Interview | Fridays for Future - "Ihr kreatives Potenzial macht diese Bewegung so besonders"

Fünf Tage lang haben Unterstützer von Fridays for Future in Dortmund ihren ersten Kongress abgehalten. Wo steht die Bewegung im Moment und wo will sie hin? Ein Gespräch mit Sabrina Zajak vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung.
rbb: Frau Zajak, unbestritten haben die Klimaproteste der jungen Generation viel Aufmerksamkeit erfahren und die Politik unter Zugzwang gesetzt. Nun stellt sich die Frage, wie es mit so einer basisdemokratischen und informellen Bewegung weitergehen kann. Wieviel hat Fridays for Future die Standortbestimmung in Dortmund gebracht?
Sabrina Zajak: Es war sehr wichtig für die Bewegung, die Sommerpause zu nutzen, um sich zu sammeln, gemeinsam zu reflektieren und zu diskutieren: Welche Strategien wählen wir, welche Taktiken, welche Ziele verfolgen wir, und wie wollen wir sie umsetzen? Also nicht nur in den Demonstrationen Forderungen stellen, sondern auch zu besprechen: Was machen wir auf lokaler und auf städtischer Ebene, in den Familien, in den Gemeinden, wer sind unsere Adressaten? Aber auch: Wer sind unsere Bündnispartner, welche Themen müssen wir aufgreifen? Ich denke, an dem Punkt ist die Bewegung jetzt angekommen. Das war sehr wichtig.
Fridays for Future ist längst keine reine Schülerbewegung mehr. Ist es ein Erfolg, so breit aufgestellt zu sein? Oder ist es ein Problem, wenn die Bewegung gewissermaßen glatt geschliffen werden könnte?
Sie müssen zwei Aspekte betrachten: Die Bewegung selbst, beziehungsweise ihre Aktivisten und Akteurinnen, möchten sich nicht von anderen beeinflussen oder okkupieren lassen. Das ist verständlich. Andererseits ist es natürlich ein Erfolgsfaktor, wenn andere ihre Themen aufgreifen und übernehmen. Es geht auch darum, dass Brücken zwischen Themen geschlagen werden. Also: Was ist die Beziehung zwischen Klima und Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit, sozialer Ungleichheit, der Migration, Integration, Diskriminierung? Wo sind Anknüpfungspunkte dieser ganzen Themen, wo sind vielleicht auch keine? Das muss man besprechen und ausdiskutieren.
Von allen Parteien freuen sich Die Grünen, gerade die Grüne Jugend, wahrscheinlich am meisten über Fridays for Future. Wie groß ist das Risiko für Fridays for Future, von sehr professionell organisierten Strukturen absorbiert zu werden?
Das Risiko absorbiert zu werden, ist nicht wirklich hoch. Die Bewegung ist sehr groß, die jungen Leute sind hochmotiviert, etwas zu tun. Es ist klar, dass sie von Organisationen unterstützt werden, die ebenfalls interessiert sind, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das muss aber nicht negativ für die Bewegung sein. Die Frage ist: Wie gehe ich mit größeren Organisationen um, wie mit Parteien, wie positionieren wir uns dazu? Das war auf dem Kongress immer wieder Thema. Sie gehen sehr reflektiert damit um.
Aufmerksamkeit hat Fridays for Future längst bekommen. Jetzt will man Konkretes bewegen. Wie stellt man das jetzt an: mit radikalen Aktionen? Wie konsensfähig wäre das?
Wie man das anstellt, ist immer die Gretchenfrage von Bewegungen und Aktivisten. Es gibt nicht nur eine effektive Taktik. Auch hängt die Frage, welche Taktik ich wähle, nicht unbedingt davon ab, ob ich sie als effektiv einschätze. Es gibt unterschiedliche Positionen. Manche Gruppen werden sagen: Wir müssen etwas radikaler werden. Andere Gruppen werden es ganz anders machen wollen. Denn gerade ihr kreatives schöpferisches Potenzial macht diese Bewegung so besonders, auch so attraktiv. Man fängt bei der Politik im Kleinen an, bei sich selbst. Das beginnt bei der Änderung des eigenen Lebensstils, des eigenen Konsumstils. Aber auch des eigenen Umfeldes, in der Arbeit, in der Schule, in Verbänden, in Vereinen. Also ich versuche, meine eigene Lebenswelt besser zu gestalten.
Man hört jetzt aus manchen regionalen Gruppen, dass dort immer mehr die sogenannten linksradikalen Protestprofis das Sagen hätten, und die anderen dadurch verdrängen. Wie groß ist die Gefahr einer Radikalisierung?
Ich denke nicht, dass man in diesen Gruppen jetzt sozusagen einen "friendly oder hostile takeover" sehen wird. Die Aktivisten sind sich sehr bewusst, sie reflektieren darüber. Aber es gibt natürlich auch bestehende Gruppen, die andere Taktiken wählen, und man diskutiert etwa die Frage nach zivilem Ungehorsam. Diese Debatten, und wie sie beantwortet werden – das wird sicherlich von Ortsgruppe zu Ortsgruppe sehr unterschiedlich ausfallen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Mit Sabrina Zajek sprach Alexander Schmidt-Hirschfelder, Inforadio. Das vollständige Gespräch können Sie mit Klick auf das Audiosymbol im Header des Artikels nachhören.
Sendung: Inforadio, 05.08.2019, 07:29