Gemeinsames Lernen - Wie Inklusion in Berlins Schwerpunktschulen funktioniert

Do 04.10.18 | 07:43 Uhr | Von Kirsten Buchmann
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Eine inklusive Schulklasse lernt zusammen
Audio: Inforadio, 04.10.2018, Kirsten Buchmann | Bild: dpa/Holger Hollemann

Früher gingen Schüler mit Behinderungen vor allem auf Förderschulen. Heute werden rund vier Fünftel der Kinder mit Behinderungen an Regelschulen unterrichtet - Inklusiven Schwerpunktschulen. Wie gelingt das? Von Kirsten Buchmann

Zwei jahrgangsübergreifende Klassen der Charlotte-Salomon-Schule in Kreuzberg gehen gemeinsam auf Klassenfahrt. Vor dem Schultor warten die Kinder mit ihren Eltern auf den Bus. Unter ihnen ist der Viertklässler Anton. Er ist blind und hat eine geistige Behinderung. Seine Mutter Jane Morgenthal und der Einzelfallhelfer Felix Schlotter sind bei ihm.

Antons Mutter hat bewusst entschieden, dass er kein Förderzentrum für Kinder mit Behinderungen besucht, sondern an der Charlotte-Salomon-Grundschule unter Kindern ohne Behinderungen ist: "Ich denke, in einer Förderschule würde er bestimmt nochmal ein paar spezielle Techniken lernen können. Essenstechniken, An- und Ausziehen, das würde er da schneller lernen", sagt Morgenthal. "Aber für uns war der soziale Kontakt mit anderen Kindern sehr wichtig." Anton sei schon jetzt viel mit Erwachsenen unterwegs. "Kinder sind Lebensfreude, sind kleine Pädagogen. Das geht hier sehr gut auf."

Unterstützung durch Sonderpädagogen

Antons Schule ist eine so genannte inklusive Schwerpunktschule, eine von zurzeit elf in Berlin. In diesem Schuljahr sollen fünf weitere dazu kommen. An den Schwerpunktschulen sollen die Kinder mit unterschiedlichem Förderbedarf die für sie nötige Hilfe erhalten.

Mit der Unterstützung für Anton im Unterricht ist seine Mutter Jane Morgenthal zufrieden. Seine Klassenlehrerin sei Sonderpädagogin, und "er hat ständig einen Schulhelfer oder eine Schulhelferin an der Seite, die ihn begleiten. Dann gibt es eine gute Kooperation mit der Blindenschule hier in Berlin. Da kommt zweimal in der Woche eine Sonderpädagogin her, die ihn speziell fördert." Die berate auch die Lehrer, sagt Morgenthal.

Eltern nehmen viel auf sich

Eine Hürde besteht für die Familie allerdings im Alltag. In ihrer direkten Umgebung existiert keine für Anton keine passende Inklusive Schwerpunktschule. Also nimmt sie eine fast einstündige Autofahrt in Kauf. Eine weitere Schwierigkeit: Vor der Schule gibt es keinen Behindertenparkplatz, obwohl Anton nicht alleine vom Schultor in die Klasse gehen kann.

Vor dem Eingang parkt an diesem Morgen ein großer Bus. Für Anton geht die Klassenfahrt los. Antons Mutter wird später hinterherfahren, damit er auf der Reise mit seinen Mitschülern nicht nur seinen Einzelfallhelfer an seiner Seite, sondern auch nachts eine Betreuung hat.

Sendung: Inforadio, 04.10.2018, 06:00 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

13 Kommentare

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  1. 13.

    Ich mache sehr gute Erfahrung mit meiner Tochter (GE) in einer regulären Grundschule in einem Brennpunktbezirk.
    Ja, wichtig ist, dass es genug Personal und Räume gibt! Tatsächlich ist dafür im Moment das Geld vorhanden. Und natürlich hilft es wenn die Schule schon länger Erfahrung mit inklusiver Arbeit hat. Es kommt sehr auf die Haltung der LehrerInnen an. Und es hilft definitiv allen Schülern, den sehr begabten wie denen mit Teilschwächen. Man muss es gut organisieren.
    Wir hatten in der Klasse 1-3, 2 LehrerInnen 90% der Lernzeit. Und parallel dazu von früh bis spät noch 2 ErzieherInnen.
    Sie waren auch quasi nie krank, weil sie gern arbeiten und eine gute Atmosphäre herrscht. Schwierigkeiten machen vor allem Kinder aus schwierigen Elternhäusern. Diese Kinder und der Klassenverbund profitieren enorm von den Möglichkeiten, die durch die inklusive Schularbeit ermöglicht wird. Es geht! Und es geht gut! Und wir brauchen das für unsere Gesellschaft.

  2. 11.

    Besser wäre der Titel: "Wie inklusion ... nicht funktioniert". Diese ideologischen Programme funktionieren eben nur in Büchern.

  3. 10.

    In Berlin haben die Grundschullehrer von Brennpunktschulen mit einem Ausländeranteil von 90 Prozent bereits im Februar in einem Brandbrief Alarm geschlagen.

    Denn neben der klassischen Inklusion von Lernbnehinderten kommt nun die Inklusion und Disziplinierung offensichtlich lernunwilliger und bildungsfeindlich gesinnter Schüler hinzu.

  4. 9.

    Separater Unterricht findet selten statt. Förderunterricht für defizitäre Schüler fällt permanent aus. Sozialpädagogische Betreuung und/oder Begleitung im Schulalltag ist nie vorhanden, mit Hängen und Würgen bei Ausflügen und einer Klassenfahrt. Die gesamte Klasse wird aber in Sippenhaft genommen und regelmäßig runter geputzt, dass sie hinterm Plan hängen. Schüler, die gesonderte Betreuung und vllt. sogar eine Therapie bräuchten, sprengen regelmäßig den Rahmen und machen oft den Unterricht unmöglich. Lehrer sind-verständlicherweise-überfordert und ausgebrannt, viele leistungswillige Schüler inzwischen resigniert und motivationslos und es gibt keine Aussicht auf Besserung der Gesamtsituation. DAS ist Alltag in Klassenzimmern. In einem ziemlich angesehenen Gymnasium. Und das ist kein Einzelfall.

  5. 8.

    Zu diesem Thema hatte ich letztens ein interessantes Gespräch mit einer jungen Lehrerin, die nun auch ein Kind mit geistiger Behinderung (Down-Syndrom) in ihrer Klasse hat. Sie ist der Ansicht, dass diese Art der Inklusion völlig unsinnig ist. Normal entwickelte und geistig behinderte Schüler, haben völlig unterschiedliche Ausbildungsziele(geistig Behinderte sollen befähigt werden, das essenzielle Tagesgeschäft soweit wie möglich allein zu bewältigen). Die geistig behinderten Schüler stören - völlig schuldlos - den eigentlich geplanten Unterrichtsablauf, was sehr zum Nachteil der Ausbildung der normalentwickelten Schüler ist. Es würde niemand etwas dagegen sagen, wenn geistig behinderte und nichtbehinderte Schüler im gemeinsamen Schulumfeld zusammenkommen. Der Unterricht in einer Klasse ist dagegen politisch motivierter Unfug.

  6. 7.

    Komische Logik mit dem anderen Lehrplan. Das hält den Inklusionsschüler genau wie viel ab, die anderen Schüler abzulenken?

    Richtig, teilweise geschulte Lehrer.
    teilweise keine, Problem siehe Zeile oben und noch schlimmer, der alleinige Lehrer muss sich intensiver um den einen kümmern.
    In der Zeit hätte die Lehrkraft mehreren anderen helfen können.

    Wo wir da von Vergabe von Kapazitäten und Kosten sind. auf Förderschulen waren es wie viele Lehrer pro Klasse? Jetzt hat jeder seinen eigenen Betreuer - zumindest teilweise. Luxus der Wohlstandsgesellschaft?

    Das langsamste Schiff bestimmt die Geschwindigkeit, richtig - und genau so sieht es auch an unseren Schulen aus bzw. fast flächendeckend in DE. Sieht man am Ende an Studien und an der Wettbewerbsfähigkeit.

    Beispiel aus dem echten Leben: mein Sohn wird von einem Inklusionsschüler ständig abgelenkt. Reagiert er nicht macht er immer weiter - reagiert er doch, bekommt mein Sohn den Ärger, denn der andere kann ja nicht anders...

  7. 6.

    Inklusion in Berlin ist vollständig gescheitert.

    Die erforderlichen materiellen und personellen Resourcen, sollte es überhaupt eine funktionierende Inklusion geben können, sind nicht finanzierbar.

    Beispielsweise fehlen allein an der Sonnen-Grundschule, einer Brennpunktschule, von 30 Lehrern acht – die meisten fallen nicht nur wenige Wochen, sondern für längere Zeit aus, weil sie die „unglaublichen Respektlosigkeiten und Beleidigungen“ nicht mehr ertragen.

    Berliner Lehrer versuchen daher vermehrt, sich aus dem Schuldienst abzusetzen.

    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2018/09/lehrer-berlin-berufsunfaehigkeit-kuendigung-anstieg.html

  8. 5.

    Das ist grundsätzlich falsch. Für die inkludierte Person gibt es einen gesonderten Lehrplan, wodurch die Mitschüler nicht in ihrem Lehrplan beeinträchtigt werden. Zudem gibt es Lehreinheiten in denen die inkludierte Person separat geschult wird. Das findet teilweise parallel zum Regellehrplan statt.

  9. 4.

    Inklusion in ein bestehendes Schulsystem "hineingepfropft" - ohne ausreichende personelle und materielle Ressourcen kann nicht funktionieren! Und wenn, dann sollten Kinder und Eltern die Möglichkeit haben, individuell nach Grad der Einschränkung zu entscheiden: Regel - oder Förderschule! Ansonsten wird der Anspruch auf individuelle Förderung durch Gleichmacherei sofort wieder ad absurdum geführt...

  10. 3.

    Das ist ja das Problem. Das langsamste Schiff...Vorweg möchte ich betonen, dass ich Inklusion eigentlich befürworte. Die Realität in den Klassenzimmern sieht aber nicht so aus, wie im Beitrag beschrieben. Zusätzlich zu körperlich oder organisch behinderten Schülern, die meist keine zusätzliche Betreuung haben und viel zusätzliche Aufmerksamkeit und Förderung benötigen, kommen noch Schüler mit sozialer Indikation, Sprach- und Lerndefiziten und die normalen Lernverweigerer. Wenn dann noch die Pubertät dazu kommt, geht manchmal fast gar nichts mehr. Das schafft kein Lehrer. Unterm Strich ist die gesamte Lernatmosphäre dadurch oft angespannt und das Niveau sinkt von Jahr zu Jahr mehr ab, weil die Lernziele häufig nicht erreicht werden. Theoretisch eine gute Sache, in der Praxis, so wie es derzeit in vielen Klassenzimmern abläuft, zum Scheitern verurteilt und nicht alltagstauglich.

  11. 2.

    Ich habe meine Mitschüler nicht als "kleine Pädagogen" sondern eher als Minimonster in Erinnerung.
    Und ich finde diese typisch linke Gleichmacherei völlig hirnrissig:
    Statt in Sonderschulen individuell auf die Bedürfnisse behinderter Kinder und Jugendlicher eingehen zu können, erklärt man jede Sonderbehandlung ohne nachzudenken (also ohne das Für und Wider sorgfältig abzuwägen) zur Ungerechtigkeit, die selbstredend bekämpft werden muss.
    Dass man mal wieder davon ausgeht, der Mensch wäre ein guter und das (erhoffte) Erlernen sozialer Kompetenz wäre das Wichtigste, betrachte ich als Menschenversuche naiver Traumtänzer.
    Es ist wie mit dem Impfen:
    Statt sich auf Erfahrungen und Erwiesenes zu verlassen, probiert man einfach mal aus, ob es auch mit einer Verweigerung klappt. Und falls nicht: Pech gehabt, liebe Kinder.
    Was schert es Linksrotgrüne schon, ob irgendwer oder irgendwas für irgendeinen Zweck GEEIGNET ist?

  12. 1.

    Es ist wie im "Geleitzug", das langsamste Schiff bestimmt die Geschwindigkeit.

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