Interview | Neuer rbb-Talk "Wir müssen reden" - "Auge in Auge hören wir uns hoffentlich besser zu"

Do 13.06.19 | 08:49 Uhr
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Bauern halten Wolfsverbotsschild hoch
Bild: dpa/Peter Kneffel

Wölfe und Biber machen den Anfang: Beim neuen rbb-Bürgertalk "Wir müssen reden" geht es um wilde Tiere, die die Meinungen spalten. Die Moderatorinnen Janna Falkenstein und Tatjana Jury setzen auf die Lust der Menschen, zu streiten - respektvoll, versteht sich.

rbb|24: Warum startet der Bürgertalk eigentlich ausgerechnet zum Thema Wölfe und Biber?

Tatjana Jury: Zwei Tiere und jede Menge Projektionsfläche für Sorgen und Konflikte: zwischen Dörflern und Städtern, Tradition und Moderne, Jägern und Naturschützern - obwohl im Grunde ja auch Jäger Naturschützer sind. Zu diesem Thema kann wohl jeder aus dem Stand etwas sagen.

Janna Falkenstein: Das Thema hat in den letzten Monaten immer wieder für Gesprächsstoff gesorgt, viele Bürger und den Bundestag beschäftigt. Was ist wichtiger - Tierschutz oder die Existenz der Schäfer zum Beispiel? Es ist doch eine hochspannende Frage, wie wir Artenschutz und das Wohl der Bürgerinnen und Bürger unter einen Hut kriegen. Zwar ist schon einiges passiert, wie etwa Entschädigungen und subventionierte Schutzmaßnahmen für Schäfer. Eine wirklich befriedigende Lösung - da sind sich ausnahmsweise beide Seiten einig - ist aber noch immer nicht gefunden.

Rechnen Sie mit heftigen Diskussionen?

Janna Falkenstein: Immer wenn sehr gegensätzliche Meinungen aufeinander treffen, ist da Potenzial für hitzige Auseinandersetzungen. Und das Thema ist emotional schon sehr aufgeladen. Also ja. Wir haben allerdings kein Interesse daran, dass sich unsere Gäste gegenseitig anschreien. Zwar ist unsere Prämisse, dass bei uns jeder alles sagen darf und keine Meinung besser ist als die andere, aber bitte immer mit Respekt für das Gegenüber. Also hitzig ja, aber wer reden will, muss auch zuhören können.

Tatjana Jury: Diskussionen wird’s ganz sicher geben, hier in Brandenburg sind wir im Kerngebiet der Wölfe und der große Nager stresst die Menschen auch schon länger - besonders an den Oder- Deichen.

Wie werden die Bürger in den Talk einbezogen? Kann man sich auch über die Social Media-Kanäle einbringen?

Janna Falkenstein: Jeder und jede ist herzlich eingeladen, nach Frankfurt (Oder) zu kommen und sich vor Ort persönlich an der Diskussion zu beteiligen. Wir laden ja ganz bewusst keine große Politikerrunde ein, sondern nur zwei politische Vertreter. Das heißt: Das Publikum ist bei uns keine Kulisse sondern der Hauptakteur. Natürlich wird niemand gezwungen, sich zu äußern. Aber die Idee ist schon, dass die meiste Redezeit von unseren Publikumsgästen genutzt wird und nicht wie üblich von den Politikern. Ob das funktioniert und ob die Bürger und Bürgerinnen das wollen, werden wir sehen.

Tatjana Jury: Die Meinung der anwesenden Bürgerinnen und Bürger steht im Mittelpunkt, aber wer nicht nach Frankfurt kommen kann oder möchte, darf gern im Netz mitdiskutieren. Die Redaktion des Bürgertalks liest und verarbeitet vor, während und nach der Sendung alle Kommentare. Während der Sendung können die Zuschauerinnen und Zuschauer über den zibb-Messenger des rbb sogar live zu Streitfragen der Sendung abstimmen. Das Ergebnis landet dann direkt in der Sendung.

Janna Falkenstein (links) und Tatjana Jury, Moderatorinnen der rbb-Bürgertalks "Wir müssen reden", bei einer Redaktionssitzung. (Quelle: rbb)
Janna Falkenstein und Tatjana Jury in der RedaktionssitzungBild: rbb

Was wollen Sie beim Bürgertalk erreichen?

Tatjana Jury: Im besten Fall, die Lust zu streiten, miteinander.

Janna Falkenstein: Es klingt so trivial: Miteinander reden. Wenn ich in die Sozialen Medien schaue, dann erlebe ich oft eher ein Abwerfen von Meinung. Und wem die Meinung nicht gefällt, der soll den Mund halten. Naja, wohl eher: die Fresse. Es ist so leicht, anonym aufeinander loszugehen. Auge in Auge hören wir uns hoffentlich besser zu, verstehen einander vielleicht sogar besser. Und wenn wir nach einer Stunde Diskussion anfangen, über Kompromisse zu reden, haben wir schon sehr viel erreicht.

Wie wählen Sie Ihre Themen aus?

Janna Falkenstein: Unsere Themen sollen kontrovers sein. Wir wollen ja miteinander diskutieren. Es muss also klare Pro- und Contra-Positionen geben. Wir wollen über gesellschaftliche Themen sprechen, die irgendwie in der Sackgasse stecken. Und sie müssen aus der Lebenswirklichkeit der Berliner und Brandenburger kommen. Natürlich muss man nicht von jedem Thema unmittelbar betroffen sein: Ich als Kreuzbergerin habe mit Wolf und Biber ja auch keine Probleme. Und trotzdem interessiert es mich - das Schicksal der Schäfer und gleichzeitig das der Wildtiere.

Tatjana Jury: Es sollte um das gehen, was die Menschen wirklich aufregt und bewegt. Wo es gegensätzliche Positionen gibt, die sich nicht so leicht auflösen lassen, wollen wir miteinander ins Gespräch kommen und nach Lösungsansätzen suchen.

Sie machen eine Doppelmoderation – haben Sie die Aufgaben schon verteilt oder lassen Sie das alles auf sich zukommen?

Tatjana Jury: Auch das lässt sich nicht so leicht auflösen… wir beide wissen aber, wer hier das Sagen hat! Steht ja schon drauf: Bürgertalk!

Janna Falkenstein: So Good Cop/Bad Cop? Nein. Das gibt es bei uns nicht. Tatjana und ich verstehen uns als Diskussionsleiterinnen. Wir sorgen für Struktur und - wenn es sein muss - für Ordnung. Mal ganz davon abgesehen, dass Tatjana und ich uns ohnehin sehr ähnlich sind. Wir lassen uns beide nicht so schnell die Butter vom Brot nehmen, wenn ich das so sagen darf. Und wir wollen Menschen die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu sagen - und zwar jede Meinung. Das lässt sich nicht planen. Ich bin sehr froh, dass ich dabei eine so schlagfertige, kluge Kollegin an meiner Seite habe.

Welche weiteren Themen werden folgen?

Tatjana Jury: Thematisch gibt es für die nächsten Ausgaben noch keine konkrete Festlegung. Wir wollen immer auch ein bisschen spüren, was ist gerade das Thema, über das in der Region aktuell kontrovers debattiert wird.

Janna Falkenstein: Aber ob Mieten in Berlin oder Kohleausstieg und die Folgen in Brandenburg - an spannenden, streitbaren Themen über die wir reden müssen, werden wir mit Sicherheit keinen Mangel haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellten Vanessa Witzki und Nele Haring, rbb|24.

Sendung: rbb-Fernsehen, 13.06.2019, 20:15 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    Vielen Dank. Ich nehme zur Kenntnis, daß Ihnen erwartungsgemäß auch jetzt keine Argumente einfallen. Bitte informieren Sie sich doch gelegentlich über den Unterschied zwischen Polemik und Argumentation ad hominem sowie tatsächlichen Argumenten. Das dürfte künftigen Diskussionen sehr zugutekommen. Da ist nämlich noch sehr viel Luft nach oben. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

  2. 12.

    Oh je, das 19. Jahrhundert zu bemühen ist schwach. Aber widernaturliche Massentierhaltung damit zu befürworten und einem Teil einer hier ausgerotteten und rückkehrenden
    Spezies ihre Existenz abzusprechen ist ebenso primitiv wie dumm.
    Aber scheinbar ist ja Ihre Wahrnehmung von heimischen, oder nicht heimischen wilden Tieren nur durch Horrorgeschichten und Zoobesuche geprägt.
    Ihre Antworten nehme ich zwar respektvoll zur Kenntnis, aber Respekt vor Natur sieht wirklich anders aus, als Sie es so vehement propagieren.

  3. 11.

    Ich fürchte, beim rbb teilt man Ihre Einschätzung - aus Angst, von Rechten diskreditiert zu werden. Das ist rückgratlos; der Pressefreiheit nicht würdig. Toleranz ohne Grenzen, bedeutet, dass man Menschenrechtsverächter*innen nichts entgegensetzt. Rechtspopulist*innen u. -extremist*innen suchen nicht nach Antworten, sondern nur nach mehr Anschlussfähigkeit Ihrer Ideologien.

    "Lügenpresse" gehört bei Ihnen wohl zum Duktus.

    Es war beunruhigend zutreffend, anzunehmen, man würde fragwürdige bzw. inakzeptable Gäste einladen. Die dritte Diskussion in wenigen Jahren - das dritte Mal mit Rechtsextremen. Unbelegte Behauptungen, pauschale Delegitimierung Andersdenkender, Emotionalisierung - dieselben Muster wie in allen anderen Feldern der AfD.

    Wie groß sind die Anteile von Nutztieren in der Ernährung des Wolfs? Wie viele Weidetiere/ Wölfe gibt es, wie groß sind prozentual die Verluste durch Risse? Welche Tiere richten in unseren Wäldern Schäden an? Expertise, Inhalte statt Emotionen!

  4. 10.

    Teil 2: Im Rußland des 19. Jahrhunderts wurden die jährlichen Wolfstoten nach Hunderten gezählt. (List of Wolf Attacks)

    Ein Team um den französischen Professor Jean-Marc Moriceau hat historische Aufzeichnungen von über 10.000 Wolfsangriffen auf Menschen im Frankreich der letzten Jahrhunderte zusammengetragen und katalogisiert. (J.-M. Moriceau: "Histoire du méchant loup", Hachette Pluriel Editions, 2016)

    Und wenn Sie wolfssichere Zäune sehen wollen, gehen Sie bitte in den Zoo: 3 Meter hoch und mit Untergrabschutz.

    Klar soweit?

  5. 9.

    Was genau meinen Sie? Soll ich Bilder von zerfleischten Herdenschutzeseln, zerfleischten Rindern und zerfleischten Pferden hier einstellen, oder zweifelst Du an, daß ein Wolf(Schulterhöhe wie eine Deutsche Dogge) locker einen 90-cm-Zaun überspringen kann?

    Apropos Märchenbuch: 1810/11 wurden im Raum Viersen/Roermond 12 Kinder von Wölfen getötet (Heimatbuch Landkreis Viersen 2002). Ein Jahr später erschien der erste Band der Hausmärchen der Gebrüder Grimm mit dem Märchen Rotkäppchen. 1814/15 wurden im Landkreis Wongrowitz, Provinz Posen 28 Kinder von Wölfen getötet - und daselbst im Jahre 1820 noch 16 Kinder und 3 Erwachsene (diverse zeitgenössische Zeitungen sowie Brehms Tierleben).
    Ansonsten Google: List of Wolf Attacks

    Zur Jagdweise ohne Kehlbiß empfehle ich das Googeln nach "eaten alive by Wolves" sowie Fachliteratur der Professoren und Wolfspäpste L. David Mech und Durward L. Allen - alternativ den Artikel Wolf in der englischsprachigen Wikipedia mit entsprechenden Bildern.

  6. 8.

    Im Grunde erübrigt sich jede Diskussion um den Wolf, denn das Problem ist die Jägerlobby die im Wolf eine grosse Konkurrenz sieht.
    Der Wolf ist definitiv eine grosse Bereicherung für das Ökosystem, was u.a. wissenschaftlich bestätigt wurde.

  7. 7.

    Mensch Meier, kannst es nicht lassen, solche Polemik durchzustecken?
    Dann bitte stichhaltige Belege für diese unwahren Behauptungen.
    Und bitte kein Märchenbuch als Vorlage nehmen.

  8. 6.

    Warum muss man eigentlich immer streiten? Kann man nicht auch Dinge ohne Streit lösen?

  9. 5.

    "Zudem wird sich noch zeigen, was die Moderator*innen an "Meinung" so alles zulassen. Der rbb hat sich mit den Podiumsdiskussionen in Cottbus nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als er Rechtsextremist*innen eine Bühne u. damit mehr Gesellschaftsfähigkeit bot."

    Hier sollte man mal kurz überlegen was die Roller der öffentlich-rechtlichen Medien und die eines Moderators ist. Aufgabe ist eine neutrale Berichterstattung und kein moralischer Maulkorb. Durch diese Haltung bestärken wir doch nur das Bild der Lügenpresse. Auch wenn es sehr schwer fällt, muss versucht werden den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen um zu erfahren was eigentlich schief läuft. Die Ansicht jeder AFD-Wähler ist gleich ein Nazi ist so stimmig wie jeder SPD-Wähler ist Gewerkschafter.

  10. 4.

    Für die "Naturschützer" geht es vor allem um die Fördermittel, die mit dem Wolf zusammenhängen. Dafür werden gerne mal Märchen erzählt, die sich nacheinander als falsch herausgestellt haben (immer Kehlbiß, Wolf reißt weder Pferde noch Rinder, Mensch wurden nie angegriffen, 90 cm E-Zaun reicht, Herden-"Schutz"-Esel usw. usw.) Das kann man nicht ernst nehmen.

  11. 3.

    Dann wünsche und hoffe ich, dass es eine lebhafte Diskussion wird, die ggf. Alternativen und Kompromisse hervorbringt, die bisher noch nicht in Betracht gezogen wurden.

    Wenn die bisherigen Maßnahmen keinen ausreichenden Erfolg gebracht haben, muss vllt einfach etwas mehr Geld investiert werden, um die Schutzzäune stabiler und höher zu bauen.

    Das würde die Schäfer beruhigen, wenn dadurch die "Schäden" am Tier wegfallen würden und die Wölfe hätten weniger Grund, für ihren natürlichen Jagdtrieb verteufelt zu werden...


    Dennoch entscheidet am Ende Lobby-Politik und es gewinnt immer der wirtschafltich stärkere Bereich, bevor der Natur-, Tier- und Umweltschutz berücksichtigt wird.

  12. 2.

    Ein hehres Ziel, für das ich den Verantwortlichen viel Glück wünsche. Allerdings ist schon jetzt fraglich, inwieweit es über ein betreutes Sprechen hinausgehen wird. Komplexe Themen lassen sich nicht in Schwarz-Weiß-Denken einteilen. Insofern verbietet sich von Angang an ein "da muss es ein klares Pro und Contra geben". Expert*innen sind gefragt, womit nicht unbedingt Polikter*innen gemeint sind. Man braucht Input und Belege, auf deren Basis sich ausgetauscht wird. Wenn ich nur mit Meinungen allein ankomme, werden das emotional intensive, aber erkenntnisarme Treffen sein. Postfaktische Denkweisen werden mit Fakten bekämpft. Außerdem wird es menschlich plausiblerweise zu Reaktanz kommen. Da hilft auch keine Moderation.

    Zudem wird sich noch zeigen, was die Moderator*innen an "Meinung" so alles zulassen. Der rbb hat sich mit den Podiumsdiskussionen in Cottbus nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als er Rechtsextremist*innen eine Bühne u. damit mehr Gesellschaftsfähigkeit bot.

  13. 1.

    Das Titelbild spricht Bände.
    Ich hoffe, diese Veranstaltung bleibt friedlich. Aber gut, dass es sie gibt.

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