Interview | Neuer rbb-Talk "Wir müssen reden" - "Auge in Auge hören wir uns hoffentlich besser zu"
Wölfe und Biber machen den Anfang: Beim neuen rbb-Bürgertalk "Wir müssen reden" geht es um wilde Tiere, die die Meinungen spalten. Die Moderatorinnen Janna Falkenstein und Tatjana Jury setzen auf die Lust der Menschen, zu streiten - respektvoll, versteht sich.
rbb|24: Warum startet der Bürgertalk eigentlich ausgerechnet zum Thema Wölfe und Biber?
Tatjana Jury: Zwei Tiere und jede Menge Projektionsfläche für Sorgen und Konflikte: zwischen Dörflern und Städtern, Tradition und Moderne, Jägern und Naturschützern - obwohl im Grunde ja auch Jäger Naturschützer sind. Zu diesem Thema kann wohl jeder aus dem Stand etwas sagen.
Janna Falkenstein: Das Thema hat in den letzten Monaten immer wieder für Gesprächsstoff gesorgt, viele Bürger und den Bundestag beschäftigt. Was ist wichtiger - Tierschutz oder die Existenz der Schäfer zum Beispiel? Es ist doch eine hochspannende Frage, wie wir Artenschutz und das Wohl der Bürgerinnen und Bürger unter einen Hut kriegen. Zwar ist schon einiges passiert, wie etwa Entschädigungen und subventionierte Schutzmaßnahmen für Schäfer. Eine wirklich befriedigende Lösung - da sind sich ausnahmsweise beide Seiten einig - ist aber noch immer nicht gefunden.
Rechnen Sie mit heftigen Diskussionen?
Janna Falkenstein: Immer wenn sehr gegensätzliche Meinungen aufeinander treffen, ist da Potenzial für hitzige Auseinandersetzungen. Und das Thema ist emotional schon sehr aufgeladen. Also ja. Wir haben allerdings kein Interesse daran, dass sich unsere Gäste gegenseitig anschreien. Zwar ist unsere Prämisse, dass bei uns jeder alles sagen darf und keine Meinung besser ist als die andere, aber bitte immer mit Respekt für das Gegenüber. Also hitzig ja, aber wer reden will, muss auch zuhören können.
Tatjana Jury: Diskussionen wird’s ganz sicher geben, hier in Brandenburg sind wir im Kerngebiet der Wölfe und der große Nager stresst die Menschen auch schon länger - besonders an den Oder- Deichen.
Wie werden die Bürger in den Talk einbezogen? Kann man sich auch über die Social Media-Kanäle einbringen?
Janna Falkenstein: Jeder und jede ist herzlich eingeladen, nach Frankfurt (Oder) zu kommen und sich vor Ort persönlich an der Diskussion zu beteiligen. Wir laden ja ganz bewusst keine große Politikerrunde ein, sondern nur zwei politische Vertreter. Das heißt: Das Publikum ist bei uns keine Kulisse sondern der Hauptakteur. Natürlich wird niemand gezwungen, sich zu äußern. Aber die Idee ist schon, dass die meiste Redezeit von unseren Publikumsgästen genutzt wird und nicht wie üblich von den Politikern. Ob das funktioniert und ob die Bürger und Bürgerinnen das wollen, werden wir sehen.
Tatjana Jury: Die Meinung der anwesenden Bürgerinnen und Bürger steht im Mittelpunkt, aber wer nicht nach Frankfurt kommen kann oder möchte, darf gern im Netz mitdiskutieren. Die Redaktion des Bürgertalks liest und verarbeitet vor, während und nach der Sendung alle Kommentare. Während der Sendung können die Zuschauerinnen und Zuschauer über den zibb-Messenger des rbb sogar live zu Streitfragen der Sendung abstimmen. Das Ergebnis landet dann direkt in der Sendung.
Was wollen Sie beim Bürgertalk erreichen?
Tatjana Jury: Im besten Fall, die Lust zu streiten, miteinander.
Janna Falkenstein: Es klingt so trivial: Miteinander reden. Wenn ich in die Sozialen Medien schaue, dann erlebe ich oft eher ein Abwerfen von Meinung. Und wem die Meinung nicht gefällt, der soll den Mund halten. Naja, wohl eher: die Fresse. Es ist so leicht, anonym aufeinander loszugehen. Auge in Auge hören wir uns hoffentlich besser zu, verstehen einander vielleicht sogar besser. Und wenn wir nach einer Stunde Diskussion anfangen, über Kompromisse zu reden, haben wir schon sehr viel erreicht.
Wie wählen Sie Ihre Themen aus?
Janna Falkenstein: Unsere Themen sollen kontrovers sein. Wir wollen ja miteinander diskutieren. Es muss also klare Pro- und Contra-Positionen geben. Wir wollen über gesellschaftliche Themen sprechen, die irgendwie in der Sackgasse stecken. Und sie müssen aus der Lebenswirklichkeit der Berliner und Brandenburger kommen. Natürlich muss man nicht von jedem Thema unmittelbar betroffen sein: Ich als Kreuzbergerin habe mit Wolf und Biber ja auch keine Probleme. Und trotzdem interessiert es mich - das Schicksal der Schäfer und gleichzeitig das der Wildtiere.
Tatjana Jury: Es sollte um das gehen, was die Menschen wirklich aufregt und bewegt. Wo es gegensätzliche Positionen gibt, die sich nicht so leicht auflösen lassen, wollen wir miteinander ins Gespräch kommen und nach Lösungsansätzen suchen.
Sie machen eine Doppelmoderation – haben Sie die Aufgaben schon verteilt oder lassen Sie das alles auf sich zukommen?
Tatjana Jury: Auch das lässt sich nicht so leicht auflösen… wir beide wissen aber, wer hier das Sagen hat! Steht ja schon drauf: Bürgertalk!
Janna Falkenstein: So Good Cop/Bad Cop? Nein. Das gibt es bei uns nicht. Tatjana und ich verstehen uns als Diskussionsleiterinnen. Wir sorgen für Struktur und - wenn es sein muss - für Ordnung. Mal ganz davon abgesehen, dass Tatjana und ich uns ohnehin sehr ähnlich sind. Wir lassen uns beide nicht so schnell die Butter vom Brot nehmen, wenn ich das so sagen darf. Und wir wollen Menschen die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu sagen - und zwar jede Meinung. Das lässt sich nicht planen. Ich bin sehr froh, dass ich dabei eine so schlagfertige, kluge Kollegin an meiner Seite habe.
Welche weiteren Themen werden folgen?
Tatjana Jury: Thematisch gibt es für die nächsten Ausgaben noch keine konkrete Festlegung. Wir wollen immer auch ein bisschen spüren, was ist gerade das Thema, über das in der Region aktuell kontrovers debattiert wird.
Janna Falkenstein: Aber ob Mieten in Berlin oder Kohleausstieg und die Folgen in Brandenburg - an spannenden, streitbaren Themen über die wir reden müssen, werden wir mit Sicherheit keinen Mangel haben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellten Vanessa Witzki und Nele Haring, rbb|24.
Sendung: rbb-Fernsehen, 13.06.2019, 20:15 Uhr