Kommentar | Pro Berliner Mietendeckel - Ein Instrument, das wirken könnte
Der Mietendeckel ist eine notwendige Reaktion der Politik auf das Versagen des Marktes, kommentiert Jan Menzel. Der Senat versuche - mit Anlaufschwierigkeiten - ein Problem zu lösen, das jahrelang von der Immobilienwirtschaft ignoriert oder ausgenutzt wurde.
Als die Mieten in den vergangenen Jahren auf und davon galoppierten, wo waren da eigentlich die Immobilienverbände, Investoren, Projektentwickler, Großkonzerne wie Vonovia und Deutsche Wohnen, Baufirmen und Handwerker mit ihren Kammern und Verbänden? Wo waren die Vorschläge, die Teuerungsspirale zu durchbrechen, damit Berlin für ganz normale Menschen, für Familien mit Kindern bezahlbar bleibt? Wo waren die durchdachten, ausgewogenen Konzepte, jenseits der platten Parole "Bauen, bauen, bauen". Eine Parole, von der jeder weiß: Neubau dauert Jahre bis Jahrzehnte und kann bestenfalls ein Baustein sei, um den Mietenanstieg im Zaum zu halten.
Die Antwort ist: Es kam wenig bis gar nichts von denen, die die Hand aufhielten, am Grundbedürfnis auf Wohnen prächtig verdienten und sich dem süßen Traum stetig steigender Renditen hingaben. Der gellende Aufschrei der Immobilienbranche und die Radikalität des Widerstands bis hin zu angekündigten Klagen beim Verfassungsgericht zeigen nüchtern betrachtet nur, dass nun endlich etwas passiert gegen die Preistreiberei.
Politik deckelt, wo der Markt versagt
Möglicherweise liegt mit dem Mietendeckel nun erstmals ein Instrument auf dem Tisch, das wirken könnte, wo der Gesetzgeber bisher nur unzulängliches Stückwerk im Angebot hatte. Herumgedoktert wurde bereits mit dem Mietspiegel, dem Milieuschutz, der Umwandlungsverordnung und der Mietpreisbremse. Berlin macht Vorkaufsrechte geltend, kauft - auch das muss gesagt werden - zu Wahnsinnspreisen Immobilien zurück und treibt allen Unkenrufen zum Trotz den Neubau voran.
Daran, dass der Mietenmarkt außer Rand und Band und die Preisspirale sich munter weiter dreht, hat sich aber nichts geändert.
Der Deckel ist die Antwort auf diese Misere.
Holpriger Weg, richtiges Ziel
Zur Genese des Deckels gehört auch: Er ist die Antwort der SPD auf einen anderen, viel weitreichenderen Eingriff in den Wohnungsmarkt, den die Macher des Volksbegehrens "Deutsche und Wohnen und Co enteignen" planen. Eine Vergesellschaftung, die übrigens keine krude Sozialimusfantasie oder ein Rückfall in die Planwirtschaft ist, sondern so im Grundgesetz steht.
Mit dem Mietendeckel testet der Senat das Machbare und reizt die Möglichkeiten aus. Er demonstriert, dass "die Politik" sich um eines der zentralen Probleme von Millionen Mietern ernsthaft kümmert. Auch wenn der Prozess von einer ersten Idee über die Eckwerte bis hin zum Senatsbeschluss von Unfähigkeit und nervtötendem Taktieren begleitet war: Im Ergebnis ist der Mietendeckel ausgewogen.
Denn die Revolution durch die Hintertür ist abgesagt. Das Dachgeschoss im schicken Prenzlauer Berg kostet auch künftig mehr als die Hinterhofwohnung im Wedding. Das Recht für alle, günstig am Ku'damm zu wohnen, bleibt weiterhin ein Traum.
Nach all den Entwürfen, Winkelzügen, Koalitionsausschüssen und Senatsrunden besteht eher die Sorge, dass der Mietendeckel weichgespült, dass er mit Ausnahmen und Schlupflöchern versehen wurde, und dass die Mietobergrenzen so hoch liegen, dass die ersehnte Wirkung ausbleibt. Dann hätte die rot-rot-grüne Koalition mit Zitronen gehandelt und Millionen von Mietern einen Bärendienst erwiesen.
Sendung: Inforadio, 22.10.2019, 12.00 Uhr