Kandidaten für SPD-Vorsitz in Berlin - "Die meisten sagen: Bitte nicht Olaf Scholz!"
Der SPD-Kandidaten-Tross kommt nach Berlin: Die Bewerber um den Parteivorsitz stellen sich am Dienstag auf einer Regionalkonferenz der Basis vor. rbb-Reporter Jan Menzel hat vorab SPD-Mitglieder getroffen und hat nach ihren Favoriten gefragt.
Am Lietzensee herrscht Volksfest-Stimmung: Die SPD im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf feiert ihr jährliches Sommerfest. Auf der Hüpfburg mitten auf der grünen Wiese jauchzen die Kleinsten, es gibt Eis und das Glücksrad dreht sich. An einem der Stände steht Hannes Habekost und hat ein ganz besonders Spiel ausgebreitet: ein Memory - mit den Bildern der Bewerber um den SPD-Vorsitz.
Sieben Duos für den SPD-Parteivorsitz - je eine Frau und ein Mann - laufen am Dienstag nun auch in Berlin auf. Die Zahl der Anmeldungen war so groß, dass die SPD überlegt hatte, die Veranstaltung ins Tempodrom zu verlegen - das ging aber so kurzfristig nicht.
Nun wird die Regionalkonferenz im Willy-Brandt-Haus stattfinden. In mehreren SPD-Kreis- und Bürgerbüros können Genossen die Veranstaltung via Live-Stream mitverfolgen - und dann bei einer Mitgliederbefragung ihr Votum abgeben.
TV-Promis haben Bekanntheitsbonus
Habekost hat bereits eine Idee, wohin die Reise gehen könnte: "Meistens zeigen die Leute dann doch auf die, die sie aus dem Fernsehen kennen", sagt er. "Und aus dem Fernsehen kennen sie Karl Lauterbach, Ralf Stegner und Gesine Schwan. Aber die meisten sagen wirklich: bitte nicht Olaf Scholz!"
Habekost dreht die Bilder wieder um, nun darf Nico Kaufmann eine Runde Kandidaten-Memory spielen. Kaufmann ist Juso - und wie viele Jungsozialisten hat er sich festgelegt. "Ich habe jetzt ausgewählt Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken", sagt er und ergänzt: "Ich glaube, die beiden bringen alles mit, was ein SPD-Duo alles braucht - sowohl Erfahrung als auch Glaubwürdigkeit."
Aber auch ältere Kandidaten bekommen Punkte
Aber auch ein gewisses Alter: Walter-Borjans, der Ex-Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, wird 67. Die Abgeordnete Saskia Esken ist 58 und die Kandidatin Gesine Schwan sogar 76 Jahre alt. Alter und Neuanfang würden sich aber nicht ausschließen, finden zwei Genossen am Nachbarstand.
"Bernie Sanders ist auch alt, Jeremy Corbyn ist auch alt. Es kommt darauf an, dass sie für die richtigen Inhalte ", sagt einer. [Sanders ist Präsidentschaftskandidat in den USA, Corbyn britischer Oppositionsführer, Anm. d. Red.] "Klar, Jugendliche braucht man auch", sagt ein anderer. "Ich würde aber auch keinen 20-jährigen Arzt haben wollen, der mich operiert. Und genauso wenig einen 20-jährigen Parteichef."
Manchen Genossen fehlt die Authentizität
Die meisten Genossen auf dem Sommerfest sind noch unentschieden, wollen abwarten wie sich die Bewerber auf der Regionalkonferenz schlagen. In einer Frage hat sich Besucherin Felicitas Tesch aber festgelegt. "Auf alle Fälle werde ich für jemanden sein - oder mehrere, die gegen die GroKo sind."
Für SPD-Anhänger Eberhard Henze ist das Wichtigste, dass die neuen Parteichefs wieder Politik für Arbeitnehmer machen, im engen Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Er favorisiert das Duo aus der Parteilinken, Hilde Mattheis und dem Gewerkschafter Dierk Hierschel - und er wundert sich: "Plötzlich werden die radikal, wollen plötzlich soziale Veränderungen - gegen die sie in den letzten Jahren überwiegend Politik gemacht haben."
Nachdenklich ist auch ein älterer Genosse an einem der Stehtisch unter dem knallroten SPD-Schirm. Trotz der Vielzahl der Kandidaten, falle ihm die Entscheidung ganz schwer, sagt er: "Mir fehlt der authentische Typ, der tief aus der Basis kommt - am liebsten ein Betonbauer, der dann studiert hat - und der eine Lebensgeschichte hat, die der SPD nahekommt."
Und dann auch noch bei den Wählerinnen und Wählern ankommen muss, wirft eine Frau, die vorbeikommt ein. Sie lacht ein wenig ratlos und sagt: Sie hoffe einfach auf das Beste für die SPD.