Kommentar | Contra Berliner Mietendeckel - Der Deckel passt nicht auf den Topf
Der Mietendeckel ist eine zu pauschale Lösung für die Probleme am Berliner Mietmarkt, kommentiert Christoph Reinhardt. Weil er nicht zwischen guten und schlechten Vermietern unterscheidet, juristisch auf wackeligen Füßen steht und die Verwaltung überfordert.
Das mit Abstand Beste an der Diskussion um den Mietendeckel ist, dass es sie gibt. Denn so viel ist natürlich richtig: Spekulation auf knappen Wohnraum und steigende Mieten sind unsozial und gehören verboten. Denn Wohnen ist ein Menschenrecht, und wenn Bürger von gierigen Vermietern um ihr Zuhause gebracht werden, muss der Staat alles tun, was er kann.
Insofern hat der SPD-Mietendeckel genauso seine Berechtigung wie die von den Linken getragene Enteignungsdebatte: Nach den Jahren des Privatisierens und Verramschens von öffentlichem Wohnraum gibt der Senat endlich ein klares Signal an die Vermieter, die es übertrieben haben. Gut so.
Rasenmäher statt Skalpell
Das ist aber leider das einzige Überzeugende am Mietendeckel.
Zum Alarmschlagen gegen Mietwucher ist er zu gebrauchen, Berlins Probleme wird er aber wohl kaum lösen. Wahrscheinlich schon aus formalen Gründen, weil die Gerichte schnell feststellen werden, dass das rot-rot-grüne Berlin nicht gegen die schwarz-rote Mehrheit im Bund Mietpreise deckeln darf.
Oder, falls doch, weil der Deckel wohl unverhältnismäßig ist, weil er alle Vermieter über einen Kamm schert. Auch die, die gar keine Wuchermieten fordern, auch in Kiezen, in den es gar keinen Verdrängungsdruck gibt, auch bei Mietern, die sich eine schick sanierte Wohnung locker leisten können.
Juristisch fragwürdig, verwaltungstechnisch kaum umsetzbar
Das entscheidende Problem des Mietendeckels ist, dass er nicht auf den Topf passt, den er abdichten soll. Ein so pauschaler Deckel wäre bei einer großen Wohnungsnot sicher zu rechtfertigen. Steigende Mieten sind aber nicht dasselbe wie ein Notstand. Das Bild vom entfesselten Wohnungsmarkt ist falsch, fast überall in der Stadt, und von Einquartierungen und Barackenbau sind wir so weit entfernt wie von einem Mietniveau wie in Paris, London, Hamburg oder München.
Richtig ist: Bei Neuvermietungen hat Berlin ein ernstes Problem, die so genannte Mietpreisbremse des Bundes hat keine Lösung gebracht. Und nichts spricht dafür, dass der Mietendeckel mehr Erfolg hat. Schon gar nicht in der deutlich entschärften Fassung, die der Senat jetzt auf den Weg bringt – und die viel Spielraum für Erhöhungen bietet. Denn die Berliner Verwaltung müsste die neuen Regeln, falls sie überhaupt in Kraft treten, auch durchsetzen. Auch das ist angesichts der real existierenden Verwaltungsmisere einfach nicht realistisch.
Dass sich die Koalition schwer tat mit dem Entwurf von Bausenatorin Lompscher und der Streit darüber oft die Absicht überlagerte, ist schade. Denn das Anliegen ist wichtig. Aber Streit ist besser als Nichtstun. Und dass der Senat schon jetzt um Nachsicht bittet und auf das "juristische Neuland" verweist, ist völlig berechtigt: Wir alle sollten nicht zu viel erwarten. Schon gar keine sinkenden Mieten.
Sendung: Inforadio, 22.10.2019, 12.00 Uhr