"Housing First" in Berlin - Wohnungsprojekt für Obdachlose ist erfolgreicher als gedacht

Mo 30.09.19 | 14:38 Uhr
  19
Die ehemals obdachlose Frau Ingrid Bujnak sitzt im Wohnzimmerbereich ihrer neuen Wohnung im Stadtteil Schöneberg
Audio: Inforadio | 30.09.2019 | Jan Menzel | Bild: dpa/Carsten Koall

Als "Housing First" vor einem Jahr gestartet wurde, gab es große Zweifel: Klappt es, auf dem angespannten Berliner Immobilienmarkt dutzende Wohnungen für Obdachlose zu finden? Nun steht fest: Es geht - sogar besser, als gedacht.

Ein Jahr nach dem Start des Berliner Obdachlosen-Hilfsprojekts "Housing First" haben die Verantwortlichen eine positive Bilanz gezogen. Das bundesweit einmalige Pilotprojekt habe das für das erste Jahr angesteuerte Ziel übertroffen, wie Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Montag in Berlin sagte. Der Erfolg würde anfänglich kritische Stimmen widerlegen.

Bislang konnten 35 Wohnungen an obdachlose Frauen und Männer vermittelt werden. Ziel war es, über einen Zeitraum von drei Jahren bis zu 80 wohnungslose Menschen mit einer eigenen Wohnung zu versorgen.

Wohnraum und Lebenshilfe

Die Wohnungen seien überwiegend von großen städtischen und privaten Wohnungsunternehmen zur Verfügung gestellt worden, hieß es weiter. Träger des Pilotprojekts sind die evangelische Berliner Stadtmission, die gemeinnützige Neue-Chance-Gesellschaft der Diakonie sowie der Sozialdienst katholischer Frauen.

Bei "Housing First" bekommen auf der Straße lebende Menschen ohne die üblichen formalen Vorbedingungen eine Wohnung. Zuvor mussten sie viele Voraussetzungen erfüllen, um eine Wohnung zu erhalten, etwa mögliche Schulden oder eine vorhandene Sucht in den Griff bekommen. Daran scheiterten aber viele.  Die nun bei "Housing First" zur Verfügung gestellten  Wohnungen müssen sie allerdings selbst finanzieren können, etwa mit Hilfe des Jobcenters, durch eine Rente oder auch durch Arbeit. Außerdem erhalten sie von Sozialarbeitern eine individuell zugeschnittene Unterstützung.

Laut Breitenbach ist der Ansatz von "Housing First" ein "Paradigmenwechsel" in der Wohnungslosenhilfe. Zunächst sollen Menschen eine Wohnung erhalten, "um zuerst einmal tief Luft holen und zur Ruhe kommen zu können. Dann entscheiden sie, wie es weitergeht", erläuterte Breitenbach. Die Senatssozialverwaltung stellt für das Projekt in diesem Jahr 580.000 Euro zur Verfügung.

19 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 19.

    Es gibt auch einige Menschen mit Arbeit und geringem Einkommen/ Unterstützung vom Jobcenter und/oder Hartz IV beziehen und keine Wohnung bekommen, weil die Mietpreise so krass angestiegen sind und von den Vermietern imer mehr verlangt wird um überhaupt eine Wohnung besichtigen zu dürfen. Das eine vierköpfige Familie beispielsweise in einer zwei Zimmerwohnung lebt ist in den Ballungsgebieten auch keine Seltenheit mehr.

  2. 18.

    Haha, selten so gelacht. Schon mal einen Job gefundent, wenn man nicht mal eine Meldeadresse hat (wird für die Lohnabrechnung benötigt usw.), nicht weiß, wo man nachts schlafen, sich für ein Erwerbsleben angemessen waschen etc. und täglich ordentlich gepflegt kleiden soll? Die Wohnung ist das allerwichtigste. Die Basis. Und mal abgesehen davon, weiß doch jeder, wie der Wohnungsmarkt heute aussieht. Einfach nur ein "Job" reicht da nicht zwingend, um eine bezahlbare Wohnung zu bekommen. Schon mal was von präkaren Jobs gehört, bei denen die Leute bei Vollzeitarbeit noch beim Amt aufstocken müssen, um überhaupt auf das für das als Minimum erachtete zu kommen?
    Ich finde das Projekt gut. Ich finde es nämlich eine Schande, dass in einem Land wie Deutschland Leute auf der Straße leben müssen. Menschen, die bei der Lebensbewältigung Support benötigen, wird es immer geben. Wie eine Gesellschaft damit umgeht, zeigt ihre echten menschlichen Werte.

  3. 17.

    Problem ist leider auch, dass viele Obdachlose nicht (mehr) können/wollen. Gewohnheit, Resignation und festgefahrenheit in dieser Welt. Diese gewohnte Umbegung gibt ihnen auch Sicherheit.

    Aber wie gesagt, in einem reichen Land wie Deutschland - finde ich - sollten wir mehr auf hungernde, frierende und einsame Menschen zugehen. Es wird so viel Geld für unnötige Dinge ausgegeben, (1000 Radio-Sender, Orchester, GEZ - nix gegen den Rundfunkauftrag; unnötie Flüge der Minister; weggeworfene Lebensmittel, weil sonst Steuerhinterziehung), aber eine Million weniger hier und da, und man könnte so viel machen in den sozialen Bereichen... Auch für Kinder (Spielplätze - Nein, ich meine nicht nur Schaukeln...)
    Ich höre lieber auf, bevor ich mich aufrege. Der Puls steigt schon wieder...

    Wie ging dieser Spruch mit dem "Zeig mir wie du mit deinen Leuten umgehst,..."?

  4. 16.

    Ähm, du hast aber schon gemerkt, dass die falschen Subventionen von Schwarz und Rot stammen, oder?

  5. 15.

    Ich leide gerade ein wenig an einem "Grippalen Infekt" und frage mich, wie so was ausheilen soll, wenn man ständig auf der Straße leben muss.
    Ich glaube, jemand der noch nie obdachlos war, kann die Strapazen gar nicht abschätzen, die damit zusammenhängen.
    Man kann für Obdachlose, die guten Willens sind gar nicht genug tun.
    Super Projekt!

  6. 14.

    Ich würde eher sagen: "Es geht, wenn die Menschlichkeit sich gegen eine verkommene Sozialpolitik durchsetzt!
    Wer die tatsächlichen Träger eines solchen Projektes sind, haben Sie gelesen?

  7. 13.

    Linke und Grüne zerstören gerade dieses Land....mit samt der Freien Marktwirtschaft.

  8. 12.

    Geht doch, wenn Linke und Grüne sich mal gegen die SPD durchsetzen.

  9. 11.

    Vielleicht ist die/der eine oder andere Obdachlose bereit, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Daraus könnte man dann @rbb evtl. eine kleine Serie machen. Das würde dann ggf. noch mehr Wohnungsunternehmen motivieren, eine Wohnung zur Verfügung zu stellen.

  10. 10.

    Finde ich gut. Niemand sollte in einem reichen Land wie Deutschland wohnungslos sein.

  11. 9.

    Machen Sie es sich immer so einfach? Ich schließe mich der Meinung von @ Marlis voll an. Zudem sollten Sie den Artikel zum Thema richtig lesen. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Hier ist Fürsorge und eine Wohnung zuerst mal geboten und dann das Jobcenter.

  12. 8.

    Viele Obdchlose sind krank, zu krank, um einer geregelten Arbeit nachgehen zu können. Damit meine ich nicht nur Suchtkrankheiten, sondern auch körperliche Gebrechen. Das Leben auf der Straße ist hart.

  13. 7.

    Da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu. Ich hätte mir im Bericht aber mehr Infos gewünscht, wie mit den Menschen nach der erfolgreichen Vermittlung weiter verfahren wird. Ich hoffe ja auch, dass sie weiter betreut werden, allerdings würde es mich nicht wundern, wenn es da Defizite gäbe. Wäre ja nicht das erste Mal, dass solche Pilotprojekte isoliert von weiterer Hilfe durchgezogen werden. Das wäre für die ehemaligen Obdachlosen aber sehr tragisch, weil dann der Vermittlungserfolg nicht nachhaltig wäre. Deshalb meine Frage.

  14. 6.

    Wie wäre es mit Jobvermittlung? Dann klappts auch mit der Wohnung.

  15. 5.

    Soweit mir bekannt ist, werden die Obdachlosen sozial betreut. So wie in „Housing First“. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

  16. 4.

    "Housing First" : Hoffentlich können die alle englisch.

  17. 3.

    Na bitte geht doch. War schon lange überfällig so ein Wohnprojekt.

  18. 2.

    Endlich mal was wirklich Sinnvolles (UND Soziales). Hoffentlich bleibt das nicht nur eine temporäre Eintagsfliege.

  19. 1.

    Sehr gut zu hören, dass dieses Projekt so sehr erfolgreich ist. Allgemein sollten die Voraussetzungen für einen Wohnungslosen geringer sein, wieder ein Dach über den Kopf zu erhalten. Allerdings frage ich mich: Werden die Betroffenen auch nach der erfolgreichen Vermittlung so intensiv weiter betreut? Nicht, dass diese Menschen nach kürzester Zeit wieder die Wohnung verlieren, weil sie ihre Sucht oder die Schulden nicht unter Kontrolle haben. Dann ist der Betrag von knapp 600.000 EUR auch wirklich gut angelegt.

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren