Rias-Zahlen zum Antisemitismus - Zweimal täglich wird in Berlin ein Jude angefeindet
Insgesamt sind seit Jahresbeginn zwar weniger antisemitische Vorfälle in Berlin registriert worden - dennoch sind die Zahlen der Informationsstelle Rias alarmierend: Zweimal pro Tag gibt es Angriffe auf Juden - und die Dunkelziffer dürfte noch höher sein.
404 antisemitische Vorfälle sind im ersten Halbjahr 2019 in Berlin erfasst worden. Das geht aus einer Auswertung der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias) hervor. Im Schnitt würden pro Tag zwei judenfeindliche Vorfälle bekannt, teilte die Recherchestelle am Donnerstag mit.
Der starke Anstieg des vergangenen Jahres habe sich zwar nicht fortgesetzt. Zum Vergleich: 2018 gab es in demselben Zeitraum 579 Meldungen. Jedoch bleibe die Zahl der Fälle mit besonderem Gefährdungspotential für die Betroffenen hoch.
So registrierte Rias zwischen Januar und Juni 13 judenfeindliche Angriffe und 20 Bedrohungen, mehr als etwa 2016 oder 2017. Die übrigen 300 Vorfälle umfassen Beleidigungen und Beschimpfungen am Telefon, per E-Mail, auf Internetseiten sowie Schmierereien an Hauswänden und Sachbeschädigungen. Betroffen waren demnach insgesamt 110 Einzelpersonen betroffen gewesen.
Bei 41 Prozent der Vorfälle ist laut Rias der politische Grund der antisemitischen Tat unbekannt. Knapp 30 Prozent werden einer rechtsextremen Haltung zugeordnet. Bei etwa zwölf Prozent sei ein "antiisraelischer Aktivismus" erkennbar.
Beschimpft und angespuckt
Im Januar wurde in Berlin-Mitte etwa einer Frau, die im Bus auf Hebräisch telefoniert hatte, von einem Mann die Mütze so gewaltvoll vom Kopf gerissen, dass die Betroffene beinahe von ihrem Sitz fiel. Im Mai wurde in Friedrichshain-Kreuzberg eine weitere Frau, die ebenfalls auf Hebräisch telefonierte, in der U-Bahn als "Yahudi", was auf arabisch Jude bedeutet, und als "Babymörder" beleidigt. Im Juni wurden in Pankow ein Kippa tragender Mann und seine Mutter als "Yahudi" beschimpft und angespuckt.
Bei den Vorfällen im Internet gab es demnach einen Rückgang von 40 Prozent. 224 Vorfälle passierten direkt oder im öffentlichen Raum. Die Anzahl rechter antisemitischer Vorfälle war mit 120 gleichbleibend hoch. Rias-Projektleiter Benjamin Steinitz sprach von einem "antisemitischen Grundrauschen", dass mittlerweile den Alltag in Berlin präge. Weiterhin seien gerade Personen, die als jüdisch erkennbar seien, von Anfeindungen betroffen.
Die Zahlen sind noch nicht endgültig, da es laut Rias häufig Nachmeldungen von Fällen gebe. Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte zudem kürzlich gesagt, sie vermute, "dass das Dunkelfeld sehr groß ist". Der Senat, die Polizei und die Staatsanwaltschaft haben inzwischen jeweils einen eigenen Beauftragten für das Thema Antisemitismus.
Sendung: Inforadio, 26.09.2019, 12:30 Uhr