Interview | "Entrepreneurs For Future" - "Wenn die Welt gerade abbrennt, müssen wir handeln"

Mi 18.09.19 | 10:31 Uhr
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Tor mit einem Schild auf dem heute geschlossen steht (Quelle: imago images/biky)
Audio: rbb 88.8 | 16.09.2019 | O-Ton Raphael Fellmer | Bild: imago images/biky

Auch Unternehmer können viel tun, um in Sachen Klima ein Zeichen zu setzen - zum Beispiel alle ihre Mitarbeiter zum Klimastreik schicken. Denn "die Welt brennt", sagt der Berliner Unternehmer Raphael Fellmer.

rbb: Guten Tag, Raphael Fellmer. Für FridaysforFuture sind Sie ja ein bisschen zu alt. Aber Sie sind Unternehmer und haben daher ein paar mehr Rädchen, an denen Sie drehen können. Welche Möglichkeiten haben Sie da, um mehr Klimaschutz zu bewirken?

Raphael Fellmer: Ich glaube, dass wir als Gesellschaft eine Verantwortung haben für das Klima und für eine Enkel-taugliche Zukunft. Und zwar nicht nur jede Privatperson, sondern auch die Politik und jede Organisation – aber natürlich auch alle Firmen. Deswegen wollen wir auch als Firma mit fast 100 Angestellten hier in Berlin ein Zeichen setzen für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Damit auch ihnen die Dringlichkeit bewusst ist, heute etwas zu tun.

Aber es soll auch ein Zeichen sein für unsere über 1.300 Kunden, die uns besuchen. Und wir wollen auch andere Firmen inspirieren, mitzumachen, damit es am 20. September wirklich die größte Klima-Demo der Welt wird. Wir gehen mit und sind sehr dankbar, dass sich mittlerweile auch viele weitere Firmen dazu entschlossen haben.

rbb: Das war aber keine Antwort auf meine Frage, was Sie als Unternehmer konkret tun können in Sachen Klimaschutz…

Wir schließen am 20. September unsere Retter-Märkte, den Online-Shop, das Lager und das Büro. Das ist eine Möglichkeit. Das reicht natürlich nicht. Aber wir sind ohnehin ein Impact-Startup. Also alles, was wir tun, trägt zum Gemeinwohl und zu einer nachhaltigeren Welt bei.

Trotzdem haben wir uns dazu entschlossen – ich dachte am Anfang, wir könnten uns das gar nicht leisten, weil wir ohnehin nur Minus machen – auf die Straße zu gehen. Denn ich habe dann gemerkt, dass wir es uns heute eigentlich nicht leisten können, nicht mitzumachen. Wenn die Welt uns gerade abbrennt, müssen wir gesamtpolitisch und –gesellschaftlich stärker handeln und zeigen, dass es ernst ist. Und nicht mehr sagen, dass wir in zehn oder zwanzig Jahren irgendwas reduzieren. Wir müssen heute anfangen, ganz massiv Treibhausgase, Umweltverschmutzung und andere Dinge, die der Umwelt nicht zugutekommen, zu reduzieren.

rbb: Sie wollen also ein Zeichen setzen. Aber es ist doch vermutlich auch möglich, ganz konkret im Alltag als Unternehmer mehr zu tun?

Ja, es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, ein Ökobank-Konto zu haben oder Öko-Strom zu beziehen. Man kann natürlich auch Bio-Lebensmittel für seine Mitarbeiter einkaufen. Außerdem gibt es eine betriebliche Altersversorgung, wo das Geld nicht irgendwo angelegt ist, sondern in nachhaltigen Unternehmen und Projekten, also in Projekten, die der Erde zugutekommen und das Klima nicht noch weiter kaputtmachen. Wir können auch dafür sorgen, wie wir unseren Mitarbeitenden und unsere Kunden dazu bringen, insgesamt ihren Lebensstil ökologisch nachhaltiger aufzustellen. Das machen wir durch Seminare, Workshops und Retter-Touren – wo wir das Thema aufgreifen. Wir haben auch einen Talk, wo wir Leute einladen, die inspirierend sind und die den Menschen helfen, ihren Lebensstil zu ändern.

Denn das heißt ja auch nicht, dass man nichts mehr essen soll, um die Verschwendung zu reduzieren, sondern, es geht um die Frage, wie jeder einzelne mit Lebensmitteln umgeht. Es geht darum, den ethischen und ökologischen Aspekt in jedem Lebensmittel zu sehen und den ideellen Wert wieder nach vorne zu stellen. Ich glaube, da kann jedes Unternehmen und jeder Chef und jede Chefin etwas tun, um seinen Mitarbeitenden einen Weg aufzuweisen, wie es möglich ist, ganzheitlich und ökologisch nachhaltig zu handeln.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Ingo Hoppe, rbb 88.8

Diese Version ist eine redigierte Fassung. Das komplette Interview hören Sie beim Klick auf den Play-Button im Titelfoto.

Sendung:  rbb 88.8, 16.09.2019, 17 Uhr

10 Kommentare

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  1. 10.

    Gehört zum Klimaschutz auch nicht Produkte mit weniger Verpackung?
    Wenn man sich so den Onlineshop anschaut.Bio/Veganprodukte u.a.in Gläser...
    Was dann in einen Karton verschickt wird.
    Aber he,das sind immerhin Bioprodukte. *gg*



  2. 9.

    "Für FridaysforFuture sind Sie ja ein bisschen zu alt." - Ach, lieber rbb. Das ist doch Quatsch. Bei FFF darf und soll jeder und jede mitmachen! Von Kindern über Arbeitnehmer bis zu Rentnern sehe ich dort alle Altersklassen vertreten!

    Der 20. September soll kein einmaliges "Mitmachen" der Erwachsenen sein. Er soll ein Signal an alle Erwachsenen sein: Fridays for Future wird nur Erfolg haben, wenn ihr die Jugend unterstützt! Und zwar nicht 1 mal, sondern regelmäßig!

  3. 8.

    Respekt für diese Unternehmer! Die Politik wird erst wach, wenn die Wirtschaft stillsteht. Ein Generalstreik wäre nötig. Dass der verboten sei, ist ein Mythos. Und selbst wenn: die Schülerstreiks sind auch verboten (Schulpflicht). Die jungen Menschen beweisen mehr Mut als die Gewerkschaften, die sich nicht zu einem ordentlichen Streikaufruf entschließen konnten. Deshalb müssen Unternehmen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Ding selbst in die Hand nehmen! Ich habe mir Freitag Urlaub genommen mit einem Arbeitskollegen. Wir gehen zum Klimastreik!

  4. 6.

    Das ganze ist doch wieder wie eine große Werbeveranstaltung...

    Hier versuchen wiedermal einige Leute gut in der Öffentlichkeit dazustehen...

    Die Natur würde sich auch ohne Menschen verändern.
    So war es immer und daran wird sich auch nicht’s ändern.

    Wer was für die Umwelt tuen will, sollte Bäume pflanzen und nicht irgendwelchen „Möchtegern Aktivisten“ hinterher laufen, die noch garnicht wissen wie das Leben so funktioniert.

  5. 5.

    Wir gehen alle nicht mehr arbeiten, dann fällt der gesamte Berufsverkehr weg und zwar 2x am Tag. Dass da nicht schon früher jemand drauf gekommen ist. Wenn du nicht zur Arbeit fährst, braucht auch der Busfahrer und Lokführer nicht mehr zur Arbeit... man das sind ja Synergieeffekte. Wahnsinn. Da muss man echt schon ganz schlau sein um sowas zu erfinden.

  6. 4.

    "Und wir wollen auch andere Firmen inspirieren, mitzumachen..."

    Das ist schön. Aber andere Firmen werden in dieser Zeit unter anderem die Güter produzieren, die Herr Fellmer später als abgelaufene Waren verkauft. Er und sein Unternehmen haben durchaus ein löbliches und sinnvolles Anliegen, aber am Ende sind sie nicht mehr als ein parasitisches Konstrukt, das von den Auswüchsen des Kapitalismus profitiert.

    Möglich, dass es in seiner Welt möglich ist, die Türen für einen Tag spontan zu schließen. Der Yoghurt-Produzent kann die Fließbänder nicht einfach anhalten (dann gibt es nämlich auch keinen abgelaufenen mehr), das Krankenhaus nicht alle Stationen dicht machen, die BVG nicht einfach den Fuhrpark stoppen (dann kommt niemand mehr zur Demo). Die moderne Welt würde nicht funktionieren, gäbe es nur solche Unternehmen, wie jenes von Herrn Fellmer.

  7. 3.

    zurück zur Natur - aber nicht ohne (Mikrowellenstrahlung) Handy
    ein Handy erzeugt (je nach Bandbreite) ca. 2 Watt Mikrowellenstrahlung.
    85 .000 Handys ezeugen auf einem "Lolla..." .Watt.
    Die Menschheit verkrüppelt ihre Gene und löscht sich durch einen einfachen Klick auf "gefällt mir" selbst aus.
    Alternativen: Kabel-Telefon, Briefe, Fahrrad usw.

  8. 2.

    Haben die Mitarbeitenden dann am Freitag frei, bekommen sie die Arbeitszeit auch bezahlt, wenn sie nicht wie vom Chef vorgeschrieben "ein Zeichen setzen" wollen, sondern womöglich ganz anders (zum Beispiel ressourcenschonend den ganzen Tag im Bett bleiben), oder muss die Belegschaft geschlossen zur Kampfdemonstration abmarschieren (Anwesenheit wird überprüft)? Und wie wirkt es sich eigentlich auf die Ökobilanz und die Überlebenschance unserer brennenden Planetin aus, wenn am Kampftag der Weltrettenden die Kundenden keine geretteten Lebensmittel*Innen kaufen können, sondern auf frische zurückgreifen müssen?

    Was sollen schließlich Unternehmen tun, die nicht wie dieses vorbildliche "ohnehin nur Minus machen", sondern - eher unsozialistisch - jene Werte erwirtschaften, die Linke dann so gern mit vollen Händen verteilen?

  9. 1.

    Der Lebensmittelhändler "Sirplus" ist ein Resteverkäufer, der weder auf die regionale Herkunft des Angebots achtet, noch darauf, verpackungsintensive Waren nicht im Sortiment zu führen. Auch auf fair gehandelte Produkte wird kein Wert gelegt und es wird nicht darauf geachtet, ob Lebensmittel auch Bestandteile haben, die durch Kinderarbeit erzeugt wurden. Es gibt keinen Tarifvertrag, es wird kein Tariflohn bezahlt und viele Praktikanten müssen umsonst arbeiten. Der Geschäftsführer sagt: "Also alles, was wir tun, trägt zum Gemeinwohl und zu einer nachhaltigeren Welt bei." Zu allererst machen die Eigentümer des Unternehmens Kasse. Sirplus hat nichts mit Gemeinwohl zu tun - nichts.

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