Anastasia-Bewegung in Brandenburg - Rechte Siedler hinter Hippie-Fassade
Die Anhänger der Anastasia-Bewegung gründen Siedlungen und verbreiten rassistische und antisemitische Ideologie – auch in Brandenburg, wie eine Recherche des ARD-Politikmagazins Kontraste zeigt. Von Silvio Duwe und Lisa Wandt
Sie sehen aus wie Hippies und Öko-Aussteiger und lassen sich in ländlichen Regionen nieder. Manche von ihnen laufen das ganze Jahr barfuß, denn sie wollen den Kontakt zu Mutter Erde nicht verlieren. Doch was nach harmloser Esoterik klingt, ist auf den zweiten Blick eine rechte Siedler-Bewegung, die sich in Deutschland ausbreitet. Bundesweit gibt es nach Recherchen des ARD-Politikmagazin Kontraste 17 so genannte Familienlandsitze, vier davon liegen in Brandenburg. Hier ist die so genannte Anastasia-Bewegung besonders aktiv.
Leichtes Spiel in strukturschwacher Region
In Grabow bei Blumenthal (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) etwa versucht das Ehepaar Krause gleich ein ganzes Dorf zum "Goldenen Grabow" zu machen. Und sie haben leichtes Spiel, denn die Einwohnerzahl in der strukturschwachen Region geht seit Jahren zurück. In Grabow sind noch 240 Einwohner übrig geblieben, vormals waren es mehr als doppelt so viele. Die Krauses haben hier einige Grundstücke aufgekauft.
Ortsvorsteher Werner Goldmann ist glücklich über den Zuzug. Es seien leerstehende Häuser aufgekauft worden, die jetzt bewohnt würden, sagt er. Es seien junge Leute nach Grabow gekommen. Besonders freut sich Goldmann über die Unterstützung durch die Anastasia-Anhänger bei Dorffesten.
Deren Ziel in Grabow ist eine Selbstversorgersiedlung mit einer eigenen Schule, so steht es auf der Webseite, und so haben die Anastasia-Anhänger das auch dem Ortsvorsteher gesagt. In der Schule sollen die Kinder in der Gedankenwelt der Gemeinschaft großgezogen werden.
Wer siedeln will, muss zunächst probewohnen
Inzwischen beackern sieben Familien Land, sie wohnen in Häusern im Dorf oder in Wohnwagen. Wer im "Goldenen Grabow" wohnen will, muss mindestens ein Jahr lang einen "Probelandsitz" auf den Grundstücken der Krauses bewohnen. Und nur wer sich in den Augen der Initiatoren bewährt, bekommt ein Stück Land zum dauerhaften Wohnen zugeteilt.
Verdeckte Recherchen von Kontraste zeigen die Ideologie hinter dem "Goldenen Grabow". So spricht Markus Krause gegenüber Anhängern beispielsweise von "jüdischen Eliten", die mit den "Eliten aus unseren Völkern" kooperieren. Als 2015 zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland kommen, laden Markus und Iris Krause die Dorfbewohner zu einem Vortrag ein, wollen mit Verschwörungsgeschichten Angst vor den Fremden schüren. "Wir sind uns einig, dass unser Dorf frei bleibt von illegalen Einwanderern", sagt Iris Krause in einem Video zu der Veranstaltung. Sogar die Gründung einer Dorfwehr droht sie an.
Im selben Jahr stellt die Familie ihr Grundstück dem Sturmvogel zur Verfügung – einem rechten Jugendbund, der als Nachfolgeorganisation der verbotenen rechtsextremen Wikingjugend gilt. In Videoaufnahmen, die Kontraste vorliegen, ist zu sehen, wie Kinder in Uniformen stramm stehen müssen, ein Junge bricht in der Hitze zusammen, wird weggetragen. Gegenüber Kontraste wollten sich die Krauses hierzu nicht äußern.
Die Ideologie wird verheimlicht
Die politische Gesinnung hinter den Siedlungsprojekten geheim zu halten ist eine erklärte Strategie der Bewegung. So forderte der Brandenburger Frank Ludwig, der unter dem Namen "Urahnenerbe Germania" in ganz Deutschland vor Anastasia-Anhängern Vorträge hält, seine Anhänger auf, "etwas Schönes" zu gründen und die Menschen durch Gesang, Kleidung und Tanz zu "bezaubern". Denn "wenn Du Dich im Volk beliebt machst, kann kein Politiker, keine dunkle Macht mehr sagen: Ey, das sind Böse."
Ein weiteres Ergebnis der Kontraste-Recherchen: Ludwig hetzt in seinen Vorträgen unter anderem gegen Homosexuelle. Homosexualität könne "rassisch bedingt" sein, aber auch zeigen, dass "im (Familien-) Stamm etwas nicht stimme", sagt Ludwig vor Anhängern, und legt dann gleich noch nach: "Zuerst werden kranke Kinder geboren, dazu zähle ich auch Homosexuelle, und im zweiten Schritt werden keine Kinder mehr geboren." Ludwig spricht auch von einer angeblichen "jüdischen Rasse", über die er sagt: "An der grauen Hautfarbe und den dunklen, finsteren Augen der Nacht werdet ihr sie erkennen".
Auch Ludwig, der einen Landsitz im brandenburgischen Liepe (Landkreis Barnim) bewohnt, war zu keinem Interview bereit.
Verfassungsschutz: "Rutschbahn in den Rechtsextremismus"
Die Anastasia-Bewegung ist mittlerweile auch in den Blick des brandenburgischen Verfassungsschutzes geraten, wenngleich sie derzeit nicht offiziell beobachtet wird. Der Verfassungsschützer Michael Hüllen sagt Kontraste, die Bewegung sei aufgrund ihrer Ideologie geeignet, Rechtsextremisten anzuziehen. Sie könne aber auch "eine Rutschbahn in den Rechtsextremismus hinein sein."
Die Bewegung geht zurück auf die esoterische Anastasia-Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre. Ein zentrales Element in dessen Büchern ist neben der Aufforderung, Selbstversorgersiedlungen zu gründen, auch die antisemitische Erzählung einer jüdischen Weltverschwörung. So wird in den Anastasia-Büchern der Holocaust damit begründet, "dass das jüdische Volk vor den Menschen Schuld hat". Denn die Juden würden "Verschwörungen gegen die Macht anzetteln" und "versuchten, alle zu betrügen" – so ist es wörtlich in den Büchern zu lesen.
"Das Weltbild der Anastasia-Bewegung, das sich auch in den Büchern wiederfindet, ist im Kern antidemokratisch, es ist antiliberal", sagt der Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent. Es beinhalte Elemente von rassistischer Rassenlehre, von völkischem Denken – und spiele mit alten Erzählungen und Verschwörungstheorien des Antisemitismus.
Sendung: Kontraste, 11.04.2019, 21:45 Uhr
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