Kommentar | Entwurf des Mietendeckels - Warum Katrin Lompscher Dank gebührt

Keine Miete über 8 Euro pro Quadratmeter, Altbau billiger als Neubau, kaum Ausnahmen: Der Mietendeckel, wie Bausenatorin Lompscher ihn vorgeschlagen hat, provoziert heftige Reaktionen. Dabei hat sie der Stadt einen Gefallen getan. Von Sebastian Schöbel
Der Entwurf für einen Berliner Mietendeckel von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) ist genau das, was diese Stadt jetzt braucht.
Nicht weil er richtig ist. Sondern weil er radikal ist.
Und gemessen an der aktuellen Lage auf dem Berliner Immobilienmarkt, mit Mietenexplosion bei gleichzeitigem Wohnraummangel, braucht es diese Radikalität.
Weil wir nicht in einer sozialistischen Autokratie leben, wie nun Teile der Opposition bereits mit Schaum vor dem Mund fabulieren, sondern in einer Demokratie, wird dieser Entwurf eine intensive Wohnraum-Debatte auslösen, an deren Ende ein - hoffentlich vernünftiger - Kompromiss stehen wird.
In welcher Stadtgesellschaft möchten wir leben?
Weil die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mal grundsätzlich über das Wohnen, Mieten, Vermieten und Besitzen in Berlin diskutieren müssen. Nicht an medial aufgeputschten Einzelbeispielen, sondern im Großen und Ganzen. Um eine Entscheidung über die Stadtgesellschaft zu fällen, in der wir leben möchten.
Lompschers Mietendeckel ist dafür ein sehr guter erster Aufschlag, weil er ein paar grundsätzliche Thesen aufstellt:
1. Vermieten ist mehr Dienstleistung als Kapitalanlage.
2. Der Staat und seine Beamten entscheiden, wie viel Miete angemessen ist, nicht der Markt.
3. Alle Mieter sind gleich – reiche genauso wie arme.
Alle strittigen Fragen lassen sich nun trefflich diskutieren
Diese Thesen muss niemand unterstützen. Im Gegenteil, man kann sie sogar mit sehr guten Argumenten widerlegen. Wo soll neuer Wohnraum herkommen? Wie soll bestehender Wohnraum erhalten bleiben? Was ist uns Eigentum wert? Warum soll ich dem Staat in Sachen Mietgerechtigkeit vertrauen?
All diese und viele weitere Punkte kann man an Lompschers Vorschlag trefflich debattieren. Hätte sie ihn mit Blick auf Wählerstimmen und politische Befindlichkeiten entschärft oder verklausuliert, wäre das schwieriger geworden – und niemand hätte etwas davon gehabt.
Jeder ist davon betroffen, alle müssen sich einbringen
So aber stellt die Linken-Politikerin das Fundament des aktuellen Berliner Mietmarktes infrage. Jeder ist davon betroffen, alle müssen sich einbringen.
Das letzte Wort haben dann sehr wahrscheinlich sowieso die Richter, vermutlich die in Karlsruhe. Und das ist auch gut so, so funktioniert ein ordentlicher Rechtsstaat.
Schon jetzt uneingeschränkt falsch ist an Katrin Lompschers Vorschlag indes nur eines: Die Art und Weise der Veröffentlichung. Indem es einer Handvoll Journalisten exklusiv zugespielt wurde, hat es den Ruch der Heimlichkeit. Stattdessen hätte Lompscher diese vier Seiten auch einfach selbst in aller Öffentlichkeit präsentieren können, in ihren eigenen Worten.
Aber das war dann wohl doch ein bisschen zu radikal.