Anastasia-Bewegung in Brandenburg - Rechte Siedler hinter Hippie-Fassade

Do 11.04.19 | 18:56 Uhr
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Öko-Aussteiger aus der Anastasia-Bewegung (Quelle: rbb)
Video: Kontraste | 11.04.2019 | Silvio Duwe, Lisa Wandt | Bild: rbb

Die Anhänger der Anastasia-Bewegung gründen Siedlungen und verbreiten rassistische und antisemitische Ideologie – auch in Brandenburg, wie eine Recherche des ARD-Politikmagazins Kontraste zeigt. Von Silvio Duwe und Lisa Wandt

Sie sehen aus wie Hippies und Öko-Aussteiger und lassen sich in ländlichen Regionen nieder. Manche von ihnen laufen das ganze Jahr barfuß, denn sie wollen den Kontakt zu Mutter Erde nicht verlieren. Doch was nach harmloser Esoterik klingt, ist auf den zweiten Blick eine rechte Siedler-Bewegung, die sich in Deutschland ausbreitet. Bundesweit gibt es nach  Recherchen des ARD-Politikmagazin Kontraste 17 so genannte Familienlandsitze, vier davon liegen in Brandenburg. Hier ist die so genannte Anastasia-Bewegung besonders aktiv.

Leichtes Spiel in strukturschwacher Region

In Grabow bei Blumenthal (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) etwa versucht das Ehepaar Krause gleich ein ganzes Dorf zum "Goldenen Grabow" zu machen. Und sie haben leichtes Spiel, denn die Einwohnerzahl in der strukturschwachen Region geht seit Jahren zurück. In Grabow sind noch 240 Einwohner übrig geblieben, vormals waren es mehr als doppelt so viele. Die Krauses haben hier einige Grundstücke aufgekauft.

Ortsvorsteher Werner Goldmann ist glücklich über den Zuzug. Es seien leerstehende Häuser aufgekauft worden, die jetzt bewohnt würden, sagt er. Es seien junge Leute nach Grabow gekommen. Besonders freut sich Goldmann über die Unterstützung durch die Anastasia-Anhänger bei Dorffesten.

Deren Ziel in Grabow ist eine Selbstversorgersiedlung mit einer eigenen Schule, so steht es auf der Webseite, und so haben die Anastasia-Anhänger das auch dem Ortsvorsteher gesagt. In der Schule sollen die Kinder in der Gedankenwelt der Gemeinschaft großgezogen werden.

Ortsvorsteher Grabow, Werner Goldmann (Quelle: Lisa Wandt)
| Bild: Lisa Wandt

Wer siedeln will, muss zunächst probewohnen

Inzwischen beackern sieben Familien Land, sie wohnen in Häusern im Dorf oder in Wohnwagen. Wer im "Goldenen Grabow" wohnen will, muss mindestens ein Jahr lang einen "Probelandsitz" auf den Grundstücken der Krauses bewohnen. Und nur wer sich in den Augen der Initiatoren bewährt, bekommt ein Stück Land zum dauerhaften Wohnen zugeteilt.

Verdeckte Recherchen von Kontraste zeigen die Ideologie hinter dem "Goldenen Grabow". So spricht Markus Krause gegenüber Anhängern beispielsweise von "jüdischen Eliten", die mit den "Eliten aus unseren Völkern" kooperieren. Als 2015 zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland kommen, laden Markus und Iris Krause die Dorfbewohner zu einem Vortrag ein, wollen mit Verschwörungsgeschichten Angst vor den Fremden schüren. "Wir sind uns einig, dass unser Dorf frei bleibt von illegalen Einwanderern", sagt Iris Krause in einem Video zu der Veranstaltung. Sogar die Gründung einer Dorfwehr droht sie an.

Im selben Jahr stellt die Familie ihr Grundstück dem Sturmvogel zur Verfügung – einem rechten Jugendbund, der als Nachfolgeorganisation der verbotenen rechtsextremen Wikingjugend gilt. In Videoaufnahmen, die Kontraste vorliegen, ist zu sehen, wie Kinder in Uniformen stramm stehen müssen, ein Junge bricht in der Hitze zusammen, wird weggetragen. Gegenüber Kontraste wollten sich die Krauses hierzu nicht äußern.

Die Ideologie wird verheimlicht

Die politische Gesinnung hinter den Siedlungsprojekten geheim zu halten ist eine erklärte Strategie der Bewegung. So forderte der Brandenburger Frank Ludwig, der unter dem Namen "Urahnenerbe Germania" in ganz Deutschland vor Anastasia-Anhängern Vorträge hält, seine Anhänger auf, "etwas Schönes" zu gründen und die Menschen durch Gesang, Kleidung und Tanz zu "bezaubern". Denn "wenn Du Dich im Volk beliebt machst, kann kein Politiker, keine dunkle Macht mehr sagen: Ey, das sind Böse."

Ein weiteres Ergebnis der Kontraste-Recherchen: Ludwig hetzt in seinen Vorträgen unter anderem gegen Homosexuelle. Homosexualität könne "rassisch bedingt" sein, aber auch zeigen, dass "im (Familien-) Stamm etwas nicht stimme", sagt Ludwig vor Anhängern, und legt dann gleich noch nach: "Zuerst werden kranke Kinder geboren, dazu zähle ich auch Homosexuelle, und im zweiten Schritt werden keine Kinder mehr geboren." Ludwig spricht auch von einer angeblichen "jüdischen Rasse", über die er sagt: "An der grauen Hautfarbe und den dunklen, finsteren Augen der Nacht werdet ihr sie erkennen".

Auch Ludwig, der einen Landsitz im brandenburgischen Liepe (Landkreis Barnim) bewohnt, war zu keinem Interview bereit.

Siedler-Gruppe in Grabow auf Wiese beim Frühlingsfest 2019 (Quelle: Lisa Wandt)
| Bild: Lisa Wandt

Verfassungsschutz: "Rutschbahn in den Rechtsextremismus"

Die Anastasia-Bewegung ist mittlerweile auch in den Blick des brandenburgischen Verfassungsschutzes geraten, wenngleich sie derzeit nicht offiziell beobachtet wird. Der Verfassungsschützer Michael Hüllen sagt Kontraste, die Bewegung sei aufgrund ihrer Ideologie geeignet, Rechtsextremisten anzuziehen. Sie könne aber auch "eine Rutschbahn in den Rechtsextremismus hinein sein."

Die Bewegung geht zurück auf die esoterische Anastasia-Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre. Ein zentrales Element in dessen Büchern ist neben der Aufforderung, Selbstversorgersiedlungen zu gründen, auch die antisemitische Erzählung einer jüdischen Weltverschwörung. So wird in den Anastasia-Büchern der Holocaust damit begründet, "dass das jüdische Volk vor den Menschen Schuld hat". Denn die Juden würden "Verschwörungen gegen die Macht anzetteln" und "versuchten, alle zu betrügen" – so ist es wörtlich in den Büchern zu lesen.

"Das Weltbild der Anastasia-Bewegung, das sich auch in den Büchern wiederfindet, ist im Kern antidemokratisch, es ist antiliberal", sagt der Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent. Es beinhalte Elemente von rassistischer Rassenlehre, von völkischem Denken – und spiele mit alten Erzählungen und Verschwörungstheorien des Antisemitismus.

Sendung: Kontraste, 11.04.2019, 21:45 Uhr

Kommentarfunktion am 16.04.2019, 10:40 Uhr geschlossen

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65 Kommentare

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  1. 65.

    Interessanter Artikel ! Vielleicht kann ich noch einen anderen Blickwinkel auf diese Lebensgemeinschaft eröffnen.
    Das eine sind die politischen Ansichten, doch für mich hat diese Gemeinschaft auch sehr starke Bezüge zum Sektentum!
    Wenn zum Beispiel alles was "anders" ist, schlecht und böse ist. Wenn das "Aussen" gefährlich ist.. Wenn Gruppenmitglieder zu Dingen "ermutigt" werden,die schlussendlich körperliche Schäden verursachen( Militärdrill bis zum Umfallen) In Sekten geht es nicht nur um Religion etc. Ich war selbst in einer und habe da ein sehr feines Gespür entwickelt, was in diese Art von Gruppenzwang etc geht . Wenn man Frieden propagiert, warum sind davon manche ausgeschlossen... Auch die ANsichten über jedwede ANdersartigkeit, die schlecht ist. Sehr starker Bezug zum Sektentum!!

  2. 64.

    Gut, dass die Pressefreiheit gilt und über die Machenschaften socher Menschenfänger berichtet wird. Nach meiner Ansicht gelingt es diesen Menschen vor allem dort Anhänger zu feinden, wo die Demokratie noch relativ neu ist und nicht über mehrere Genarationen gewachsen und verankert. Mich würde interessieren, in welchen Bundesländern die anderen "Niederlassungen" dieser Gemeinschaft sind.

  3. 63.

    "...es kommt immer auf den eigenen Standpunkt und eigenen Intenson an, wie man Sachen sieht/sehen will."

    Ihren Standpunkt, man könnte auch sagen ihre Gesinnung haben sie jetzt ja nun deutlich gemacht.

  4. 62.

    Wir müssen uns da schon entschieden, was "liberal" heißen soll.
    Ist eine liberale Gesellschaft eine Gesellschaft, in der jeder unter Druck gesetzt wird, nah ein und derselben - liberalen - Lebensweise zu leben?
    Oder ist eine liberale Geselsschaft eine, in der jeder so leben kann, wie er es möchte (follow his own pursuit of happiness, wie es in den USA heißt)?
    Da trennen sich offenbar die "Linksliberalen" von den "LIberalkonservativen".

  5. 61.

    "SchwarzRotGrünLinke" ... was soll das sein, bitteschön? ... Ach, jetzt verstehe ich, Sie meinen einfach all diese demokratischen Parteien, die von mündigen Bürgern in unserer pluralistischen Demokratie gewählt werden! Das tut mir aber leid, dass Ihnen Demokratie und Pluralismus nicht gefällt, Herr Moorgeist.... aber mal ehrlich: Die Diktatur Ihrer einen Partei, die Sie sich wünschen, die gefällt uns übrigen 87% auch nicht! Und wir werden dieses schöne Land nicht Ihnen und Ihren Spießgesellen überlassen!

  6. 60.

    Die Anhänger der Anastasia-Bewegung gründen Siedlungen . Na und die richten sich gegen die Mainstream Medien wo es modern geworden ist alles anders sein zu verdammen. Lasst doch die Meinungsfreiheit so lande sie friedlich sind.

  7. 59.

    zum Glück gibts auch noch andere, die über Anastasia berichten
    https://www.arte.tv/de/videos/068893-003-A/alternative-russia-willkommen-im-paradies/?fbclid=IwAR08l03SkVNvZrHL-74ejbl74qpFqnuVshdWkFKacwzR5ITSKCz2xz4CKYo

  8. 58.

    Also sind Feindlichkeit gegenüber Andersdenkenden, Homophobie, Sexismus bis hin zur totalen Unterdrückung im Rahmen einer Ideologie und offener Hass gegen Andersgläubige völlig OK, denn Hey, die dürfen.
    Und diese gruppe hier darf nicht? Warum? Weil sie der falschen Ethnie angehören??
    Aber der richtigen, wenns ums Bashing geht?
    Bigotterie statt Demokratie, das ist alles was ich sehe.

  9. 57.

    Max Flensburg, 15.04.2019 | 13:01 Uhr:
    "Wie schon von Anderen geschrieben: es kommt immer auf den eigenen Standpunkt und eigenen Intenson an, wie man Sachen sieht/sehen will."

    Ja, ob man einer menschen(rechts)freundlichen, empathischen Ideologie oder einer menschen(rechts)feindlichen, empathielosen Ideologie anhängt.

  10. 56.

    Max Flensburg, 15.04.2019 | 13:01 Uhr:
    "Wenn ich mir das Beitragsbild ansehe, dann sehe ich ein "fiedliches, mitmenschliches Zusammenleben"."

    "Friedliches, mitmenschliches Zusammenleben" nur solange es keine Juden oder Menschen anderr Herkunft oder Hautfarbe in der Nähe gibt. Untereinander scheinen sie friedfertig. Aber gegenüber Andersgläubigen, Andersaussehenden und Andersabstammenden schüren Sie Abneigung oder gar Hass. Das ist nicht friedlich!

    Max Flensburg:
    "Vielleicht irritiert es Sie, dass da keine schreienden, wutverzerrten Gesichter zu sehen sind, die mit Plakaten irgendetwas von den Anderen einfordern, was sie selbst nicht hergeben würden."

    Das nennt man in der deutschen Sprache "Wolf im Schafspelz".

  11. 54.

    Stimmt, Grüne wollen nicht keinen Strom, sondern Strom, der klimaneutral "aus der Steckdose" kommt, udn man hat Elektroautos als (völlig unrealistisches) "Mobilitätskonzept" gehypt. Die dabei entstehende Denklücke wird erst gar nicht beachtet. - Ich verstehe hier auch manche Posts nicht, die auf andere antworten, weil die Erstposts weg sind.

  12. 53.

    Wenn ich mir das Beitragsbild ansehe, dann sehe ich ein "fiedliches, mitmenschliches Zusammenleben".
    Vielleicht irritiert es Sie, dass da keine schreienden, wutverzerrten Gesichter zu sehen sind, die mit Plakaten irgendetwas von den Anderen einfordern, was sie selbst nicht hergeben würden.
    Wie schon von Anderen geschrieben: es kommt immer auf den eigenen Standpunkt und eigenen Intenson an, wie man Sachen sieht/sehen will.

  13. 52.

    LsseSieDoch, Montag, 15.04.2019 | 10:40 Uhr:
    "Artikel 4 GG
    (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
    Ach ne das nennt man Pressefreiheit"

    NEIN! Das ist nicht die Pressefreiheit, sondern die Glaubensfreiheit. Die Pressefreieheit ist in Art. 5 GG geregelt.

    Aber auch die Glaubensfreiheit hat ihre Schranken, z.B. verfassungsimmanente Schranken dort, wo sie Verfassungsrechte anderer Menschen verletzt, z.B. das Recht auf Würde (Art. 1 Abs. 1 GG) und den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG). Die Ideologie der antisemitischen und rassistischen Sekte verstößt gegen beide Verfassungsrechte.

    Die Glaubens- und Meinungsäußerungsfreiheit findet dort ihre Grenzen, wo sie zur Bekämfung und Abschaffung der Demokratie missbraucht wird.

  14. 51.

    Artikel 4 GG
    (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

    Ach ne das nennt man Pressefreiheit

  15. 50.

    Jetzt tun sie aber dem armen IchMeinJaNur unrecht! Sie wollen doch nicht die Kommentare eines IchMeinJaNur mit denen der bekannten Schaumschläger hier vergleichen oder? ;-)

  16. 49.

    Martina v.H., Sonntag, 14.04.2019 | 19:00 Uhr:
    "Sie haben Recht, @Tina, wer einen Öko-Stalinismus, wer Zusände wie in der DDR haben will, wo jeder jeden bespitzelt und denunziert, wer ein Leben, wie in "1984" beschrieben, leben will, gleichgeschaltet ist, lehnt jegliche, ich schreibe mit bedacht JEGLICHE, andere Lebensform und -gestaltung ab."

    Polemischer, sinnfreier Blödsinn!

    Wer ein friedliches, mitmenschliches Zusammenleben will, lehnt jeglichen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsradikalismus ab. Martina v.H. tut dies offenbar nicht!

  17. 48.

    Moorgott, Papendrecht, Sonntag, 14.04.2019 | 12:48 Uhr:
    "Ich halte das Treiben der SchwarzRotGrünLinken für weitaus gefährlicher."

    Gefährlicher für was? Für Ihre rechte Ideologie?

  18. 47.

    Geben Sie jetzt hier den neuen IchMeinJaNur? Ihre Diskussionskultur ist gerade absolut unterirdisch! NULL INHALT! Lediglich der Vorwurf an Andere, dass deren Kommentare Inhalt haben.

  19. 46.

    Wo sehen sie hier eine "Tina"? Oder richten sie ihren unglaublichen Stuss schon an sich selbst?

    Kommen sie jetzt schon beim Verharmlosen von Rechtsextremen, Antisemiten und deren Sympathisanten durcheinander?

    Das wäre schon fast witzig, nur hört es auf witzig zu sein wenn sie Leute verharmlosen wollen, die anderen ihre "Lebensform und -gestaltung" absprechen wollen.

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