Vor der Parlamentswahl in Polen - So viel Polen steckt in Berlin und Brandenburg

Mo 16.09.19 | 20:11 Uhr | Von Stefan Kunze und Götz Gringmuth-Dallmer
  4
Brandenburg, Frankfurt (Oder): Das Ortsausgangsschild von Frankfurt (Oder) (Brandenburg) am Grenzübergang Stadtbrücke zur polnischen Nachbarstadt Slubice. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: Brandenburg aktuell | 16.09.2019 | Sascha Erler | Bild: dpa/Patrick Pleul

Polen sind in Berlin die zweitgrößte Gruppe der aus dem Ausland Zugezogenen, in Brandenburg sogar die größte. Die Zahlen zeigen einen kontinuierlichen Zuzug, aber auch regionale Unterschiede. Von Götz Gringmuth-Dallmer und Stefan Kunze

Dieser Beitrag wurde für den Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis 2020 [externer Link] in der Kategorie Multimedia nominiert.

Polnische Stimmen in der Bahn und im Supermarkt, Autos mit polnischen Kennzeichen auf den Straßen von Berlin und in Brandenburger Städten und Gemeinden: Aufmerksame Beobachter treffen häufig auf Menschen aus dem Nachbarland östlich der Oder.

Anlässlich der im Oktober in Polen anstehenden Parlamentswahl hat sich rbb|24 genauer angeschaut, wie stark Polen in der Region vertreten ist. All diejenigen in Berlin oder Brandenburg Lebenden, die die polnische Staatsbürgerschaft haben und älter als 18 sind, können am 13. Oktober natürlich auch über die Stimmenverteilung im polnischen Parlament abstimmen.

Berlin hat seit 2011 fast doppelt so viele polnische Einwohner

In Berlin stellen polnische Staatsbürger seit langem hinter der türkischen Bevölkerung die zweitgrößte Gruppe der in der Hauptstadt lebenden Ausländer. Ende des Jahres 2018 waren nach Angaben des Ausländerzentralregisters 35.818 Polinnen und 35.658 Polen in der Hauptstadt gemeldet.

Mit insgesamt rund 71.500 polnischen Staatsbürgern sind es fast doppelt so viel wie Ende 2011. Seit Mai 2011 gilt für polnische Staatsbürger die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland. In den vergangenen Jahren ist die Zahl in der Regel kontinuierlich gestiegen. Der Ausreißer im Jahr 2017 ergibt sich nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg aus der Tatsache, dass in Berlin mehrere Jahre nicht alle gemeldeten Ausländer an das Ausländerzentralregister weitergegeben wurden. Dies wurde zum Stichtag 31.12.2017 nachgeholt und betrifft neben Polen vor allem ausländische EU-Bürger aus Italien, Frankreich, Großbritannien sowie Rumänien und Bulgarien.

Auch die Gruppe der Deutschen mit polnischen Wurzeln wächst beständig

Die Grundtendenz eines stetigen und kontinuierlichen Zuzugs belegen auch die für Berlin erhobenen Zahlen der Einwohnerregisterstatistik, in der auch Personen mit Migrationshintergrund erfasst werden. Das heißt Ausländer, aber auch Deutsche mit einem Geburtsland außerhalb Deutschlands oder mit einer zweiten Staatsangehörigkeit oder eingebürgerte Personen.
Auch in dieser Statistik liegen Einwohnerinnen und Einwohner mit polnischem Wurzeln an zweiter Stelle hinter der Gruppe mit türkischem Migrationshintergrund.

Laut Einwohnerregister stieg von Ende 2011 bis Ende 2018 die Zahl der in Berlin lebenden Polinnen und Polen beziehungsweise Einwohnerinnen und Einwohner mit polnischen Wurzeln um rund 20.000 auf 116.088.

Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf besonders beliebt

Wo die Einwohnerinnen und Einwohner mit polnischer Staatsangehörigkeit im Berliner Stadtgebiet wohnen, zeigt sehr detailliert die Statistik der "Lebensweltlich orientieren Räume" (LOR). Hinter dieser Wortkonstruktion verbirgt sich eine seit August 2006 von Senat, Bezirken und Statistikamt festgelegte und angewandte raumplanerische Aufteilung, um demografische und soziale Entwicklungen in kleinteiligen Planungsräumen von Berlin besser beobachten und voraussagen zu können.

Während 2013 die meisten Polinnen und Polen eher in ehemaligen Westberliner Bezirken beziehungsweise Stadtteilen und mehr im Zentrum der Stadt wohnten, leben jetzt deutlich mehr in Randbezirken wie Spandau sowie in den ehemaligen Ostberliner Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg. Insbesondere Neukölln und auch Steglitz-Zehlendorf verlieren an polnischer Bevölkerung.

Ein Grund dafür ist sicherlich auch die hohe Fluktuation. In den vergangenen zehn Jahren stellten Polen häufig die größte Gruppe der nach Berlin zugezogenen Einwohner. Zugleich sind sie im gleichen Zeitraum auch immer die größte Gruppe derjenigen, die ins Ausland fortziehen. Diese Zahl ist jedoch geringer als die der nach Berlin ziehenden Polen. Als rechnerischer Saldo blieben seit dem Jahr 2012 jährlich mindestens 1.500 Polen mehr in Berlin.

Polen in Brandenburg

Polnische Staatsbürger bilden seit langem die größte Gruppe der in Brandenburg lebenden Ausländer.

Ende des Jahres 2018 waren nach Angaben des Ausländerzentralregisters 9.094 Polinnen und 11.545 Polen in den Landkreisen und kreisfreien Städten Brandenburgs gemeldet.

Ebenso wie in der Hauptstadt ist die Zahl der in Brandenburg lebenden Polen stetig und kontinuierlich angestiegen. Seit 2011 um über 150 Prozent, von 8.152 auf jetzt 20.639 Einwohnerinnen und Einwohner mit polnischem Pass. Ein prozentualer Zuwachs, der Berlin (98 Prozent) deutlich übertrifft.

Teltow-Fläming löst die Uckermark ab

Im Jahr 2018 waren die meisten Einwohnerinnen und Einwohner mit polnischer Staatsangehörigkeit im Landkreis Teltow-Fläming sowie in der Uckermark registriert, in der bis 2017 immer die meisten Polen lebten.

Ebenfalls über 2.000 Polen leben im Raum Cottbus/Spree-Neiße, der seit 2013 gemeinsam als ein Raum erhoben wird, weil die Ausländerbehörden vom Kreis und der kreisfreien Stadt zusammengelegt wurden. Am wenigsten wohnen in Elbe-Elster, der Prignitz sowie in Brandenburg an der Havel (jeweils unter 300) sowie in Ostprignitz-Ruppin sowie Dahme-Spreewalde (jeweils unter 1.000).   

Größter Zuwachs nicht in den grenznahen Regionen

Für Polen sind offenbar die Regionen, die an der Grenze zum Nachbarland liegen, als Wohnort weniger interessant, vermutlich auch weil sie in die grenznahen Kreise und nach Frankfurt (Oder) pendeln können.

Seit dem Jahr 2011 haben den größten Zuwachs an polnischen Einwohnerinnen und Einwohnern die Kreise Teltow-Fläming (+ 1.973), die Uckermark (+1.259), das Havelland (+1.123) und Potsdam-Mittelmark (+1.003).

Die größten prozentualen Steigerungsraten haben Teltow-Fläming, Oberspreewald-Lausitz, das Havelland sowie Potsdam-Mittelmark zu verzeichnen. Weit unterdurchschnittliche Zuwächse gab es dagegem in Frankfurt/Oder, der Prignitz, Oder-Spree, Elbe-Elster, Brandenburg und in der Uckermark, in der das Ausgangsniveau aber auch besonders hoch war. Der nordöstliche Landkreis ist der einzige in Brandenburg, in dem im betrachteten Zeitraum immer mehr als 1.000 Polinnen und Polen lebten.    

Einen Rückgang der Zahl polnischer Einwohnerinnen und Einwohner gab es bis Ende 2017 tendenziell in Frankfurt(Oder). In den vergangenen beiden Jahren verzeichnete allein die Prignitz einen Rückgang.  

Statistisch nicht erfasst

Gleich mehrere Gruppen werden in den oben genannten Zahlen unter Umständen nicht erfasst. So gibt es zu den Pendlern nur Schätzungen. Rund 17.000 Menschen pendeln von Polen nach Berlin (4.000) und Brandenburg (13.000). Außerdem könnte es sein, dass Spätaussiedler, die in den 80er-Jahren aus Polen nach Deutschland gekommen sind oder auch EU-Bürger aus Ländern wie Österreich, Belgien oder Großbritannien, die als zweite auch die polnische Staatsbürgerschaft haben, nicht statistisch erfasst wurden. Dazu kommen schließlich noch diejenigen, die sich nur auf Zeit, für einige Monate, Wochen oder sogar nur Tage in Brandenburg oder Berlin aufhalten.

Beitrag von Stefan Kunze und Götz Gringmuth-Dallmer

4 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 4.

    So people from Poland or Italy are counted as Auslander? This is EU - Schengen, right to work and live everywhere. Don't put them together with Syrien, Serbia, Turkey or Russia.

  2. 3.

    Was sollte gestern in "Brandenburg aktuell" https://www.rbb-online.de/brandenburgaktuell/archiv/20190916_1930/polen-in-brandenburg.html eigentlich die Sprachverhunzung mit "Einwohner*Innen" während hier im Artikel noch von "Einwohnerinnen und Einwohnern" die Rede ist? Wer hat diesen Orwellschen Neusprech angeordnet bzw. zu verantworten ?
    Möchte man die Leidensfähigkeit der Zuschauer auf eine neue Probe stellen bzw. welche vergraulen?

  3. 2.

    Meine Nachbarn sind Polen. Ich möchte sie nicht missen. "Große Probleme" - man "quatscht" mal drüber und findet recht einfache, schnelle Lösungen - auf beiden Seiten. Sie stören sich an Briefkästen? Verstehe ich nicht! Einfach mal nicht nach "Malle" fliegen, mal ein Umweg über Liechtenstein machen. Da findet man "Hütten" mit drei Stockwerken und vierunddrölfzig Briefkästen, bezogen auf die Fläche, dürfte keine der "Buden" mehr als 0,5 m² haben. Die Namen dort sind echt international. Wo ist ihr Problem?

  4. 1.

    Statistisch... Müll

    Weil bei uns in der Straße wimmelt es von Briefkästen mit politischen nahmen und Firmen dabei sind sie nie da.
    Das beste Beispiel unser Nachbauhaus, es hat nur zwei Wohnungen aber 14 Briefkästen mit ca 21 Firmen und 15 Familien. Wo bei 2 Familien Real sind und vor Ort nicht eine Firma existiert.
    Soviel zur Statistik...

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren