falschaussagen von Maaßen erfahren

In der Stellungnahme fordern die Hinterbliebenen Maaßen dazu auf, zeitnah und umfassend öffentlich darzulegen, in welchem Umfang seine Behörde mit Anis Amri aktiv gewesen ist. Es läge auf der Hand, dass frühere Aussagen "revidiert werden" müssten. "Wir möchten bei seiner Erklärung auch verstehen, welche Gründe er für die Falschaussagen hatte", heißt es weiterhin.   

Darüberhinaus erwarte man, dass die Bundesregierung ihren Kenntnisstand über die Tätigkeit des BfV in Zusammenhang mit Amri offenlege: sowohl zum aktuellen Zeitpunkt als auch zum Zeitpunkt der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion im Januar 2017. Damals hatten die Grünen in einer detaillierten Frageliste unter anderem nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes gefragt.

"Wir bitten die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Landesebene, im Sinne einer umfassenden Aufklärung zusammen zu arbeiten", heißt es in die Schreiben. Die Behörden sollten die angeforderten Akten und Auskünfte "zeitnah" zur Verfügung stellen.

Es sei unerträglich, wie sich die Aufklärung hinziehe. Schließlich sei ein zügiges Aufdecken der Wahrheit im Sicherheitsinteresse der ganzen Gesellschaft. Nur so könnten strukturelle und personelle Veränderungen vorgenommen werden, "die notwendig sind, um das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden wiederrherzustellen und das Risiko von Anschlägen in Zukunft zu reduzieren."

Verfassungsschutz wollte offenbar V-Mann verheimlichen

In der Stellungnahme beziehen sich die Hinterbliebenen auf Berichte der "Berliner Morgenpost", des rbb und des Politmagazins "Kontraste", die am 31. August 2018 zeitgleich über ein bis dato unbekanntes Dokument des BfV informierten, aus dem hervorgeht, dass ein V-Mann in unmittelbarer Umgebung des Breitscheidplatz-Attentäters installiert war. Dies sollte allerdings nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Erst am heutigen Donnerstag (13.09.2018) hat die Recherchegruppe von rbb, "Berliner Morgenpost" und "Kontraste" über weitere bislang unbekannte Dokumente berichtet, aus denen hervorgeht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Fall des Attentäters Amri wohl operative Maßnahmen veranlasst hat. BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen hatte dagegen stets von einem "reinen Polizeifall" gesprochen und betont, "keine eigene Informationsbeschaffung" betrieben zu haben.  

Sendung: Abendschau, 13.09.2018, 19:30 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    Das Bachmann-Leak ist tatsächlich nur ganz kurz und nicht ernsthaft öffentlich diskutiert worden. Ich habe nie etwas von einer Vernehmung von Bachmann oder einer Durchsuchung seiner Wohnung und seiner Kommunikationsgeräte gehört. Nachdem man heute mehr über die Pegizei-Connections weiß, steht die Amri-Bachmann-Geschichte noch einmal in einem ganz anderen Licht. Aber diesem obskuren Fall wird ja wohl nie jemand konsequent nachgehen.

  2. 6.

    Da "erinnern" Sie sich wohl laut Aussage von Herrn Maaßen falsch. Laut seiner Aussage war es eine "reine Polizeiangelegenheit". Insofern ist das Abstellen auf die Landesverfassungsschutzbehörden doch gar nicht zutreffend. Wenn Sie sich richtig erinnern, wäre es schlicht ein Grund ,eher ihn zu entlassen. Dagegen versuchen Sie aber gerade zu argumentieren.

    Natürlich hat Herr Maaßen, wie von ihnen bemerkt, mittlerweile an diversen Stellen, seine Pflichten verletzt und sein Amt beschädigt. Ottonormalbürger grübelt daher eigentlich nur, warum der Mann noch im Amt ist. Das jetzt dieverse Sachen parallel auf den Tisch kommen, ist schlicht eine Aufzählung diverser Verfehlungen. Gebe es sie nicht, kämen sie nicht kumuliert in die Bewertung.

  3. 5.

    Nach meiner Erinnerung hatten die Landesverfassungsschützer von NRW und von Berlin die größten Fehlleistungen abgeliefert.

    Die Ungereimtheiten im Fall um den Attentäter Anis Amri wurden im Untersuchungsausschuss des Bundes offengelegt. Die Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden stand einer Abschiebung vor dem Berliner Anschlag im Wege.

    Von einem speziellenn Versagen insbesondere von Maaßen war da keine Rede.

    Probleme mit V-Leuten sind ein inhärente Folge beim Einsatz derselben und sind im Kontext zu bewerten.

    Und wenn dann zeitgleich mit dem 11. September dieser Brief auftaucht, wo ebenfalls am 11. September in einer ganz anderen Angelegenheit, die mit dem Amri-Verbrechen in keinem direkten Zusammenhang steht, Rücktrittsforderungen von Maaßen formuliert werden, kann Ottonormalbürger doch ins Grübeln kommen.

  4. 3.

    vielleicht kann bei der Gelegenheit auch noch geklärt werden, warum Lutz Bachmann (Pegida) die Nationalität des Attentäters getwittert hat, bevor die Polizei überhaupt eine erste Spur hatte...

  5. 1.

    Maaßen hätte längst zurücktreten müssen aufgrund seines ellenlangen Katalogs an Verfehlungen und Falschaussagen (das hier ist nicht die erste). Erklären, warum seine Behörde versagt hat, kann er auch nach der Entlassung noch.

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