Kommentar | Contra Berliner Mietendeckel - Der Deckel passt nicht auf den Topf

Di 22.10.19 | 13:20 Uhr
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Der Mietendeckel ist eine zu pauschale Lösung für die Probleme am Berliner Mietmarkt, kommentiert Christoph Reinhardt. Weil er nicht zwischen guten und schlechten Vermietern unterscheidet, juristisch auf wackeligen Füßen steht und die Verwaltung überfordert.

Das mit Abstand Beste an der Diskussion um den Mietendeckel ist, dass es sie gibt. Denn so viel ist natürlich richtig: Spekulation auf knappen Wohnraum und steigende Mieten sind unsozial und gehören verboten. Denn Wohnen ist ein Menschenrecht, und wenn Bürger von gierigen Vermietern um ihr Zuhause gebracht werden, muss der Staat alles tun, was er kann.

Insofern hat der SPD-Mietendeckel genauso seine Berechtigung wie die von den Linken getragene Enteignungsdebatte: Nach den Jahren des Privatisierens und Verramschens von öffentlichem Wohnraum gibt der Senat endlich ein klares Signal an die Vermieter, die es übertrieben haben. Gut so.

Rasenmäher statt Skalpell

Das ist aber leider das einzige Überzeugende am Mietendeckel.

Zum Alarmschlagen gegen Mietwucher ist er zu gebrauchen, Berlins Probleme wird er aber wohl kaum lösen. Wahrscheinlich schon aus formalen Gründen, weil die Gerichte schnell feststellen werden, dass das rot-rot-grüne Berlin nicht gegen die schwarz-rote Mehrheit im Bund Mietpreise deckeln darf.

Oder, falls doch, weil der Deckel wohl unverhältnismäßig ist, weil er alle Vermieter über einen Kamm schert. Auch die, die gar keine Wuchermieten fordern, auch in Kiezen, in den es gar keinen Verdrängungsdruck gibt, auch bei Mietern, die sich eine schick sanierte Wohnung locker leisten können.

Juristisch fragwürdig, verwaltungstechnisch kaum umsetzbar

Das entscheidende Problem des Mietendeckels ist, dass er nicht auf den Topf passt, den er abdichten soll. Ein so pauschaler Deckel wäre bei einer großen Wohnungsnot sicher zu rechtfertigen. Steigende Mieten sind aber nicht dasselbe wie ein Notstand. Das Bild vom entfesselten Wohnungsmarkt ist falsch, fast überall in der Stadt, und von Einquartierungen und Barackenbau sind wir so weit entfernt wie von einem Mietniveau wie in Paris, London, Hamburg oder München.

Richtig ist: Bei Neuvermietungen hat Berlin ein ernstes Problem, die so genannte Mietpreisbremse des Bundes hat keine Lösung gebracht. Und nichts spricht dafür, dass der Mietendeckel mehr Erfolg hat. Schon gar nicht in der deutlich entschärften Fassung, die der Senat jetzt auf den Weg bringt – und die viel Spielraum für Erhöhungen bietet. Denn die Berliner Verwaltung müsste die neuen Regeln, falls sie überhaupt in Kraft treten, auch durchsetzen. Auch das ist angesichts der real existierenden Verwaltungsmisere einfach nicht realistisch.

Dass sich die Koalition schwer tat mit dem Entwurf von Bausenatorin Lompscher und der Streit darüber oft die Absicht überlagerte, ist schade. Denn das Anliegen ist wichtig. Aber Streit ist besser als Nichtstun. Und dass der Senat schon jetzt um Nachsicht bittet und auf das "juristische Neuland" verweist, ist völlig berechtigt: Wir alle sollten nicht zu viel erwarten. Schon gar keine sinkenden Mieten.

Sendung:  Inforadio, 22.10.2019, 12.00 Uhr

5 Kommentare

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  1. 5.

    Was ist ein gieriger Vermieter? Teilen sich Vermieter in zwei Gruppen, die der gierigen Vermieter und den der Menschenfreunde? Wann ist ein Vermieter ein Menschenfreund?

    Heute sind 2-3 % Rendite bei der Vermietung in Bezug auf die derzeitigen Wohnungspreise eine normale Spanne. Sind die Vermieter nach Ihrer Einschätzung dann schon gierige Vermieter? Auf diese Fragen und viele andere Aspekte sind Sie nicht eingegangen, daher ist Ihr Artikel m.E. undiffernziert. Bestimmte Lesergruppen wollen sicherlich eigene Vorurteile in Bezug auf gierige Vermieter bestätigt bekommen. Das haben Sie -sehr kundenorientiert- hier geleistet. Journalismus sollte m.E aber mehrleisten.

  2. 4.

    Lieber Leser Reinhard,
    natürlich will ich weder undifferenziert sein noch Stimmung machen. Ich habe auch an der Stelle nicht über "die Vermieter" geschrieben, sondern über die, "die es übertrieben haben" (es soll welche geben) und die durch den Mietendeckel ein Stoppschild gezeigt bekommen. Ich hoffe, dass einige es in Zukunft weniger übertreiben. Das wäre dann eine gute Nebenwirkung des Mietendeckels, der leider Wucherer und Menschfreunde gleichermaßen deckelt - und an dessen Hauptwirkung (= Mietsteigerungen verhindern) ich nicht glauben kann. Zu undifferenziert?
    Beste Grüße,
    Christoph Reinhardt

  3. 3.

    Lieber Autor Christoph Reinhardt, findest Du deine Aussage :"Denn Wohnen ist ein Menschenrecht, und wenn Bürger von gierigen Vermietern um ihr Zuhause gebracht werden, muss der Staat alles tun, was er kann.
    Insofern hat der SPD-Mietendeckel genauso seine Berechtigung wie die von den Linken getragene Enteignungsdebatte: Nach den Jahren des Privatisierens und Verramschens von öffentlichem Wohnraum gibt der Senat endlich ein klares Signal an die Vermieter, die es übertrieben haben. Gut so." deinem Intellekt angemessen ?
    Die Kurzfassung ist: Die bösen Vermieter sind an allem Schuld. So kann man auf jeden Fall gut populistisch Stimmung machen und einer differenzierten Betrachtung ausweichen.

  4. 2.

    Tatsache ist aber das in vielen Städten die Mieten total überzogen ist.

  5. 1.

    "Auch das ist angesichts der real existierenden Verwaltungsmisere einfach nicht realistisch."

    Was ist bei dieser Verwaltungsmisere überhaupt realistisch?

    Dieser Mietendeckel? Nö.
    Ein nicht so "pauschaler" Mietendeckel? Erst recht nö.
    Mehr Neubau? Wie die Realität zeigt - och nö.

    Und um das alles abzurunden: Die Verwaltungsmisere wird bei der finanziellen Ausstattung der Stadt auch nicht verschwinden.

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